Anders als der Titel "Wiener Melange - leicht vergiftet" vermuten lassen könnte, ging es am Mittwochabend nicht um neue, weniger empfehlenswerte Kaffeerezepte. Vielmehr hatte das Hoftheater Bergkirchen im Rahmen seines Theatersommers zu einer "Schubertiade mit feiner Musik von Franz Schubert und bösen Texten von Helmut Qualtinger" in seine temporäre Spielstätte, die Halle des TSV Lauterbach, eingeladen.
Für weniger klassikaffine Menschen: Freunde und Gönner des Komponisten gaben regelmäßig Soiréen, bei denen Schubert eigene Werke aufführte, aber auch Literatur und gehobene Unterhaltung fester Bestandteil waren. Doch warum ausgerechnet Schubert (1797-1828) und Qualtinger (1928-1986)? "Kammermusik trifft Kabarett" sagte Herbert Müller, der gemeinsam mit Ansgar Wilk den Lesepart übernommen hatte. Die Musik Schuberts spielten Petra Morper (Klavier und Leitung), Susanne Morper (Violine), Eugen Tluck (Viola), Michelle Keller (Cello) und Martin Ziegenaus (Kontrabass) als schön aufeinander eingestimmtes Quintett. Sopranistin Helena Huber sang die vier Lieder des Komponisten so eindrucksvoll, dass man gerne noch etliche der insgesamt mehr als 600 gehört hätte.
Heiter-gelöste Stimmung, ganz wie früher bei den originalen Schubertiaden
Das Allegro aus dem Trio B-Dur D 471 war die perfekte Einstimmung auf einen (geträumten) Sommerabend. Geigerin Susanne Morper, Bratschist Tluck und Cellistin Keller gelang es mühelos, ihr Publikum in die heiter-gelöste Stimmung zu versetzen, wie sie von den originalen Schubertiaden vielfach überliefert ist. Messerscharf und immer noch topaktuell seziert Qualtinger in "Mozart und Mammon oder die Festivalpurgisnacht" die Gewinnmaximierer, die selbst ein Klohäusl noch zweckentfremden wollen. Auch die, bei den Salzburger Festspielen unvermeidlichen "Jedermann"-Inszenierungen bekommen ihr Fett ab. Was durchaus auch auf das aktuelle Bühnengeschehen um das Leben und Sterben des reichen Mannes zutrifft.
Wie überhaupt die von Müller und Wilk ausgesuchten Texte immer einen ironisch bis satirisch eingefärbten Bogen zu den schönen Künsten schlugen, sei es bei "Der Kaiser und der Komponist", in dem die Standbilder diverser Komponisten an dem Standbild von Kaiser Franz Joseph, dem Ehemann von Sisi, vorbei flanieren. Eine Szenerie, bei der man sich auf den Wiener Zentralfriedhof mit seinen vielen Ehrengräbern - auch dem von Schubert - versetzt fühlte. Echten Gruselfaktor hatten "Die Memoiren einer ahnungslosen Sängerin".
Mit dem "Forellenquintett" wird ein wundervoller Schlusspunkt gesetzt
Minutiös und böse dröselt Qualtinger die Verstrickungen der Sängerin und Schauspielerin Zarah Leander ins Nazi-Regime auf und macht eindrücklich die Folgen von Fake News klar, auch wenn es diesen Begriff zu seiner Zeit noch nicht gab. "Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben" zeigt "zwei alte Mimen am Garderobentisch". Ein echtes Gustostückerl, das die beiden erfahrenen Theatermänner Satz für Satz genüsslich auskosten. Geht es doch um zwei Schauspieler, die sich in der tiefsten Provinz über verpasste Karrierechancen und ungeliebte Kollegen auslassen - eine skurrile bis absurde Situation: Einer von ihnen soll beispielsweise einen Zwerg in einer Schneewittchen-Aufführung spielen. "Welchen?", fragt der andere. "Den vierten". Da ist es doch wichtig zu wissen: "Wie legst Du ihn an?" Die Antwort ist leider von Qualtinger nicht überliefert.
Im musikalischen Teil setzen Musikerinnen und Musiker mit dem bekannten "Forellenquintett" einen wundervollen Schlusspunkt dieser Schubertiade. Zuvor gibt es noch ein ausdrucksstarkes, hinreißendes Zusammenspiel von Klavier und Viola mit dem Allegro moderato aus der Sonate für Arpeggione und Klavier a-Moll D 821. Sopranistin Helena Huber hatte vier bekannte Lieder von Franz Schubert ausgesucht, "Wohin?" ("Ich hört ein Bächlein rauschen ...") aus "Die schöne Müllerin", den längst zum Volkslied gewordenen "Lindenbaum" ("Am Brunnen vor dem Tore") aus "Die Winterreise", den Dauer-Hit "Die Forelle" und den zutiefst romantischen "Frühlingsglaube" ("Die linden Lüfte sind erwacht") - ein wahres Fest für Fans des sogenannten Kunstlieds, wenn das Zusammenspiel von Sängerin und Klavierbegleiterin Petra Morper so harmonisch ist wie bei dieser - übrigens ausverkauften - Schubertiade. Große Begeisterung beim Publikum - und die Hoffnung auf eine Neuauflage der Wiener Melange.