Berufspaten:Die Mutmacher

Dachauer Rotarier unterstützen fünf Karlsfelder Mittelschüler ehrenamtlich bei der Berufswahl. Und die können diese professionelle Hilfe verdammt gut gebrauchen.

Von Gregor Schiegl

Berufspaten: Beim gemeinsamen Kochen in der Schulküche üben sich Berufspatin Monika Trejo-Lidl und Mariateresa schon einmal in Teamwork. Das Erfolgserlebnis genießen sie auch gemeinsam - bei Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat.

Beim gemeinsamen Kochen in der Schulküche üben sich Berufspatin Monika Trejo-Lidl und Mariateresa schon einmal in Teamwork. Das Erfolgserlebnis genießen sie auch gemeinsam - bei Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat.

(Foto: joergensen.com)

Kfz-Lackierer oder Maler, das wär's. Technische Dinge liegen Armin. Nur mit dem Deutsch tut sich der 17-Jährige immer noch schwer: Vor zwei Jahren kam Armin aus Bosnien nach Deutschland. Anfangs verstand er kein Wort, inzwischen kommt er im Unterricht ganz gut mit. Aber reicht das für den Schulabschluss? "Im Quali sind die Aufgaben extrem textlastig", sagt Schulleiter Peter Wummel. Es nützt wenig, gut in Mathe zu sein, wenn man die Aufgabenstellung nicht versteht. Der Vater kann Armin wenig weiterhelfen, er muss arbeiten, die Mutter ist daheimgeblieben in Bosnien. "Es gibt Schüler, denen fehlt einfach die Unterstützung", sagt Wummel. Armin ist intelligent, und doch hat er schlechte Karten.

Glücklicherweise ist das Leben voller überraschender Wendungen, es hat Armin einen Joker in die Hand gespielt in Gestalt von Hans Joachim Ploss. Von Beruf ist der Dachauer Urologe, aus Berufung nun Armins "Berufspate": Fünf Dachauer Rotarier, darunter auch Ploss, kümmern sich ehrenamtlich um fünf Karlsfelder Mittelschüler, Acht- und Neuntklässler, die diese Hilfe verdammt gut gebrauchen können: bei der Lehrstellensuche, beim Schreiben der Bewerbungen, beim Vorbereiten der Vorstellungsgespräche, beim Finden jener Betriebe, die ausbilden. Oder die einfach nur Mut machen, motivieren, anspornen.

Die Rotarier, das muss man wissen, sind allesamt Akademiker, Bewohner einer ganz anderen sozialen Hemisphäre: Ärzte, Anwälte, Ingenieure, Banker, Manager. Und sie verstehen sich als "Weltgemeinschaft von Berufsleuten", die ihre professionellen Fähigkeiten einsetzen, um zu helfen, auch und vor allem Jugendlichen wie Armin. "Wir haben uns seit jeher das Thema Jugend vorgenommen", sagt Hans Stahl. Bei den Dachauer Rotariern kümmert er sich um den Bereich Berufsvorbereitung, im bürgerlichen Leben ist Stahl Betriebswirt bei einem Autohersteller.

Er kennt das alltägliche Elend, wenn Schulabgänger sich bei dem Konzern bewerben. Stahl hat ein ganzes Füllhorn von Anekdoten, wie man die Bewerbung versemmeln kann: "Tschuldigung, wie lang wird's denn dauern? Ich steh nämlich im Halteverbot." Oder der Personaler fragt, was man denn vom Unternehmen wisse - und dann komme außer der Nennung von ein, zwei allgemein bekannten Automodellen nur Angst starrendes Achselzucken. Oder der Bewerber kommt gar nicht erst, weil er sich verrechnet hat, wie lange das wirklich dauert mit der Anfahrt, dem Umsteigen und allem.

Immerhin: Wer es so vergeigt, hat den ersten Schritt schon mal geschafft, nämlich überhaupt erst eingeladen zu werden. Armin muss diese Hürde erst einmal nehmen. "Dass er in zwei Jahren einen qualifizierten Abschluss schafft, wird sehr schwierig", sagt Ploss und lächelt, als wolle er anfügen: "Zusammen werden wir das schon irgendwie hinkriegen, was, Armin?"

Es wäre falsch zu glauben, dass die fünf ausgewählten Schüler "Problemkinder" seien, das sind sie ganz und gar nicht. "Wir haben vor allem Kinder aus Familien ausgewählt, in denen die Eltern sich nicht perfekt kümmern können", sagt Lehrer Sascha Eichelmann, "auch Kinder, die manchmal etwas faul sind und einen Anstoß brauchen." Es sind Schüler mit Potenzial, das nur aktiviert werden muss, Schüler, die auch sozial stabil sind. "Es hat keinen Sinn mit Jugendlichen, die nahe an der Straffälligkeit sind", sagt Hans Stahl.

Die Kunst besteht nicht zuletzt darin, die richtigen Menschen zusammenzuführen. Dafür haben Erwachsene wie Jugendliche erst einmal Steckbriefe geschrieben mit ihren Hobbys, ihrer Lieblingsmusik, worauf sie besonders großen Wert legen, was sie gar nicht leiden können, Sachen, die im zwischenmenschlichen Bereich eine erstaunliche Bedeutung haben können: Andin ist 15, eigentlich gar nicht schlecht in der Schule, aber noch ziemlich unentschlossen, was er mal machen möchte: Autohändler, Barkeeper, Schauspieler? "Ich finde es cool, neue Leute kennenzulernen", sagt er. Am liebsten wäre ihm eine Karriere als Kickboxer. Seit drei Monaten trainiert der Achtklässler die Kampfkunst Martial Arts. Sein Berufspate Hans Blank ist skeptisch. "Es ist schwierig, davon zu leben", sagt der ehemalige Manager eines großen Energiekonzerns. Aber Blank ist nicht der Typ, einem jungen Mann Träume auszureden. "Durch meine Lebenserfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, dass man Spaß an seinem Beruf hat."

Um die 14-jährige Sefja kümmert sich Rolf Lidl, Maschinenbauingenieur und Honorarprofessor im Ruhestand. Man muss nicht lange mit ihm reden, um festzustellen, dass hier ein besonders sensibler Mensch mit Fingerspitzengefühl am Werk ist. "Man muss ihr Zeit lassen", sagt er über Sefia, "man darf keinen Druck aufbauen." Sefja ist wie Armin aus Bosnien nach Karlsfeld gekommen, aber sie kam erst vor einem Jahr. "Von den Lehrern wurde sie mir als sehr begabtes Mädchen geschildert, aber sie gehört zu den Leuten, die alles perfekt machen wollen." Bevor sie einen Satz in schiefem Deutsch sagt, sagt sie lieber gar nichts und lächelt freundlich.

Ersatzeltern sind die Berufspaten nicht, auch wenn es durchaus freundschaftliche Verhältnisse gibt. Monika Trejo-Lidl war Projektkoordinatorin in der Personalorganisation eines großen Unternehmens, eine selbstbewusste Frau, die ihr Leben gewuppt hat, Karriere und Kinder. Ihrem Patenkind Mariateresa legt sie den Arm um die Schultern, knufft sie und lacht. Das Mädchen ist gerade 14 geworden und noch in der Orientierungsphase. Etwas im Einzelhandel, das könnte sie sich vorstellen. Oder was im Büro. Oder Kinderpflegerin. Aber eigentlich weiß sie es noch nicht.

Jetzt probiert sie es mal mit einem Praktikum in einer Dachauer Drogerie. Wenn sie Mittagspause hat, geht sie zu Monika Lidl-Tejo. Sie wohnt gleich um die Ecke, kocht dem Mädchen Mittagessen, redet. Mariateresas Mutter ist froh, dass sich jemand um ihre Tochter kümmert.

Zwischen einmal im Monat und zweimal in der Woche treffen sich die Paten mit ihren Schützlingen, je nach Bedarf, dazu kommen Abstimmungsgespräche mit Eltern und Lehrern. Die Erfolge wird man sehen - oder auch nicht. "Es ist ein Experiment", sagt Rotarier Hans Stahl. Und es wird allen Beteiligten einiges abfordern in den kommenden zwei Jahren, das ist allen klar. "Wir springen ins kalte Wasser", sagt Schulleiter Peter Wummel. Aber in Karlsfeld machen sie das ja ständig. Das Kollegium hat sich ein eigenes Modell erkämpft, einen Schulabschluss nach der elften Klasse auf dem Niveau einer Realschule. Keine Bildungseinrichtung für Warmduscher.

Max Haberl, Leiter der gemeindlichen Jugendarbeit in Karlsfeld, hat ein Berufspatenprojekt früher selbst einmal an seiner früheren Wirkungsstätte in Kirchheim begleitet. "Das ist ein spannendes Projekt", sagt er. Die Akteure in Karlsfeld hat er schon mal darauf vorbereitet, dass es im Verhältnis von Pate und Schüler auch Momente der Frustration geben könne. "Die Paten kommen wie die Jungfrau zum Kind und denken, sie müssten einfach erst mal mit dem Kind reden. Und wissen gar nicht, wie viel da schon geredet wurde." Martina Rechl, die Jugendsozialarbeiterin an der Schule, steht als Vermittlerin bereit, sollte es mal Schwierigkeiten geben.

Bislang ist alles glatt gelaufen.

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