Beschluss im Sozialausschuss:Ein neues Haus für Obdachlose

Beschluss im Sozialausschuss: Noch ist auf diesem städtischen Grundstück hinter dem MD-Gelände freie Fläche, doch bald soll hier ein Neubau für Obdachlose entstehen.

Noch ist auf diesem städtischen Grundstück hinter dem MD-Gelände freie Fläche, doch bald soll hier ein Neubau für Obdachlose entstehen.

(Foto: Toni Heigl)

Entgegen der bisherigen Politik, nach der keine zentralen Unterkünfte geschaffen werden sollten, will die Stadt nun einen Neubau mit elf Wohnungen für Menschen ohne Bleibe in der Altstadt errichten

Von Petra Schafflik, Dachau

Um wohnungslosen Dachauern ein Dach über dem Kopf zu geben, beschreitet die Stadt neue Wege und errichtet erstmals einen Neubau für sie. Bisher stehen zur Unterbringung von Obdachlosen zwei größere Anlagen und verschiedene kleine Unterkünfte im Stadtgebiet zur Verfügung. Doch die Zahl der Bürger ohne Obdach steigt. Auf Vorschlag der CSU-Fraktion soll deshalb auf dem städtischen Grundstück zwischen Mittermayer- und Konrad-Adenauer-Straße ein Gebäude mit elf Zimmern gebaut werden. Das entschied der Familien- und Sozialausschuss einstimmig.

Auch SPD, Grüne und Bündnis für Dachau, bisher Gegner zentraler Bauten, befürworten das Vorhaben. Der Grund für so viel Einstimmigkeit ist, dass das geplante Haus klein ist, mitten in der Stadt liegt und dringend benötigte Kapazitäten schafft. "Das Projekt sprengt nicht unser bisheriges Konzept der dezentralen Unterbringung, bringt aber Entlastung", betont der zuständige Amtsleiter Markus Haberl auf Nachfrage der SZ. "Wir drängen die Menschen damit nicht an den Rand." Allerdings muss die Stadt zur Unterbringung von Obdachlosen künftig darauf verzichten, ihr Vorkaufsrecht zum Ankauf von Wohnungen auszuüben. Das setzte eine Mehrheit von CSU, FW, FDP und Bürger für Dachau gegen den erfolglosen Widerstand der übrigen Fraktionen durch.

Ende 2017 mussten knapp 150 Personen in einer städtischen Unterkunft leben und die Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung steigt. Deshalb braucht die Stadt dringend mehr und bessere Unterbringungsmöglichkeiten, betonte der Grundstücksreferent des Stadtrats, August Haas (CSU). Seine Fraktion setzt sich dafür ein, kleine Gebäude mit bis zu 15 Zimmern zu bauen. Die Verwaltung hatte dafür nach einer ersten Debatte im Januar drei Standorte geprüft. Am schnellsten realisiert werden könnte ein Projekt an der Mittermayer Straße. Dort steht die denkmalgeschützte ehemalige MD-Villa, die heute vom Integrationskindergarten Himmelreich genutzt wird. Auf dem großen Grundstück ist ein weiteres Gebäude für eine Kita vorgesehen, dennoch bleibt Platz für eine kleine Unterkunft. Dieses Vorhaben akzeptieren auch die Gegner zentraler Einheiten, wenn auch nicht gerade mit Begeisterung. "Im Zweifel" trage die SPD das Projekt mit, erklärte SPD-Sprecherin Christa Keimerl. Bedenken hegt auch Luise Krispenz (Grüne). "Das ist schon ein saurer Apfel, aber wir brauchen Lösungen." Um flexibel zu bleiben, wünscht sich Krispenz, dass die Zimmer der Unterkunft sich später zu Sozialwohnungen zusammenlegen lassen. Entscheidendes Argument für die Gegner zentraler Unterkünfte war die überschaubare Größe mit nur elf Zimmern und zentraler Lage mitten in der Stadt.

Ein Blick zurück: Wegen der Gefahr der Ghettobildung wurde etwa ein 1996 geplanten Neubau für Obdachlose am Kräutergarten mit 58 Wohnungen nicht realisiert. Seither verfolgt die Verwaltung das noch heute aktuelle Konzept der teildezentralen Unterbringung.

Im Familienausschuss waren die Stadträte jetzt nach kurzer Diskussion bereit, Finanzmittel und notwendige Personalstellen im Bauamt für das Bauprojekt schon vorzusehen. "Sonst fassen wir einen Beschluss, den man nicht umsetzen kann", mahnte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Über Geld und Personal entscheidet zwar der Hauptausschuss, doch der Familienausschuss sprach einstimmige eine entsprechende Empfehlung aus.

So einig sich die Stadträte in Sachen Neubau waren, so weit gingen die Meinungen zum Vorkaufsrecht auseinander. Bei Immobilien, die früher einmal der Stadt gehörten, ist ein Vorkaufsrecht im Grundbuch vermerkt. Im Falle eines Verkaufs hat deshalb die Stadt die Möglichkeit, an Stelle des Käufers in den Vertrag einzutreten. Ob dieses Recht genutzt werden soll, um Wohnungen zur Unterbringung von Obdachlosen zu erwerben, ist im Stadtrat schon länger umstritten. "Weil es den Bestandswohnungsverkehr stört und Leuten im letzten Moment die Wohnung wegzieht", erklärt August Haas (CSU). Dagegen will die SPD nicht verzichten, auf das wichtige "zweite Standbein" der Obdachlosenunterbringung. Weil die Stadt nur so an einzelne Wohnungen kommt, die überall verstreut in der Stadt liegen. Vorbehalte gegen die Unterbringung von Menschen ohne Obdach mitten in bürgerlichen Wohnvierteln seien haltlos. Und gerade Kinder obdachloser Familien sollten nicht in Sammelunterkünften, sondern in einer normalen Umgebung aufwachsen können, so Sabine Geißler (Bündnis für Dachau).

Auch wenn die Stadt das Vorkaufsrecht bisher nur selten ausgeübt hat, wollen SPD, Grüne und Bündnis nicht verzichten. Zumal der Ankauf für jede Wohnung erneut vom Stadtrat geprüft wird. Doch die Mehrheit entschied anders: Ab sofort wird der Ankauf von Wohnungen mit dem Ziel, dort Menschen ohne Obdach unterzubringen, nicht mehr ausgeführt. Grundsätzlich bleibt das Vorkaufsrecht aber erhalten, etwa um Spekulationen zu verhindern, wie die CSU-Fraktion explizit betonte. Auch wird zur Unterbringung von Menschen ohne Obdach der Ankauf von Grundstücken oder Häusern per Vorkaufsrecht wie bisher weiter geprüft.

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