Bergkirchen:Höhepunkt der Absurdität

Bergkirchen: Und Action: Herbert Müller und Verena Konietschke legen offen, wie wenig kommunikationsfähig Mann und Frau manchmal sind.

Und Action: Herbert Müller und Verena Konietschke legen offen, wie wenig kommunikationsfähig Mann und Frau manchmal sind.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Hoftheater Bergkirchen inszeniert Sketche von Loriot. Dessen Dialoge aus den Siebzigern haben nichts an Aktualität verloren.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Eigentlich fehlte am Samstagabend nur noch ein Mops auf der Bühne des Hoftheaters Bergkirchen. Schließlich war Premiere von "Loriot, du dödel, di". Und zu den bekanntesten Sprüchen des Vicco von Bülow alias Loriot, der heuer seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, gehört: "Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." Doch auch ohne tierische Beteiligung war dieser Abend eine gelungene Reverenz an den großen Karikaturisten, Kabarettisten, Schauspieler und Regisseur. Warum? Weil Ansgar Wilk in seiner Inszenierung gar nicht erst versucht hatte, Loriot und seine kongeniale Dauerpartnerin Evelyn Hamann zu kopieren.

Wilk setzte mit seiner klugen Auswahl eigene Akzente, stellte die feinsinnige Ironie und präzise Beobachtungsgabe des Sprachkünstlers Loriot in den Mittelpunkt. Ein paar dramaturgische Kniffe beamten gewissermaßen einige - heutzutage womöglich einen Shitstorm provozierende - Dialoge aus den Siebzigern ins Hier und Jetzt. So etwa erwirbt nicht eine Frau, sondern ein Mann das berühmt-berüchtigte Jodeldiplom mit seinem "Da hab ich was Eigenes" und einem gekonnten "Holleri du dödl di, diri diri dudl dö". Wobei sich die unfassbare Röhrende-Hirsch-Krawatte von Ansgar Wilk als ein echter Hingucker erwies.

Wilk drehte den Spieß auch in der anspruchsvollen "Inhaltsangabe" um, an deren Wiedergabe nebst akkurat auszuführenden Versprechern selbst sonst textsicher agierende Loriot-Fans verzweifeln. Wir erinnern uns: "Auf dem Landsitz North Cothelstone Hall von Lord und Lady Hesketh-Fortescue befinden sich außer dem jüngsten Sohn Meredith auch die Cousinen Priscilla und Gwyneth Molesworth aus den benachbarten Ortschaften Middle Fritham und Nether Addlethorpe..."

"Anstandsunterricht" der speziellen Art

Diesen Höhepunkt der Absurdität kann eigentlich nur Meister Loriot selbst toppen. Das gelingt ihm aufs Beste beispielsweise mit einem "Anstandsunterricht" der speziellen Art. Verena Konietschke und Lisa Bales müssen die zu einer Nebenrolle degradierte Ehefrau Schuster ("Als Hauptgang gibt es Pökelzunge in Burgunder mit Klößen...") und den Ehrengast, Frau Krakowski ("In Elberfeld gibt es eine erstklassige Kunstgewerbeschule") mimen, während Herr Schuster vom Dozenten Dr. Dattelmann (einem gestrengen Herbert Müller) in die Geheimnisse der gehobenen Konversation und des korrekten Benehmens eingeführt wird. Das Ganze endet mindestens so chaotisch und alkoholgetränkt wie der Silvesterknaller "Der 90. Geburtstag". Doch bei allem Klamauk, den das Quartett auf der Bühne veranstaltet: Loriot zeigt in diesem Sketch überdeutlich, wie der (un-)schöne Schein zur dominierenden Triebfeder werden kann - mit allen üblen Folgen.

Jahrzehnte nach ihrem Entstehen haben einige dieser großartigen Miniaturen nichts von ihrer Aktualität verloren. Da liegen ein Mann und eine Frau im Bett. Doch statt das zu tun, was man in dieser Situation als Zuschauerin erwartet, üben sie "Deutsch für Ausländer". Sie sollen zwischen dem bestimmten und dem unbestimmten Artikel unterschieden, das Possessivpronomen und gleichzeitig das Konjugieren im Präsens üben. Was folgt, sind zusammenhanglose Sätze: "Mein Mann heißt Viktor. Wir besitzen ein Kraftfahrzeug. Mein Mann fährt mit der Bahn ins Büro." Fulminanter Höhepunkt: "Ich heiße Viktor. Ich wiege 82 Kilo. Das ist meine Aktentasche." Ersetzt man Aktentasche durch Handy, befindet man sich in der Gegenwart einer real existierenden Deutschstunde.

"Gott, was sind Männer primitiv"

Selbstredend darf in dieser intelligenten Inszenierung das Viereinhalb-Minuten-Ei mit seinem - respektive ihrem - "Gott, was sind Männer primitiv" ebenso wenig fehlen wie "Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen". Gerade dieses Zitat sorgt seit einigen Jahren für heftige Auseinandersetzungen über Loriots Frauenbild. Am Samstagabend wird jedoch deutlich: Loriots vielschichtige Dialoge zementieren keineswegs eine Grundhaltung, nach dem unguten Motto: Hier die nervende Hausfrau, da der sich allmächtig gerierende Ehemann. Sie konterkarieren dieses Bild, indem sie überzeichnen, die Protagonisten aneinander vorbeireden lassen - und so offenlegen, wie wenig kommunikationsfähig diese sind.

Lisa Bales, Verena Konietschke, Julian Brodacz, Herbert Müller und Ansgar Wilk gelingt das ausgesprochen gut. Versteinerte Minen, abwesende Blicke, hier ein "Ach", dort ein "Was" oder eine Kombination von Beidem, bürgerlich-spießiges Gehabe und eine ebensolche Garderobe von Ausstatterin Ulrike Beckers, gepaart mit sicht- und hörbarem Spaß am abstrusen Spiel: So ist ein echtes Loriot-Potpourri entstanden, bei dem Herr Lindemann, sein Lottogewinn und die Tochter, die mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal eröffnet, nicht fehlen dürfen. Was es jedoch nicht mehr gibt, ist der originale "Kosakenzipfel". Den haben die Theatermacher durch ein Matterhörnchen ersetzt.

Was bleibt sind das krönende Zitronencremebällchen und die wunderbaren Schimpfkanonaden, "Jodelschnepfe" und "Winselstute" inklusive. Was außerdem bleibt: Ein echter Loriot-Abend mit viel Spaß und fabelhaften Schauspielern. Darauf von Herzen ein "Holleri du dödl di".

Weitere Vorstellungen: Samstag, 27.Mai, Samstag, 10. Juni, Donnerstag, 15. Juni, Samstag, 24. Juni, Freitag, 30 Juni, jeweils um 20 Uhr.

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