Zeitzeugin wird hundert Jahre alt:Im Dunstkreis der Weißen Rose

Zeitzeugin

Die 100-jährige Eva Hönigschmid wünscht sich für ihre Enkel und Urenkel, dass sie "keinen Krieg erleben müssen".

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Eva Hönigschmid lernt Alexander Schmorell kennen, bevor er in den Widerstand geht. Von seinem Tod erfährt sie erst nach dem Krieg.

Von Livia Hartmann, Bergkirchen

Gefochten hat sie, bis sie 65 Jahre alt war, Ski gefahren ist sie bis zum Alter von 77, Auto gefahren bis 88. An diesem Donnerstag wird Eva Hönigschmid nun 100 Jahre alt und ist eine der wenigen noch Lebenden, die Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe "Weiße Rose" noch persönlich gekannt hat. Heute lebt Hönigschmid gemeinsam mit ihrem Foxterrier Nelly in Bergkirchen.

Am 6. Februar 1920 kommt Eva Hönigschmid, geborene von Proskowetz, in Kvasice in der damaligen Tschechoslowakei auf die Welt. Sie besucht eine tschechische Klosterschule, später ein deutsches Internat in Österreich. Nach ihrem Abitur hat sie den Wunsch, zum Studieren nach München zu gehen. Ihr Vater ist einverstanden, und so beginnt sie 1939 ihr Chemiestudium in München. Dort lernt sie Christoph Probst und Alexander Schmorell beim Fechten kennen. Der Fechtmeister an der Universität hat ihr empfohlen mit den beiden zu trainieren. Besonders mit Alexander Schmorell pflegt sie eine "sehr nette Freundschaft", erzählt Hönigschmid. "Die beiden waren außerordentlich gebildete und kultivierte Leute, haben schwierige russische Romane gelesen und zusammen Musik gemacht." Über Politik hätten sie damals nicht viel gesprochen, aber dass sie alle gegen Hitler waren, dass sei "vollkommen klar" gewesen.

"Vielleicht war er damals wirklich verliebt in mich"

Dass ihre Freunde später gemeinsam mit Hans und Sophie Scholl und Kurt Huber die Weiße Rose gründen werden, davon ahnt die Studentin zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Im Februar 1940 heiratet Eva Hönigschmid ihren Mann Wolfgang, einen Prager Arzt, und zieht in die Tschechoslowakei. Schmorell schenkt ihr zum Abschied ein Buch mit handgeschriebenen Gedichten. "Vielleicht war er damals wirklich verliebt in mich, gemerkt habe ich aber nichts." Drei Jahre lang schreiben sie sich Briefe. Als er sie bei einem Wiedersehen 1943 bittet, Flugblätter mit nach Prag zu nehmen, um diese dort zu verteilen, lehnt sie ab. "Ich hatte doch schon zwei kleine Kinder, dieses Risiko konnte und wollte ich nicht eingehen." Das war das letzte Mal, dass Eva Hönigschmid ihrem Freund begegnet ist.

Als Hans und Sophie Scholl und Willi Graf später festgenommen werden und Christoph Probst und Alexander Schmorell zunächst untertauchen können, wird sie selbst eine ganze Woche lang von der Gestapo überwacht. Erst nach Kriegsende erfährt sie vom Schicksal ihrer Freunde. Schmorell und Probst wurden zusammen mit den anderen Mitgliedern der Weißen Rose im Gefängnis Stadelheim enthauptet.

Hönigschmid gründet 1981 eine Bücherei in Bergkirchen

Hönigschmid selbst lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Prag, bis Wolfgang Hönigschmid im November 1942 eingezogen wird. Alleine mit zwei kleinen Kindern macht sie sich auf den Weg in ihre Heimat. Kurz vor Kriegsende flüchtet sie dann mit ihrer Schwägerin über Tirol bis nach München, wo sie bei ihrer Tante unterkommt. Als der Krieg vorbei ist und ihr Mann nach Hause kommt, lässt die Familie sich im Landkreis Dachau nieder, zwei weitere Söhne werden geboren.

Hönigschmid gründet 1981 eine Bücherei in Bergkirchen, leitet diese 15 Jahre lang und liest den Kindern vor, bis sie 85 Jahre alt ist. Heute hat sie selbst sechs Enkelkinder und zehn Urenkel. Auf die Frage, was sie sich für die Zukunft wünscht, antwortet Hönigschmid: "Ich hoffe, dass meine Enkel und Urenkel keinen Krieg erleben müssen und in Frieden leben können." Dann denkt sie kurz nach und fügt hinzu: "Aber die Menschen haben nicht aus ihren Fehlern gelernt, deswegen ist es wichtig, sich einzubringen und mitzumachen - denn das haben damals zu wenige von uns gemacht."

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