Besuch bei Tierhaltern:Schäfchen zählen

Die Schafhaltung steht seit März auf der Liste des immateriellen Kulturerbes in Bayern. Die Tiere verschwinden von den Weiden. Im Landkreis gibt es noch zwölf Betriebe. Für manche ist es Liebhaberei, andere haben echte Zuchterfolge vorzuweisen

Von Stephanie Noll

Schafherde

Wie die Schafhaltung die Landschaft prägt, sieht man hier bei Markt Indersdorf. Eine Wanderschäferin ist mit 400 Tieren unterwegs. Immer weniger Menschen schätzen diesen Beruf.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Immer wieder ein einzelnes "Määäh", das aus verschiedenen Richtungen kommt, untermalt vom leisen Rascheln des Heus. Am späten Nachmittag wird es schon langsam dunkler und kühler im Stall von Schafzüchter Hans Trinkl in Hackermoos. Die Herde steht friedlich zusammen, aber sobald sie ahnen, dass es gleich Futter gibt, gerät Bewegung in die Tiere. Das Blöken verstärkt sich und alle versuchen, sich den optimalen Platz an der Futterausgabe zu sichern.

Hans Trinkl züchtet gemeinsam mit seinem Sohn Bernhard Suffolkschafe des schottischen und des amerikanischen Typs. Zur Herde gehören 240 Tiere mit 100 Mutterschafen, fünf Zuchtböcken und Lämmern. Trinkl hat sich für die Rasse mit den schwarzen Köpfen und Beinen zum weiß-grauen Fell aus ästhetischen Gründen entschieden - und weil sie eine gute Fleischleistung bringen. Geschlachtet wird bei Trinkls aber nur ein kleiner Teil der Schafe, 90 Prozent dienen allein der Züchtung. Ob ein Schaf zur Zucht geeignet ist, lässt sich schon früh feststellen. Mit 90 Tagen werden alle männlichen Lämmer zur Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft gebracht, gewogen und mit Ultraschall untersucht. So kann man feststellen, wie sich die Lämmer entwickeln und welche körperlichen Merkmale sie an ihre Nachfahren weitergeben können - wertvolle Informationen für Züchter.

Schafzucht

Zur Herde von Hans Trinkl gehören 240 Suffolkschafe.

(Foto: Niels P. Jørgense)

Sieben- bis achtmal im Jahr fährt Trinkl zu Schafmessen in Deutschland, wo die Tiere auch versteigert werden. Das ist ein lohnendes Geschäft, wie er verrät: "Die Zucht wächst, wir können immer wieder Erfolge bei Auktionen verzeichnen. Der bisher größte Erfolg war ein Schafbock, für den wir 3900 Euro erzielen konnten". Demnächst steht die "Euro Suffolk" in Frankreich an, eine europäische Schafmesse, die zum ersten Mal stattfindet.

Seit 35 Jahren hält Hans Trinkl Schafe, die Zucht betreibt er seit 26 Jahren. Er ist zweiter Vorsitzender vom Zuchtverband in Bayern und hat auch schon öfter Zuchtschafe exportiert, etwa nach Ungarn, Spanien oder Italien. Über mangelnde Nachfrage kann er sich nicht beklagen. Da macht es auch nichts, dass mit der Wolle der Suffolkschafe nicht so viel anzufangen ist. Es handele sich prinzipiell um ein Abfallprodukt ohne wirtschaftlichen Wert, sagt Trinkl. Sie werde zwar verkauft, aber dann mit Merinowolle gemischt, denn das sei die Schafswolle, die wirklich nachgefragt werde.

Im März hat der ehemalige bayerische Kultusminister Spaenle zwölf Bräuche, Traditionen und Handwerkstechniken bekanntgegeben, die in das Bayerischen Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden. Neben beispielsweise dem Drechslerhandwerk oder dem Augsburger Friedensfest, gehört dazu auch die Schafhaltung in Bayern. Als Begründung wird unter anderem genannt, dass die Schäferei in ihrer traditionellen Form eine prägende Wirkung auf die Kulturlandschaften hat. Schäfervereinigungen lassen sich auf die seit dem 15. Jahrhundert belegbaren Schäferzünfte zurückführen. Außerdem sind mit der Schäferei viele Brauch- und Festformen verbunden, dazu gehören etwa Schäferläufe, Hütewettbewerbe oder Schäfertänze.

Im Landkreis Dachau gibt es derzeit zwölf landwirtschaftliche Schafhalterbetriebe, das bedeutet, Schafhalter, die mehr als 15 Mutterschafe besitzen. Das teilt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Fürstenfeldbruck mit. Bayern ist das Bundesland mit den meisten Schafen und Schäfern. Aber René Gomringer, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Schafhalter e.V., erklärt, dass immer mehr Schäfer aufgeben, seit längerem verzeichne man jedes Jahr einen Rückgang um fünf Prozent.

Eine traurige Entwicklung, für einen Traditionsberuf, dessen Entstehung so weit zurückreicht. Die Deutschen scheinen zwar Lammfleisch zu mögen, aber nur 40 Prozent des Fleisches kommt von heimischen Betrieben. Ähnlich ist es bei anderen Schafprodukten wie Käse oder Wolle. Das romantische Bild des Schäfers, der mit seinem Umhang, Hut und Hütestab von den Schafen umringt und dem Hütehund begleitet, auf der Weide steht, könnte also womöglich bald Geschichte sein.

Gomringer hofft, dass die Anerkennung der bayerischen Schafhaltung als immaterielles Kulturerbe Vorteile bringt. Er wisse zwar noch nicht genau, was das nun bedeute, aber "es ist ein Freistellungsmerkmal, wir können jetzt mehr auf unser Existenzrecht hinweisen. Und wir hoffen auf mehr Hilfe bei aktuellen Herausforderungen, sowohl finanziell als auch ideell". Zu solchen Herausforderungen zählt er den Wolf, der gerade ein größeres Problem zu werden drohe. Bereits seit zehn Jahren sei das ein Konfliktthema, dass nun immer konkreter werde. In zwei bis drei Jahren könnten Wölfe wieder ganz Bayern besiedeln und wären eine erhebliche Bedrohung für die Schafe. Gomringer hofft, dass jetzt mehr getan wird, um eine Lösung zu finden.

Auch Barbara Ribitsch, die sich um die Schafe beim Obergrashof kümmert, hofft, dass durch Ehrung der bayerischen Landesregierung die Schafhaltung mehr gefördert wird. Der Obergrashof liegt malerisch zwischen Dachau und Oberschleißheim und grenzt an das Naturschutzgebiet Schwarzhölzl. Umgeben von Gräben, Bachläufen und Hecken bietet der städtische Gutshof vielen Nutzinsekten, Vögeln und Kleintieren einen Lebensraum.

Besuch bei Tierhaltern: Barbara Ribitsch hält die Schafe auf dem Obergrashof aus Liebhaberei.

Barbara Ribitsch hält die Schafe auf dem Obergrashof aus Liebhaberei.

(Foto: Toni Heigl)

Seit etwa 16 Jahren werden auch Schafe gehalten. 23 ostfriesische Milchschafe sind hier zuhause, 22 Mutterschafe und ein Bock. Gemolken werden sie Anfang April und mit dieser Milch produziert der Obergrashof mithilfe der kleinen Käserei dann unter anderem Quark, Joghurt und verschiedene Käsesorten. Diese Produkte und die Frischmilch werden im Hofladen verkauft, genauso wie das Fleisch der Lämmer, die Ende Mai bis Anfang Juni geschlachtet werden. Das Schlachten selbst findet aber nicht auf dem Hof statt, dafür werden die Lämmer zu einem Metzger gebracht.

Und was passiert mit der Wolle? "Die verarbeiten wir nicht weiter. Das ist zu aufwendig und lohnt sich bei den Milchschafen nicht", erklärt Ribitsch. Der ansässige Kindergarten bekomme aber teilweise etwas davon ab, erklärt sie. Schafe halten sie beim Obergrashof in erster Linie, um gute Milchprodukte herstellen und verkaufen zu können und weil sich die Kindergartenkinder und Besucher freuen. "Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich das im Prinzip nicht. Heute geht es doch meistens nur darum, möglichst viel zu produzieren. Unsere Produkte verkaufen sich zwar sehr gut, aber am Ende sind wir doch froh, wenn wir bei Null rauskommen", sagt Ribitsch. Der zentrale Bestandteil des Obergrashofes ist die Gärtnerei und deren Umsatz. Die Schafhaltung hingegen fällt eher in die Kategorie "Liebhaberprojekt", die durch das Hauptgeschäft mitfinanziert wird.

Wenn durch die Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes die Schafhaltung nun verstärkt Aufmerksamkeit bekäme, hätte Barbara Ribitsch jedenfalls nichts dagegen einzuwenden.

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