Theaterpremiere:Total abgefahrenes „Omelette surprise“

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Um den Erinnerungen von Irene (Sarah Giebel) auf die Spur zu kommen, wendet der ärztliche Ratgeber Dr. Semmelweis (Herbert Müller) in Omelette surprise auch Hypnose an. (Foto: Toni Heigl)

Mit seinem neuen Stück beschert das Hoftheater Bergkirchen dem Publikum im ausverkauften Haus einen Abend voller umwerfender Komik, Wort- und Körperakrobatik.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Nur ein wahrer Küchenkünstler (m/w/d) kann ein Omelette surprise, ein Überraschungsomelett, zubereiten. Verbirgt sich doch unter einer voluminösen Baiser- und Kuchenschicht eine spektakuläre Eiskreation. Ein wahrer Wortkünstler kann hingegen aus der Vorgabe „ein Omelett mit sieben Eiern“ eine sprachlich auf’s Feinste austarierte Komödie voller Witz und mirakulöser Wendungen machen.

Daraus ein total abgefahrenes Stück zu zaubern, gelingt wiederum nur einem Regisseur, einer Ausstatterin und Darstellern, die für jeden Spaß zu haben sind. Das Rezept für’s Omelette surprise, das der französische Spitzenkoch Charles Ranhofer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Delmonico's Restaurant in New York erfunden haben soll, findet sich in den unendlichen Weiten des WWW. Der Autor, Regisseur und Schauspieler Axel von Ambesser (1910-1988) ist der Urheber der Komödie „Omelette surprise“. Herbert Müller (Regie), Ulrike Beckers (Ausstattung) Sarah Giebel, Stephan Roth, Verena Konietschke, Theresa Andree und Tobias Zeitz haben daraus einen Abend voller umwerfender Komik, voller Wort- und Körperakrobatik gemacht. Mit anderen Worten: Sie haben bei der Premiere am Freitag das ausverkaufte Hoftheater Bergkirchen total gerockt.

Einträglich schmiegen sich Hubertus (l., Stephan Roth) und seine Ehefrau Irene (Sarah Giebel) an ihren ärztlichen Ratgeber Dr. Semmelweis (Mitte, Herbert Müller). (Foto: Toni Heigl)

Womit? Das ist nicht ganz einfach zu erklären, hat sich doch schon Autor Axel von Ambesser - möglicherweise mit leicht hinterhältigem Grinsen im Gesicht – alle Mühe gegeben, sein Publikum in die Irre zu führen. Ehefrau Irene (eine zwischen treu sorgender Gattin und selbstbewusster Frau mühelos changierende Sarah Giebel) und ihr Mann Hubertus (Stephan Roth als herrlich überdrehter, stocksteifer Ministerialbeamtentyp im feinen Zwirn) führen ein frühmorgendliches Gespräch, bei dem die eine nicht weiß, wovon der andere spricht – und umgekehrt.

Er ist verspätet von einer Geschäftsreise zurückgekommen, sie ist fest davon überzeugt, die Nacht ihres Lebens mit ihm verbracht zu haben – während der er zwecks körperlicher Erholung gegen Mitternacht ein Omelett mit sieben Eiern verzehrt hat. Woran Hubertus sich aber gar nicht erinnern kann. Irene, im süßen Polka-Dot-Look, ist nach einer ergebnislosen Diskussion einverstanden, den Hausarzt Dr. Semmelweis zu konsultieren.

Mehr als verschroben

Es folgt der Auftritt des mehr als verschrobenen ärztlichen Ratgebers (Herbert Müller), der mit seiner grünen Latzhose und allerlei nicht-medizinischem Kleinkram an den „Löwenzahn“-Erfinder und die Kinderwelt erklärenden Fernsehmann Peter Lustig erinnert. Doch Dr. Semmelweis weiß irgendwann auch nicht mehr weiter. Also wird Dr. Dr. Ringelfreud eingeschaltet. Tobias Zeitz, ohnehin mit großem Talent fürs Absurd-Komische gesegnet, dreht voll auf. Schmettert erst ein „O sole mio“, das ganz Italien auf die kleine Hoftheater-Bühne zaubert, und ergeht sich dann in Worttiraden à la „ein realistisch distanziertes Pseudoerlebnis, zusammengesetzt aus semitraumatischen Gewohnheitsreflexen, subcerebralen, auf die Umwelt übertragenen libidinösen Wunschvorstellungen und unterbewussten Selbstbetrugstendenzen“.

Zur weiteren Verwirrung tragen die hochnotpeinlich befragte Haushälterin Frau von Stein nebst ihrem Töchterchen Albertine bei. Verena Konietschke ist diese keifende, standesbewusste und sich ungeniert an Hubertus ranwanzende Frau, die ihre besten Jahre hinter sich hat. Theresa Andree ist das nur auf den ersten Blick harmlose Dienstmädchen im korrekten Schwarz-Weiß. Doch hinter der unterwürfigen Fassade verbirgt sich ein ziemlich fieser Charakter.

Die Situation eskaliert

Sie und ihre Mutter unterhalten sich und das Publikum mit ausgeklügelten Goethe-Zitaten, was für „Omelette surprise“ sozusagen das Tüpfelchen auf dem I wird. Die Situation eskaliert, Ärzteschaft, Ehepaar und Personal wissen nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht, respektive wer mit wem die Nacht verbracht hat oder auch nicht. Nicht einmal Semmelweis‘ seltsame Hypnose hilft. Bis das Stichwort „Amphytrion fällt.

In dieser griechischen Sage – humanistisch angehauchte Menschen wissen es – strawanzt der Erotomane und Göttervater Zeus respektive sein römisches Gegenstück Jupiter gerne mal auf der Erde rum und verführt in Gestalt der nichts ahnenden Ehemänner deren Frauen. Wie’s weitergeht im „Omelette surprise“ sollte man sich unbedingt ansehen. Schon die Ausstattung, bei der Socken in wildesten Musterungen eine nicht unwesentliche Rolle spielen, ist eine Schau.

Die fünf Szenen dieses Lustspiels hat Regisseur Müller mit passenden Evergreens versehen – von „True Love“ bis „La vie en rose“. Sie sind eine wunderbare Ergänzung zur feinen Sprache des Autors. Diese wiederum pflegen Schauspielerinnen und Schauspieler geradezu genüsslich. Hat sie doch nichts mit den heute gängigen Niederungen von Fäkalsprache und Verbalinjurien zu tun; sie glänzt durch Wortspiele, diskrete Andeutungen und gewollte Zweideutigkeiten. All das macht aus „Omelette surprise“ einen fabelhaften Theaterspaß voller Überraschungen – und Lust auf ein ganz gewöhnliches Omelett. 

 

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