Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:"Die Kartoffel ist heuer eine sehr schwierige Frucht"

Der andauernde Regen hat vielen Bauern zu schaffen gemacht, sie beklagen Ausfälle von bis zu 40 Prozent. Die geringe Ernte könnte den Preis für heimische Knollen nach oben treiben.

Von Eva Waltl, Dachau

Man erntet, was man sät. So zumindest besagt es ein Sprichwort. Dass das längst nicht immer stimmt, zeigt die diesjährige Kartoffelernte. Die Landwirte im Landkreis Dachau blicken auf eine beschwerliche Saison und auch auf folgenschwere Ernteeinbußen zurück. "Die Kartoffel ist heuer eine sehr schwierige Frucht", klagt Simon Sedlmair, Obmann des Bayerischen Bauernverbands im Landkreis Dachau. Die hiesigen Kartoffelbauern hätten mit immensen Ernteausfällen zu kämpfen. Ursache seien die äußerst ungünstigen Witterungsverhältnisse, die die gesamte Kartoffelsaison begleitetet hätten. Bereits im Frühjahr verursachte die andauernde Kälte Probleme und nun im Sommer dann der viele Niederschlag. Derzeit ist im Landkreis Dachau die Kartoffelernte in vollem Gange, die Ausbeute ist bisher aber dürftig.

Der andauernde Regen ist das Hauptproblem: Er ist unter anderem schuld daran, dass sich auf den Feldern die Kraut- und Knollenfäule, die sich bei kühl-feuchter Witterung schnell auf dem Feld ausbreitet, wohler fühlt und sowohl Boden als auch Kartoffel infiziert. Die Pilzkrankheit stellt vor allem für Bio-Kartoffelbauern eine Gefahr dar. Da diese, anders als konventionelle Landwirte, einzig Kupfer als Düngemittel einsetzen, das sich im Falle von starkem Regen aber nicht halten kann, sind die Kartoffeln im Biosektor besonders von der Fäule betroffen. Aber auch die konventionell betriebene Landwirtschaft kann sich davor nicht gänzlich schützen.

Johann Märkl vom Schneiderhof in Mitterndorf bei Dachau sieht zudem die Staunässe auf den Feldern als Gefahr, da diese den perfekten Nährboden für die Verbreitung der Pilzkrankheit bietet: "Wenn eine Kartoffel zwei bis drei Tage im Wasser steht, verfault sie oder ist sogar gänzlich kaputt", erklärt der Landwirt. Dieses Problem in den Griff zu bekommen, war heuer eine sehr beschwerliche Aufgabe und im Biosektor nicht immer möglich. Sedlmair schätzt, dass Biobauern im Landkreis eine Ertragsminderung von 30 bis 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. "Manche haben auch einen Totalausfall", ergänzt der Obmann.

Das bestätigt auch Leonhard Mösl, Biolandwirt in Ebertshausen. Er beklagt an seinem Hof ein Drittel Ernteeinbußen. "Es ist sehr frustrierend, wenn man sich das ganze Jahr bemüht und am Ende nicht das gewünschte Ergebnis erreicht", sagt er. Nicht nur der geringe Ertrag und die kürzere Haltbarkeit der Kartoffel bereiten dem Landwirt Sorgen, auch die Erntearbeit an sich gestaltete sich aufwendiger: "Das Roden geht sehr schlecht, weil der Boden durch die vielen Regenfälle stark komprimiert ist." Die eingesetzten Rodungsmaschinen könnten die feste Erde dann nicht immer von der Kartoffel trennen und so falle für die Mitarbeiter deutlich mehr an zusätzlicher Erntearbeit an. Diese Erfahrung macht auch Gerti Ruile, Biolandwirtin aus Arzbach bei Röhrmoos. Sie muss aufgrund der erschwerten Erntebedingungen doppelt so viele Helfer wie noch im Vorjahr einsetzen: "Heuer ist das Arbeiten extrem schwierig."

Bauer Märkl betreibt konventionelle Landwirtschaft und beklagt ebenfalls Ausfälle, wenn auch weniger extrem als die Biobauern. Und laut Märkl haben die Ausfälle auch nicht nur mit der Fäule auf dem Feld zu tun: Bei einigen Sorten, vor allem der größeren Kartoffeln, tritt ihm zufolge auch vermehrt das Problem der sogenannten Hohlherzigkeit auf. Der viele Regen nach einer trockenen Phase im Juni habe für einen Wachstumsschub bei der Kartoffel gesorgt, der so schnell gewesen sei, dass die Zellen im Inneren gerissen seien, erklärt er. "Das kann später bei der Lagerung ebenfalls zur Fäulnis führen." Wie hoch seine dadurch bedingten Einbußen sein werden, könne er aber erst in den nächsten sechs bis acht Wochen genau beziffern. In der Zwischenzeit versuche er, mit einer bestimmten Belüftungstechnik und einer Temperaturregelung die Kartoffel vor der drohenden Fäulnis zu schützen.

Märkl hat die Ernte in diesen Tagen bereits abgeschlossen. Bei anderen Landwirten läuft sie noch bis etwa Mitte Oktober. Spätestens mit Eintritt des Frosts müssen aber alle Landwirte ihre Kartoffel vom Feld eingebracht haben. Obmann Sedlmair hofft, dass "ein goldener Herbst" mit seiner Trockenheit die Situation noch etwas lindern könnte - auch wenn finanzielle Ausfälle nicht mehr wettzumachen sind. Die Bauern haben bereits im Frühjahr Ausgaben für Pflanzgut, Dünger, Maschinen und auch Arbeitszeit getätigt. "Wenn der Ertrag dann weniger ist, wird es schwer, das alles zu decken", so Biolandwirtin Gerti Ruile.

Auch die Konsumenten könnten von der schlechten Ernte betroffen sein, wenn das Angebot an heimischen Knollen, vor allem an Biokartoffeln, bei gleichbleibender Nachfrage deutlich geringer ausfällt. Landwirt Märkl schätzt deshalb, dass "die Kartoffeln, die das diesjährige Weihnachtsfest überleben, im Frühjahr sehr teuer" werden könnten. Das bestätigt auch Obmann Sedlmair: "Der Preis der Biokartoffel wird steigen und die heimische Bioproduktion wird die Nachfrage bis zum kommenden Frühling nicht decken können."

Die Kartoffelbauern im Landkreis sind aber nicht nur wegen der diesjährigen Ernte besorgt. Vielmehr fürchten viele, dass der Klimawandel zu weiteren Extremwitterungen in den kommenden Jahren führen könnte und die Landwirte dann mit immer neuen Herausforderungen und Ausfällen zurechtkommen müssten. Landwirtin Ruile sieht für sich und ihre Kollegen dann die Gefahr, dass bei Ausfällen mehr und mehr aus dem Ausland importiert werden könnte. Dies sei, so Biobauer Mösl, für die gesamte Landwirtschaft eine große Herausforderung: "Wir arbeiten mit der Natur, und wenn die Witterung nicht mitspielt, können wir leider auch nicht viel machen. Aber nur jammern bringt letztendlich ja auch nichts."

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SZ vom 24.09.2021/kafe
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