Odelzhausen:Punktsieg für den TSC Odelzhausen

Odelzhausen: Beeindruckende Bilder auf der Homepage des TSC Odelzhausen zeugen vom Können der Turnerinnen, die dort über Jahre trainiert worden sind.

Beeindruckende Bilder auf der Homepage des TSC Odelzhausen zeugen vom Können der Turnerinnen, die dort über Jahre trainiert worden sind.

(Foto: TSC Odelzhausen)

Die Gemeinde Odelzhausen hatte von dem Verein Rückzahlungen in Höhe von rund 29 000 Euro gefordert, weil sie dessen Gemeinnützigkeit infrage stellt. Das Verwaltungsgericht hat nun entschieden: Derlei Forderungen sind rechtswidrig. Eine Urteilsbegründung steht noch aus.

Von Jacqueline Lang, München/Odelzhausen

Im Kern ging es bei der Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht in München um diese Frage: Gibt es den Verein TSC Odelzhausen, dessen Mitglieder bei zahlreichen Wettkämpfen brillierten, oder war dieser seit seiner Gründung vor nunmehr 27 Jahren für das wirtschaftliche Unternehmen "Jolly Jumper Kinderzentrum" nichts weiter als ein Mittel zum Zweck, um Fördergelder einzuheimsen und die Turnhalle des Zweckverbands der Grund- und Mittelschule kostengünstiger nutzen zu können? Die Auffassungen dazu, welche Version stimmt, konnten auf Klägerseite, dem TSC Odelzhausen, vertreten durch die Vereinsvorsitzende Ursula Kempf-Hertle, und der Beklagtenseite, der Gemeinde Odelzhausen, vertreten durch Bürgermeister Markus Trinkl (CSU), am Mittwoch nicht weiter auseinander gehen.

Die 31. Kammer des Verwaltungsgerichts unter Vorsitz von Richter Anton Meyer urteilt nach knapp zweieinhalbstündiger Verhandlung, dass der Bescheid der Gemeinde Odelzhausen aufgehoben ist, ihre Rückforderungen sind damit rechtswidrig. Der TSC Odelzhausen muss die Jugendförderzuschüsse der Gemeinde in Höhe von 28 938 Euro nicht zurückzahlen. Was das Gericht zu dieser Entscheidung bewogen hat, wird allerdings erst mit der Urteilsbegründung in ein paar Wochen bekanntgegeben.

Odelzhausen: Ursula Kempf-Hertle bleibt dabei: Der TSC Odelzhausen war und ist immer ein gemeinnütziger Verein gewesen.

Ursula Kempf-Hertle bleibt dabei: Der TSC Odelzhausen war und ist immer ein gemeinnütziger Verein gewesen.

(Foto: Jacqueline Lang)
Odelzhausen: Bürgermeister Markus Trinkl (CSU) indes glaubt nicht mehr an die Gemeinnützigkeit des TSC.

Bürgermeister Markus Trinkl (CSU) indes glaubt nicht mehr an die Gemeinnützigkeit des TSC.

(Foto: Toni Heigl)

Der Anwalt der Gemeinde, Gregor J. Schneider, beruft sich darauf, wenn man ihn fragt, wie er das Gerichtsurteil bewertet: Für ihn handle es sich um eine "eher überraschende Entscheidung", von der man ohne Begründung schlicht nicht sagen könne, warum sie getroffen worden sei. Jedenfalls könne man nach jetzigem Kenntnisstand nicht davon ausgehen, dass alles, was dem Gericht an Beweisen vorgelegt worden sei, für falsch erachtet wurde. In einigen Punkten sei in der Verhandlung einmal mehr klar geworden, dass sie den Tatsachen entsprechen. Etwa die Sache mit den Dokumenten, die teilweise erst nachträglich erstellt wurden.

Vielleicht, so meint Schneider, seien die Ansprüche auf Rückforderungen nach Auffassung des Gerichts schon erloschen, vielleicht könne das Geld schlicht nicht mehr zurückgezahlt werden, weil es schon ausgegeben wurde. Vielleicht sei der Verein, den es, wie die Gemeinde annimmt, gar nicht gibt, auch einfach nicht der richtige Adressat für die Rückforderungen. Schlicht, man könne - Stand Mitte März - nur mutmaßen, was das Gericht zu seiner Entscheidung bewogen habe. Eine Niederlage für seinen Mandanten, so räumt Schneider ein, sei das Urteil aber natürlich schon.

"Die letzten vier Jahre, das war alles heiße Luft"

Der Anwalt des klagenden Vereins indes sieht sich durch das Urteil bestärkt: Für Wolfgang Patzelt ist klar, dass es der Gemeinde nie nur um das Geld ging. Eine Frage bleibe deshalb auch nach diesem Verfahren ungeklärt, nämlich was die Gemeinde dazu bewogen habe, den Verein mit Vorwürfen zu überhäufen. Denn es habe sich mit dem Urteil gezeigt: "Die letzten vier Jahre, das war alles heiße Luft." Eine Unmenge an Kosten seien gleichwohl auf beiden Seiten entstanden. Und: Das Ansehen des TSC Odelzhausen sei nachhaltig beschädigt worden - und das offenbar ganz bewusst. Was die Strafsache anbelange, so gehe er davon aus, dass die "im Sande verläuft". Dem Verein sowie Ursula Kempf-Hertle und ihrer Tochter war von der Gemeinde unter anderem (Subventions-)Betrug, Urkundenfälschung und Beleidigung vorgeworfen worden. Mit Blick auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sei das Strafverfahren zumindest vorläufig eingestellt worden, das hatte die Münchner Staatsanwaltschaft bereits im Vorfeld mitgeteilt.

Vor dem Verwaltungsgericht stehen sich die Parteien nicht zum ersten Mal gegenüber: Schon 2019 wurden zwei Eilverfahren verhandelt. Einmal ging es um den Rauswurf aus der Odelzhausener Turnhalle. Das hat sich mittlerweile erledigt, der Verein trainiert nach einem Zwischenstopp in Sulzemoos mittlerweile in Erdweg.

Im zweiten Verfahren forderten Kempf-Hertle und deren Tochter, Kassiererin des Vereins, Bürgermeister Trinkl möge getätigte Anschuldigungen zurücknehmen. Der Antrag wurde abgelehnt, eine Beschwerde dagegen vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.

Fest steht nach der jüngsten Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nun: Beim TSC Odelzhausen wurden die Vereinsbücher nicht so genau geführt, wie es notwendig gewesen wäre. Allerdings bestreitet dies die Gegenseite auch gar nicht. Rechtsanwalt Patzelt sagt, dass er ein Unternehmen niemals so führen würde, wie seine Mandantin das getan hatte. Kempf-Hertle selbst gibt zu, dass man so etwas wie einen Finanzierungsplan oder die Vereinssatzung "nach bestem Wissen und Gewissen" formuliert habe, aber sie sei eben Pädagogin, keine Unternehmerin.

Deshalb habe sie die Mitgliedsbeiträge des TSC Odelzhausen - 30 Euro im Jahr - auch nie erhöht. Das wiederum habe zur Folge gehabt, dass sie den Verein immer wieder finanziell unterstützen musste, damit die Turnerinnen an Wettkämpfen teilnehmen konnten. Ihr Anwalt betont allerdings: Geld sei immer nur in Richtung des Vereins geflossen, nie aus dessen Kasse entnommen worden. Wenn man Kempf-Hertle also etwas vorwerfen wolle, so meint ihr Anwalt, dann, dass sie "zu nett" gewesen sei. Über die Jahre habe sie, das habe sie kürzlich "zur Gaudi" mal nachgerechnet, ergänzt Kempf-Hertle, rund 20 000 Euro aus eigener Tasche für von ihr genähte Turnkostüme ausgegeben. Von einer Bereicherung könne also beim besten Willen keine Rede sein.

"Es gab keine mündigen Vereinsmitglieder und es sollte auch keine geben"

Der Rechtsanwalt der Gemeinde mag all das nicht so recht glauben. Er unterstellt dem Verein das bewusste Vortäuschen falscher Tatsachen, allein durch den Vereinsstatus habe man über die Jahre schätzungsweise 40 000 Euro Hallennutzungsgebühren eingespart. Das sei, so Schneider, nur möglich gewesen, weil Kempf-Hertle - "freundlich formuliert" - eine "Mélange" aus dem Turnverein TSC Odelzhausen und dem wirtschaftlichem Unternehmen "Jolly Jumper Kinderzentrum", das sie 1993 gründete, betrieben habe.

In der Verhandlung beruft sich Schneider bei seinen Ausführungen zum fehlenden Vereinsleben unter anderem auf Zeugenaussagen von ehemaligen Trainerinnen. Diese hätten in Gesprächen bestätigt, dass es den Verein im eigentlichen Sinne nie gegeben habe, sondern nur eine Vorsitzende, die alles alleine entschieden habe. "Es gab keine mündigen Vereinsmitglieder und es sollte auch keine geben", so Schneider. Eine Behauptung, der Patzelt widerspricht: Eine dieser Trainerinnen habe einst sogar das Logo des Vereins entworfen. Es wäre doch, so meint er, "schizophren", wenn so jemand im Nachgang behaupte, ebenjenen Verein gebe es gar nicht. Er rügt, dass Schneider eidesstattliche Aussagen vorbringt, aber es für Patzelt keine Möglichkeit gebe, die Personen, die diese gemacht haben, vor Gericht zu befragen.

Während die Beklagtenseite, also die Gemeinde, vor allem die Frage beschäftigt, ob es den TSC Odelzhausen nur auf dem Papier gegeben hat, beschäftigt die Klägerseite eine ganz andere, die auch die Richterbank interessiert: Wurde der Rechtsanwalt Gregor J. Schneider womöglich unrechtmäßig bevollmächtigt, die Gemeinde zu vertreten? Dieser erklärt, erst am Montag sei in einer nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung die "nochmalige Bestätigung der Mandatierung" erfolgt, im Übrigen einstimmig mit 19:0. Zudem sei das Gremium über die Jahre immer über alle Schritte in Kenntnis gesetzt worden und ja, auch die Kosten für seine Anwaltstätigkeiten seien transparent kommuniziert worden. Die von Patzelt genannte Summe von 100 000 Euro, die die Tätigkeiten von Schneiders Kanzlei die Gemeinde Odelzhausen bislang gekostet hätten, würden "nicht im Ansatz" stimmen. Eine genaue Zahl will er auf Nachfrage allerdings nicht nennen.

Ob die Gemeinde weitere rechtliche Schritte gehen wird, ist noch offen

"Keine Gemeinde der Welt", so meint indes Rechtsanwalt Patzelt, würde doch Kosten in einer solchen Größenordnung - er legt seinen Berechnungen einen Stundensatz von rund 300 Euro zu Grunde - dafür ausgeben, um am Ende nur knapp 29 000 Euro zurückzubekommen. Es müsse sich, so der Rechtsanwalt, um eine "Täuschung" der Gemeinderatsmitglieder handeln, anders sei das Vorgehen nicht zu erklären. Patzelt kritisiert zudem, dass die Gemeinde dem Anschein nach auch für private Verfahren Trinkls in dieser Sache aufkomme, vermutlich wider besseren Wissens. Vor Gericht beantragt Patzelt, den als Zuhörer erschienen Grünen-Gemeinderat Roderich Zauscher dazu anzuhören.

Schneider wendet ein, dass unklar sei, ob Zauscher aus einer nicht-öffentlichen Sitzung in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung überhaupt Angaben machen dürfe, woraufhin Patzelt zu Protokoll gibt, dass Bürgermeister Trinkl den Gemeinderat in einem solchen Fall durchaus von der Schweigepflicht entbinden könne. Sollte Trinkl davon absehen, dann, so Patzelt, müsse dies vom Gericht entsprechend bewertet werden, Stichwort Beweisvereitelung. In Richtung der Beklagtenseite meint er: "Sie haben doch nichts zu verbergen, oder?" Letztlich entscheidet Richter Meyer, dass eine Befragung Zauschers ebenso unerheblich für die Urteilsfindung ist wie die der Vereinskassiererin.

Ob man die Zulassung einer Berufung gegen das Urteil beantrage, dazu will Rechtsanwalt Schneider auf Nachfrage keine Angaben machen. Man werde die Urteilsbegründung abwarten und dann mit dem Gemeinderat Rücksprache halten.

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