Bergkirchen steigt aus:Dammbruch im Hochwasserschutz

Die Gemeinde verabschiedet sich aus dem gemeinsamen Projekt von Wasserwirtschaftsamt und Stadt Dachau: Die am Gröbenbach geplanten Maßnahmen seien sei zu teuer und für die eigenen Bürger zu ineffektiv

Von Julia Putzger, Dachau

Als der Himmel im Juni 2013 seine Schleusen öffnete, hieß es auch im Landkreis Dachau bald vielerorts "Land unter." Besonders betroffen war damals unter anderem der Bergkirchener Ortsteil Günding, wo es mittlerweile konkrete Pläne für Hochwasserschutzmaßnahmen gibt. Aber auch in Gegenden, in denen weniger Wassermassen über die Ufer traten, will man künftig besser auf ein Hochwasser vorbereitet sein - etwa im Dachauer Süden und Westen entlang des Gröbenbachs.

In die Planungen dazu war nicht nur die Stadt Dachau und das Münchner Wasserwirtschaftsamt (WWA) involviert, sondern auch die Gemeinde Bergkirchen. Im November 2018 war die Aufteilung der Kosten auf alle drei Partner vereinbart worden. Doch nun zieht sich Bergkirchen gänzlich aus dem Projekt zurück. Die Begründung: Die Maßnahmen seien zu teuer und stünden in keinem Maß zum Nutzen für die Bergkirchener Bürger.

In der aktuellen Beschlussvorlage des Dachauer Umwelt- und Verkehrsausschusses, die sich mit dem Thema beschäftigte, hieß es dazu, "dass sich die Gemeinde Bergkirchen aus ihrer Verantwortung hinsichtlich des Hochwasserschutzes für ihre eigenen Bürger entzieht". Diesen Vorwurf weist Bergkirchens Bürgermeister Simon Landmann (CSU) entschieden zurück: Man habe sich im Gemeinderat sehr lange und intensiv mit der Thematik beschäftigt und sei letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass Kosten und Nutzen des Projekts für die betroffenen Bürger aus Bergkirchen in keinem Verhältnis stünden. Es sei günstiger, jeweils an Ort und Stelle einzelne Maßnahmen durchzuführen, beispielsweise Kellerschächte anzuheben.

Gekippt wird das Projekt zum Hochwasserschutz am Gröbenbach dennoch nicht, stattdessen werden sich das Wasserwirtschaftsamt und die Stadt Dachau die anfallenden Kosten jeweils zur Hälfte teilen - so lautete der Beschluss im Umwelt- und Verkehrsausschuss. Die Kosten bewegen sich im Falle des tatsächlichen Baus einer der vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen in einem Rahmen von insgesamt zehn bis 34 Millionen, hinzu kommen bereits vorab fällige Kosten für die Planung.

Bergkirchen steigt aus: Szenen wie diese sollen sich nicht wiederholen. 2013 war die ganze Umgebung vom Gröbenbach bis zum Aeroclub-Flugplatz überschwemmt.

Szenen wie diese sollen sich nicht wiederholen. 2013 war die ganze Umgebung vom Gröbenbach bis zum Aeroclub-Flugplatz überschwemmt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt zur Entscheidung Bergkirchens: "Das kann jeder für sich selbst entscheiden, es muss nur mitmachen, wer geschützt werden will." Ein Hochwasser sei zwar keine tägliche oder jährliche Bedrohung, habe aber stets gravierende Folgen. Deshalb gebe es aus seiner Sicht wenig abzuwägen. Außerdem sei auch das Wasserwirtschaftsamt an einer wirtschaftlichen Lösung interessiert. Der städtische Bauamtsleiter, Moritz Reinhold, bejaht das Projekt ebenfalls: "Es wäre fahrlässig, wenn wir jetzt den Kopf in den Sand stecken und dann nicht vorbereitet sind." Am Projekt ändere sich nun insofern etwas, als die Schutzmaßnahmen hauptsächlich den Dachauern und weniger den Anwohnern im Bergkirchener Ortsteil Gröbenried zugute kommen werden.

Bis es die Schutzmaßnahmen tatsächlich gibt, werden allerdings wohl noch einige Jahre vergehen. Derzeit laufen noch Untersuchungen zu drei verschiedenen Planungsvarianten mit möglichen Untervarianten. Sobald die Entscheidung für eine Fassung gefallen ist, muss diese noch detaillierter erarbeitet, Genehmigungen eingeholt und mittels eines Planfeststellungsverfahrens Baurecht geschaffen werden. Erschwerend kommt dann hinzu, dass der benötigte Grund bei allen drei Modellen nur zu einem Bruchteil der Stadt Dachau gehört und somit die Kooperation privater Eigentümer zwingend notwendig ist, wie Reinhold erklärt.

Die erste Möglichkeit, um die Bewohner entlang des Gröbenbachs vor einem Hochwasser zu schützen, ist eine Flutmulde, die vom Gröbenbach zur Amper führt - das Wasser würde also umgeleitet. Der Verlauf einer solchen Flutmulde ist in verschiedenen Lagen denkbar und könnte gänzlich, teilweise oder überhaupt nicht auf Bergkirchener Flur liegen. Die zweite Möglichkeit zum Hochwasserschutz ist die Schaffung von sogenannten Retentionsräumen, in denen sich der Gröbenbach flächenmäßig ausdehnen könnte. Das Wasser würde somit später über den Gröbenbach selbst abfließen. "Das ist die flächenintensivste Variante", erklärt Reinhold. Die dritte Option sieht einen Ausbau der Fließquerschnitte von Viehgassenbach und Gröbenbach vor, um diese leistungsfähiger zu machen. Reinhold merkt dazu allerdings an, dass sich die Umsetzung als sehr schwierig gestalten könnte, da teilweise unmittelbar am Ufer des Gröbenbachs Häuser stehen.

Bergkirchen steigt aus: Bergkirchens Bürgermeister Simon Landmann hält örtliche Einzelmaßnahmen gegen Hochwasser für sinnvoller.

Bergkirchens Bürgermeister Simon Landmann hält örtliche Einzelmaßnahmen gegen Hochwasser für sinnvoller.

(Foto: Toni Heigl)

Abgesehen davon, dass Bergkirchens Bürgermeister Landmann die Kosten für das Projekt im Vergleich zum Nutzen als zu hoch ansieht, kritisiert er auch die Ausmaße der verschiedenen Varianten. Er erklärt, dass beispielsweise für die Flutmulde vom Gröbenbach zur Amper ein drei bis vier Kilometer langer Querkanal mit einer durchgängigen Breite von rund 40 Metern notwendig sei und glaubt deshalb nicht, dass dies in der Praxis tatsächlich verwirklicht werden könnte.

Gegen Hochwasserschutz ist die Gemeinde Bergkirchen aber keinesfalls: Bereits im Juli 2013 begann man dort mit Planungen für Schutzmaßnahmen entlang der Maisach und des Bulachgrabens, wovon künftig rund 200 Haushalte in Günding profitieren sollen. Auch an der Amper arbeitet man schon gemeinsam mit der Stadt Dachau am Hochwasserschutz. Der Ausstieg aus dem Projekt Gröbenbach habe also keinesfalls mit mangelnder Kooperationsbereitschaft zu tun. Von der Annahme, dass die Gemeinde andere Pläne mit den möglicherweise von den Hochwasserschutzmaßnahmen betroffenen Grundstücken habe, will Landmann ebenfalls nichts wissen. Vielmehr erklärt er, dass die Bergkirchener beispielsweise an der Amper bereitwillig in Kauf nähmen, dass ihre Äcker im Falle eines Hochwassers 30 Zentimeter tiefer unter Wasser stünden, um dafür die Dachauer besser zu schützen. Landmann betont deshalb erneut: Man betrachte jeden Fall spezifisch - auch gemeinsam mit den Bürgern - und entscheide dann, ob das Projekt unterstützt werde oder nicht.

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