Bergkirchen:Per Anhalter nach Günding

Die "Mitfahrerbank" macht Menschen ohne Auto mobil

Von Petra Schafflik, Bergkirchen

Eine knallrote Bank steht zentral beim Bruggerhaus in Bergkirchen. Erst mal nichts Besonderes, doch was nach einer Sitzgelegenheit zum Ausruhen aussieht, ist ein neuartiges Verkehrsmittel: die "Mitfahrerbank". Wer weg möchte aus Bergkirchen, so erklärt es Bürgermeister Simon Landmann (CSU) bei der offiziellen Einweihung, vielleicht zum Einkaufen nach Günding oder zum S-Bahnhof in Bachern, der stellt künftig den symbolischen Anhalterdaumen am Signalschild ein. Autofahrer, die das gewünschte Ziel ansteuern, wissen sofort Bescheid und können die Wartenden mitnehmen. Natürlich auf freiwilliger Basis, wie Landmann betont.

An zehn Station in verschiedenen Ortsteilen wurden rote Bänke plus Beschilderung aufgestellt. "Per Anhalter durch die Gemeinde, in Bergkirchen könnte das funktionieren", ist Ute Hönle überzeugt, die als Leiterin der Integrativen Anlaufstelle das Projekt initiiert hat. Denn das sei ja die Stärke des ländlichen Raums: "Wir kennen uns und helfen uns."

Für den Weg zur Einweihungsfeier haben einige Bürger das neue System gleich ausprobiert. In Kreuzholzhausen beim Kriegerdenkmal hat Rasso Ott gewartet, ist dann zum Seniorenbeauftragten Reinhold Heiß ins Auto gestiegen. Die Fahrt war natürlich vorher ausgemacht, damit die beiden pünktlich ankommen. Trotzdem freut sich Rathauschef Landmann, als gleich mehrere Autos zur Feierstunde eintreffen. Probefahrgast Rasso Ott benötigt die Mitfahrerbank in seinem Alltag momentan nicht, weil er selber Auto fährt. Begeistert ist er trotzdem. "Weil es viele gibt, die nicht mehr fahren dürfen oder wollen", sagt er.

Genau diese Bürger haben es nicht leicht in Bergkirchen, weiß der Rathauschef. Einerseits gehört die Gemeinde mit 16000 Quadratkilometern zu den flächengrößten im Landkreis, die Bewohner leben dezentral in 23 Ortsteilen. Gleichzeitig ist der Ort schlecht mit öffentlichem Nahverkehr versorgt. Der S-Bahnhaltepunkt Unterbachern liegt am Rand der Gemeinde, Busse verkehren vorwiegend im Berufsverkehr, "am Wochenende geht gar nichts".

Wer also irgendwohin möchte, zum Supermarkt in Günding, zum Arzt in Bergkirchen, zu Freunden im nächsten Dorf, ist auf das Auto angewiesen. Oder auf Nachbarschaftshilfe, welche die Mitfahrerbank nun ein wenig unterstützen soll. Dafür hat die Gemeinde an zehn Stationen rote Mitfahrerbänke samt Signalschildern installiert, zwei in Bergkirchen, weitere im Gewerbegebiet Gada, in Günding, Feldgeding, Lauterbach, Palsweis, Kreuzholzhausen, Deutenhausen und Unterbachern. Die Investitionskosten von 10 000 Euro belasten den Gemeindeetat nicht, sondern wurden von örtlichen Unternehmen und Banken übernommen.

Neu erfunden haben die Bergkirchner die Mitfahrerbankerl nicht, darauf weist Landmann ausdrücklich hin. Im Spessart und auch im bayerischen Oberland wird das System schon genutzt. Und im Kern könne man da von den Alten lernen, so Pfarrer Albert Hack. Denn das neue Angebot folgt einer bewährten Tradition. Im rund 2200 Jahre alten alttestamentarischen Buch Tobit hat der Seelsorger eine thematische Analogie gefunden. Erzählt wird von Tobias, der eine Reise machen will, aber den Weg nicht kennt und deshalb einen zuverlässigen Begleiter sucht. "Wo ist einer, der mich hinbringt?" Dieser Frage stellt sich nicht nur Tobias im Bibeltext, sie bewegt auch die Bürger, die schlicht von Bergkirchen nach Feldgeding wollen. Die neuen Bänke findet Hack deshalb eine gute Sache. Auch weil sie "Menschen miteinander ins Gespräch bringen".

Bis die Bürger das neue System im Alltag nutzen, wird es sicher eine Anlaufzeit brauchen. Mitmachen ist zudem Vertrauenssache und es gibt keine Garantie, dass man pünktlich irgendwo ankommt. Aber im besten Fall, so Initiatorin Hönle, ermöglicht die Mitfahrerbank "eine kostenlose Fahrt für bekannte Gesichter".

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