Süddeutsche Zeitung

Baupolitik in Dachau:Angst vor Lärm und noch mehr Verkehr

Anwohner wehren sich heftig gegen die Pläne für das Seeber-Gelände, auf dem ein Gewerbegebiet entstehen soll. Die Stadträte im Bauausschuss reagieren verärgert. Der Entwurf soll jetzt noch einmal überarbeitet werden

Von Viktoria Großmann, Dachau

Mit der neuen Nutzung des ehemaligen Seeber-Geländes an der Schleißheimer Straße in Dachau geht es nicht voran. Die Anwohner wehren sich heftig gegen die bisher vorgelegten Pläne für das neue Gewerbegebiet. Bereits zweimal haben sie bei der Auslegung der Entwürfe lange, detaillierte Einwendungen vorgelegt. Die Stadträte reagierten darauf im Bau- und Planungsausschuss deutlich verärgert. Nun wird es sogar eine dritte Auslegung geben. Lärm, Schmutz, Umweltzerstörung und vor allem noch mehr Verkehr, das sind die wesentlichen Ängste, welche Anwohner und Umweltschützer umtreiben. Selbst die Fachabteilungen der Stadt und des Landratsamtes waren vom ersten Entwurf nicht begeistert. Nachbarn haben sich zur Bürgerinitiative Anwohnerfreundliche Entwicklung Dachau-Ost e.V. zusammengeschlossen. Sie fühlen sich von der Stadt nicht ernst genommen und werfen der Verwaltung sogar vor, Wunsch-Gutachten zu bestellen.

"Solche Vorwürfe will ich nicht auf mir sitzen lassen", sagt SPD-Stadtrat Günter Heinritz in der Sitzung des Bauausschusses am Dienstag. Die Stadträte hätten sich sehr genau mit dem Bebauungsplan für das Gebiet auseinander gesetzt. "Dämlich" nennt der sonst sehr besonnene Heinritz gar einige Einwendungen der Bürger. "Da kann einen schon der Frust einholen", sagt auch Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU) zu den Vorwürfen. "Wir haben uns ausführlich mit dem Thema beschäftigt." Doch das Gewerbegebiet sei eben 20 Jahre lang nicht als solches genutzt worden, sagt sie. Volker C. Koch (SPD), in Dachau Ost aufgewachsen, wendet ein, die Wohnbebauung sei an das Gewerbegebiet heran gewachsen, nicht umgekehrt. "Am Ende wird es dort mehr Grün geben als früher beim Pappen-Schuster." Bevor der Automobilzulieferer Seeber das Gelände 2004 verlassen hatte, war es Jahrzehnte lang vom Feinpappenwerk Schuster genutzt worden. 2007 zog der Bayerische Rundfunk auf den südlichen Teil des Grundstücks.

Die Diskussionen sind emotional. Auch die Stadträte sind nicht alle auf einer Linie. Umweltreferentin Sabine Geißler (Bündnis) kritisiert, die Renaturierung der Würm, die über das Gelände fließt, werde Skeptikern als "Zuckerl" hingehalten. Tatsächlich sei es damit aber nicht weit her. Denn wirklich renaturiert werden könne erst, wenn irgendwann der BR die Serie "Dahoam is dahoam" woanders produziert. "Von einer Renaturierung kann man auf absehbare Zeit nicht sprechen."

Kai Kühnel (Bündnis) fragt nach dem Wert der Verkehrsgutachten und will wissen, wie die Beurteilungen zustande kommen. Wolfgang Moll (parteilos) und Jürgen Seidl (FDP) stellen am Tag nach der Sitzung gar den Antrag, ein weiteres Verkehrsgutachten mit "fundierter Prognose" für die nächsten 15 Jahre in Auftrag zu geben.

Dabei ist offensichtlich jedes der Gutachten vor allem eine Frage der Interpretation. So ist es die Meinung der Verwaltung, dass die Schleißheimer Straße weiteren Verkehr vom wieder besiedelten Gewerbegebiet vertragen kann. In alle Prognosen, so betont Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), fließe das Verkehrsaufkommen der gesamten Stadt, etwa auch des dermaleinst fertig entwickelten MD-Geländes bereits mit ein. Hartmann wehrt sich gegen den Vorwurf, Ergebnisse würden nur lokal betrachtet.

An der Schleißheimer Straße 100 soll in Zukunft eine Ampel die Zufahrt zum Gewerbegebiet regeln. Die Verkehrsgutachter rechnen mit 4000 Fahrzeugbewegungen zusätzlich werktags in beide Richtungen. Im Bebauungsplan legt die Stadt ausdrücklich fest, dass Logistikunternehmen und Einzelhandel sich nicht ansiedeln dürfen. Eine Hotelgenehmigung gibt es allerdings schon und auch eine Kita könnte theoretisch Platz finden. Die Stadt setzt schon deshalb auf produzierendes Gewerbe, weil sie dringend Steuereinnahmen generieren will, um die immer neuen und wachsenden Aufgaben der Zuzugsstadt zu finanzieren. Damit wertvoller Platz auf dem Gelände nicht für Parkplätze verschwendet wird, drängt die CSU darauf, den Bau von Parkgaragen vorzuschreiben. Der Entwurf zum Bebauungsplan muss daher neu geschrieben und erneut ausgelegt werden. Mit weiteren Einwendungen ist zu rechnen.

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Quelle:
SZ vom 14.06.2018
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