Wehrpflicht:„Unsere Kampftruppen sind voll“

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Unter den etwa 20 Zuhörern im Gasthof Groß sind nicht nur Parteianhänger, sondern auch ehemalige und amtierende Bundeswehrfunktionäre. (Foto: Toni Heigl)

Bei einer Podiumsdiskussion des CSU-Ortsverbands Bergkirchen wird über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Bundestagsabgeordneter Florian Hahn zeigt sich als klarer Befürworter.

Von Katharina Erschov, Bergkirchen

Hörte man dem CSU-Abgeordneten Florian Hahn und einigen Teilnehmenden der Podiumsdiskussion „Zeitenwende und Wehrpflicht – quo vadis?“ in Bergkirchen zu, drängte sich der Gedanke auf, dass ein Katastrophenszenario kurz bevorsteht: Im Jahr 2029 soll Russlands Armee dazu fähig sein, das Nato-Territorium anzugreifen, lautet die Prognose von Hahn und weiteren Militärexperten. Noch bleibe also Zeit abzuschrecken, sagte Hahn. Zum Diskussionsabend mit zwei Sicherheitsexperten hatte der CSU-Ortsverband Bergkirchen zusammen mit den Kreisverbänden Dachau und Fürstenfeldbruck eingeladen.

Florian Hahn thematisierte dort als verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag die sicherheitspolitische Weltlage. Zudem berichtete Jugendoffizier und Hauptmann Fabian von Skrbensky über die Reallage der Bundeswehr. Hahn sagte an dem Abend, dass die Bedrohung aus dem Osten wachse, während die deutsche Verteidigungsfähigkeit nicht merklich steige. „Ich fürchte, Putin weiß das“, so Hahn vor den rund 20 Zuhörern im Gasthof Groß. Darunter waren nicht nur Parteianhänger, sondern auch ehemalige und amtierende Bundeswehrfunktionäre, junges Publikum fehlte zum Großteil, nur etwa eine Handvoll Jugendliche war gekommen.

Personalaufkommen der Bundeswehr stagniert bei 180 000 wehrfähigen Soldaten

Zur Lage der Bundeswehr erklärte Fabian von Skrbensky, dass zwar jedes Jahr rund 20 000 Soldaten in die Bundeswehr eintreten, doch in etwa genau so viele Menschen verlassen sie im selben Zeitraum wieder. Zwar wolle Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Zahl der aktiven Soldaten auf etwa 200 000 erhöhen, doch das Personalaufkommen der Bundeswehr stagniere derzeit bei 180 000 Soldaten und Soldatinnen. Hahn zufolge müsste der Personalaufwuchs bei 500 000 Soldaten liegen – er bezieht sich dabei auf eine Empfehlung der Nato, so viele Menschen würden nämlich für den Verteidigungsfall gebraucht. Skrbensky berichtete: „Unsere Kampftruppen sind voll.“ Für diese Bereiche gebe es also schon genügend Bewerber, doch was der Bundeswehr fehle, seien IT-Spezialisten, Logistiker, Leute im Fernmeldewesen oder Lkw-Fahrer.

Der Dachauer CSU-Kreisvorsitzende Bernhard Seidenath (rechts) mit dem verteidigungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Florian Hahn. (Foto: Toni Heigl)

Hahn favorisiert eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Diese ließe sich mit einer Änderung des Grundgesetzes reaktivieren. Vom Publikum bleibt seine These an jenem Abend unangefochten, allerdings gibt es Stimmen in der Gesellschaft und Politik, die sich gegen eine Wehrpflicht aussprechen. Lars Klingbeil, Co-Vorsitzender der SPD, schlug etwa vor, dass eine Stärkung der freiwilligen Wehr- und Zivildienstoptionen effektiver und sozial nachhaltiger wäre.

Aus dem Publikum meldete sich daraufhin der 16-jährige Antonio Zubak aus Fürstenfeldbruck, der sich in der Jungen Union engagiert. Er fragte, ob Skrbensky spürbar merke, dass wieder mehr Jugendliche zur Bundeswehr wollen. „Was die Jugend will, das weiß ich nicht“, antwortete Skrbensky. Was er jedoch sagen könne, ist, dass die Bundeswehr wieder eine Notwendigkeit für Deutschland sei. Nachgefragt, ob Zubak selbst dienen wolle, gab er zu, dass er „für dieses Land Verantwortung übernehmen“ wolle, doch einer Bodentruppe würde er sich vermutlich nicht anschließen.

„Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt“

Stefan Grosch, einst Landesgeschäftsführer der Jungen Union Bayern, bleibt alarmiert: „Ich habe das Gefühl, dass wir es uns immer noch schönreden. Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt. Wir in Deutschland müssten wissen, wohin das führen soll.“ Auch vor dem Hintergrund der anstehenden US-Wahlen müsse man in Deutschland an die eigene Sicherheit denken, fügte Hahn hinzu. Je nach Ausgang der Wahlen sei mit einer geringeren Bereitschaft der Amerikaner zu rechnen, „für Deutschland alles zu geben“. Daher sei das Gebot der Stunde die Abschreckung.

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