Bilanz eines Modellprojekts:Auf dem richtigen Weg

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Nach vier Jahren freut sich die Berufsschule Dachau über den Erfolg eines Projekts mit Integrationsklassen. Zwei Drittel der jungen Geflüchteten haben gute Berufschancen. Die Wirtschaft profitiert von neuen Arbeitskräften

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Über mehrere Jahre hinweg hat es in der Berufsschule Dachau dreizehn Berufsintegrationsklassen gegeben, im laufenden Schuljahr sind es fünf, im kommenden werden es nur noch vier sein. Von etwa 260 Schüler auf 70: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die als Asylsuchende und Flüchtlinge an die Berufsschule kommen, sinkt - nicht nur in Dachau, sondern bayernweit. Nun zogen Kultusministerium und Berufsschulen die Bilanz eines auslaufenden Modellprojekts, an dem auch die Nikolaus-Lehner-Schule in Dachau teilnahm. Vier Jahre lang wurde im Schulalltag erprobt, wie junge Geflüchtete am besten auf das Ausbildungs- und Berufsleben vorbereitet werden können. Das Projekt "Perspektive Beruf" sah vor, bereits bestehende Berufsintegrationsklassen zu verbessern - und der Erfolg lässt sich sehen. Zwei Drittel der Schüler bekamen einen aussichtsreichen Job - und auch für die beteiligten Unternehmen hat sich das Modell durchaus gelohnt.

Das Modellprojekt wurde 2015 ins Leben gerufen, die Berufsintegrationsklassen gibt es an bayerischen Schulen teilweise aber schon seit 2011. In Dachau wurde die erste 2013 eingeführt. Das Projekt wurde durch das bayerische Kultusministerium, die Stiftung Bildungspakt Bayern und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft gefördert. Deren Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt lobte bei der Abschlussveranstaltung in München den Erfolg: "Das Projekt gibt aber nicht nur Geflüchteten Perspektiven, sondern auch den beteiligten Unternehmen, die damit Chancen auf neue Mitarbeiter erhalten."

Die Berufsschule Dachau setzte sich bereits vor dem Projekt stark mit der schulischen Betreuung von Flüchtlingen auseinander - und wurde aus diesem Grund vom Kultusministerium für die Testphase ausgewählt. "Ich denke, wir hatten uns schon vorher in diesem Bereich einen guten Namen gemacht hatten", sagt Johannes Sommerer, Leiter der Berufsschule Dachau. Getestet wurde das Projekt insgesamt an 21 Berufsschulen in Bayern. Dass die Schülerzahlen für Berufsintegrationsklassen in Dachau sinken, entspricht der landesweiten Tendenz: 2011 gab es bayernweit 23 Berufsintegrationsklassen, zwischenzeitlich stieg ihre Zahl auf 1100 an, heute sind es rund 730, die das zweijährige Programm anbieten.

Dazu gehört für viele, zunächst die deutsche Sprache zu erlernen, zusätzliche Fächer sind beispielsweise politische Bildung und Wertevermittlung. Im zweiten Schuljahr absolvieren die Schüler Praktika in Betrieben, um herauszufinden, wo die eigenen Stärken liegen und welche Ausbildung zu ihnen passt. Auch durch die zusätzlichen finanziellen Mittel dieses Projekts habe sich die Schule verstärkt auf die neuen Herausforderungen konzentrieren können, erklärt Sommerer. Allein der Umgang mit Schülern, die unter Traumata leiden, forderte einen besonderen Umgang und die Unterstützung durch Sozialpädagogen. Die Berufsschule Dachau kooperiert hierfür mit dem Beruflichen Forschungszentrum der Bayerischen Wirtschaft, das sowohl Sozialpädagogen stellt als auch Lehrer, die darauf geschult sind, Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. "Mittlerweile haben wir aber selbst einige Lehrerinnen und Lehrer an der Schule, die hierfür qualifiziert sind", sagt Sommerer. Das Erlernen der neuen Sprache direkt mit der Berufsvorbereitung zu verbinden, habe sich im Laufe des Modellprojektes als sehr erfolgreich erwiesen, bilanziert Carolin Völk, Sprecherin des Kultusministeriums. Deutsch wird an den Berufsschulen nicht allein als einzelnes Fach gelehrt, sondern auch in sämtlichen anderen Modulen vertieft und dabei nah an das Alltags- und Berufsleben angelehnt.

Und wie sieht die Zukunft für die Schüler nach den zwei Jahren aus? "Bei uns gelangen rund zwei Drittel der Schüler danach auf eine gute berufliche Linie", zeigt sich Sommerer zufrieden. Schließlich fielen in die Bilanz auch diejenigen Schüler, die im Laufe der Jahre wegzogen, in ihre Heimat zurückkehrten oder abgeschoben wurden. In Berufsintegrationsklassen treffen Schülerinnen und Schüler zusammen, die unterschiedliche Sprachen sprechen und auf verschiedenen Bildungsniveaus stehen. Manche haben bereits einen qualifizierten Abschluss, andere müssen Grundkenntnisse aufholen. "Wir haben gemerkt, dass es vor allem auch in Mathe ganze große Unterschiede zwischen den Schülern gibt", erklärt Sommerer. Verschiedene Bildungsniveaus in einer Klasse von rund zwanzig Schülern zu vereinen, sei von Anfang an eine der größten Herausforderungen gewesen - und eines der Probleme, dem sich die Berufsschule während der Projektphase besonders annehmen wollte. Die Schule hat es geschafft, ein besseres System zu entwickeln: Statt nur in Klassen zu unterrichten, werden Gruppen gebildet, je nach Leistungsniveau. So kann schneller und gezielter unterrichtet werden.

Nun läuft nach vier Jahren das bayernweite Modellprojekt aus, übrig bleiben zwei dicke Materialordner, Stoff für Fortbildung und Unterricht, pädagogischer und inhaltlicher Leitfaden für Lehrkräfte. "Wir sind mittlerweile sehr gut aufgestellt", erklärt Schulleiter Sommerer. Das Engagement der letzten Jahre möchte die Berufsschule weiter aufrechterhalten, auch wenn die Schülerzahlen zurückgehen. Werden sich weiter weniger Schüler für die Berufsintegrationsklassen melden, gebe es die Möglichkeit, landkreisübergreifende Standorte anzubieten. Die Berufsschule Dachau hat sich hierfür bereits als Schwerpunktstandort beworben, über dessen Vergabe in den kommenden Schuljahren entschieden wird.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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