Urteil:Ein Sieg ohne echte Gewinner

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Das Bild zeigt eine Turnerin vom TSC Odelzhausen. (Foto: TSC Odelzhausen)

Den Rechtsstreit mit der Gemeinde hat der TSC Odelzhausen gewonnen. Doch zwischenmenschlich bleibt ein Scherbenhaufen zurück.

Von Jacqueline Lang, Odelzhausen

Eigentlich müsste Rechtsanwalt Wolfgang Patzelt sich freuen. Sein Mandant, der TSC Odelzhausen, vertreten durch dessen Vorsitzende, Ursula Kempf-Hertle, hat gerade vor dem Bayerischen Oberverwaltungsgerichtshof Recht bekommen: Die Rückforderungen von Zuschüssen seitens der Gemeinde in Höhe von rund 29 000 Euro sind unrechtmäßig. Das hatte das Verwaltungsgericht bereits in erster Instanz entschieden, doch die Gemeinde Odelzhausen wollte dagegen Berufung einlegen. Diesen Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof nun als zweite Instanz abgelehnt. Die Entscheidung ist damit unanfechtbar und rechtskräftig.

Trotzdem freut sich Patzelt nicht, er ist stinksauer. Nach seiner Ansicht hat die Gemeinde ihr eigentliches Ziel – nämlich den TSC Odelzhausen „zu zerstören“ – trotzdem erreicht. Was zu der Frage führt: Kann es in diesem seit Jahren andauernden Streit am Ende womöglich gar keine Gewinner mehr geben, ganz egal, was Gerichte entscheiden?

So viel gleich vorweg: Die Auffassungen darüber, um was es geht und auch die Auffassungen darüber, was rechtens ist, könnten in diesem Fall nicht weiter auseinandergehen. Fragt man nicht Patzelt, sondern die Gegenseite, sprich die Gemeinde, vertreten durch Bürgermeister Markus Trinkl (CSU), geht es keineswegs um einen womöglich gar persönlich motivierten Feldzug gegen den Verein und die Person Kempf-Hertle. Laut der Gemeinde habe man also mitnichten das Ziel verfolgt, die Mitglieder des TSC Odelzhausen dazu zu bewegen, zum SV Odelzhausen zu wechseln.

Odelzhausen
:Punktsieg für den TSC Odelzhausen

Die Gemeinde Odelzhausen hatte von dem Verein Rückzahlungen in Höhe von rund 29 000 Euro gefordert, weil sie dessen Gemeinnützigkeit infrage stellt. Das Verwaltungsgericht hat nun entschieden: Derlei Forderungen sind rechtswidrig. Eine Urteilsbegründung steht noch aus.

Von Jacqueline Lang

Vielmehr, so steht es in der jüngsten Stellungnahme des Gemeinderats, seien der „Ausgangspunkt aller Verfahren“ Eltern gewesen, die sich an die Gemeinde gewandt hätten, weil ihnen mitgeteilt worden sei, dass trotz gezahlter Mitgliederbeiträge „keine wirtschaftlichen Mittel“ zur Verfügung stünden. Eine Nachfrage habe ergeben, „dass auch die Spende der Gemeinde Odelzhausen an den Verein in dessen Kassenbuch als Einnahme nicht enthalten war“. Nur deshalb habe man durch den Münchner Rechtsanwalt Gregor Schneider Nachforschungen anstellen lassen. Gleichwohl, auch darauf legt man seitens der Gemeinde Wert, vor Gericht habe man nie ziehen wollen; die Gemeinde habe keines der Gerichtsverfahren – 2019 ging es los mit einer Unterlassungsklage – „initiiert“.

Auch unter den Eltern, die ihre Kinder beim TSC Odelzhausen trainieren ließen, gibt es offenbar zwei Lager: Im Nachgang zur Berichterstattung über den Prozess vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht haben die SZ Dachau mehrere Leserbriefe von Eltern erreicht, die das Vorgehen der Gemeinde überhaupt nicht nachvollziehen können. „Anstatt dass der Bürgermeister von Odelzhausen und der Gemeinderat stolz auf diesen tollen Verein sind und auch dankbar für das Engagement der Turnkinder und vieler helfender Eltern, verleumdet er sie und überhäuft sie mit lächerlichen Vorwürfen. Das möge verstehen, wer will, ich nicht“, schrieb am 26. März 2023 etwa Gudrun Eckhardt.

Chaotisch oder berechnend, das ist hier die Frage

Unbestritten ist, dass die Buchführung des TSC Odelzhausen das reinste Chaos war. Nun könnte man das darauf zurückführen, dass Kempf-Hertle zwar alles für die Kinder tut, die bei ihr turnen, aber von Buchhaltung und Vereinsführung keine Ahnung hat. Genau das ist im Wesentlichen die Position, die Kempf-Hertle und ihr Anwalt vertreten.

Die andere Version ist die: Kempf-Hertle hat den Verein nur gegründet, um mit ihrem Unternehmen, dem Kinderzentrum „Jolly Jumper“, an Wettkämpfen des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV) teilnehmen zu können. Den Verein TSC Odelzhausen mit einem aktiven Vereinsleben und Mitgliederversammlungen gibt es also streng genommen gar nicht. Er wurde vielmehr vorgegaukelt, um Fördergelder der Gemeinde einzuheimsen und vergünstigt eine gemeindliche Sporthalle nutzen zu können.

Das Gericht unterstützt mit seiner Entscheidung, keine Berufung zuzulassen, letztlich die Position des Vereins. Etwaige „Verfehlungen“ zu einem gewissen Zeitpunkt können demnach nichts an dem gewährten Vertrauensschutz ändern, sprich an der Tatsache, dass der Verein davon ausgegangen sei, dass ihm die bewilligten Fördergelder rechtmäßig zustehen. So viel zum Sachverhalt.

Der Verein sieht sich „in der Öffentlichkeit massiv diskreditiert“

Doch es gibt noch eine weitere Ebene, die mit dem, was vor Gericht verhandelt worden ist, nur bedingt zu tun hat. Zum einen ist da der Vorwurf, die Gemeinde habe den Verein durch den Rechtsstreit „in der Öffentlichkeit massiv diskreditiert“. Zum anderen, mutmaßt Patzelt, sei all das „vermutlich unter Aufwendung erheblicher Anwaltskosten“ geschehen. „Sehr spannend wird deshalb die Frage sein, wie der Bürgermeister die Beauftragung dieses Rechtsanwalts vor dem Gemeinderat, vor den kommunalen Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt der Öffentlichkeit rechtfertigen will“, Stichwort verprasste Steuergelder.

Der Gemeinderat betont indes, dass es für die Prozesse, auch die verlorenen, eine „Kostendeckungszulage durch die Versicherung“ gebe. Ohnehin seien die verursachten Kosten „deutlich unter dem Streitwert“ von rund 29 000 Euro. Und: „Wenn einer Gemeinde, wie vom Gericht festgestellt, manipulierte Unterlagen vorgelegt werden, dann besteht kein Ermessensspielraum mehr, da wir als Behörde und vereidigtes Gremium nach Recht und Gesetz handeln müssen.“

Damit wäre man bei einer anderen grundsätzlichen Kritik angelangt: Die Gemeinderätinnen und -räte stellen sich laut Stellungnahme die Frage, welches Zeichen der Umstand, dass „das bewusste Täuschen durch die Führung des Vereins ohne Folgen bleiben soll“, an Vereine sende, „die in den letzten Jahren/Jahrzehnten mit viel persönlichem und ehrenamtlichen Einsatz für einen ordnungsgemäßen Vereinsablauf gesorgt haben“.

Es ist eine Frage, die – wie so viele in diesem Fall – auch nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs unbeantwortet bleibt.

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