Barrierefreiheit:Mit dem Rollstuhl durch Bergkirchen

Barrierefreiheit: Praxistest im Dorf: Franz Beier, Simon Landmann und Anton Hassmann (von links) dokumentieren die Schwachstellen.

Praxistest im Dorf: Franz Beier, Simon Landmann und Anton Hassmann (von links) dokumentieren die Schwachstellen.

(Foto: Toni Heigl)

Ein Spaziergang mit Bürgermeister, Seniorenbeauftragten und Sozialverband VdK zeigt, dass die Gemeinde noch nicht ganz barrierefrei ist: Manche Rampen sind zu steil, Schwellen zu hoch und Glastüren zu schwer

Von Petra Schafflik, Bergkirchen

Gleich beim Rathaus packt Anton Hassmann eine spezielle Wasserwaage aus. Mit dem Werkzeug misst der Kreisvorstand des Sozialverbands VdK die Steigung der Rampe, die zum Hintereingang der Gemeindeverwaltung führt. Dieser Zugang für Bürger im Rollstuhl und Menschen mit Bewegungseinschränkungen wurde vor einigen Jahren installiert, weil das Bergkirchener Rathaus regulär nur über eine steile Treppenanlage zu erreichen ist. Wie funktional diese Lösung ist, überprüfte Hassmann jetzt gemeinsam mit dem Bergkirchener VdK-Vorsitzenden Franz Beier, Seniorenbeauftragtem Reinhold Heiß, der Koordinatorin des neuen Seniorenbüros Ute Hönle und Bürgermeister Simon Landmann (CSU).

Praxistests unter dem Motto "Weg mit den Barrieren" führt der VdK derzeit landesweit durch, der neue "Runde Tisch Senioren" in Bergkirchen griff die Idee auf. Also marschieren die örtlichen Experten und der Rathauschef mit Block, Messgeräten und Fotoapparat durchs Dorf, um zu prüfen und zu dokumentieren. Beim Rathaus-Eingang ergab der kritische Blick auf die Wasserwaage: "Maximal sechs Prozent Steigung - passt."

Ein positiver Auftakt. Aber über die Rampe erreichen Bürger mit Handicap einen überdachten Vorplatz, dann heißt es klingeln. Tatsächlich kommt sofort eine Mitarbeiterin und lässt die Besucher ein. Dann aber setzt der Altbau Grenzen. "Auf dieser Ebene ist Schluss", räumt der Bürgermeister ein. Wer einen neuen Ausweis braucht, wird mitsamt seinem Rollstuhl ins Einwohnermeldeamt hinuntergetragen. "Wir sind zu zweit, kein Problem", sagt die junge Mitarbeiterin. Für Bauanfragen werden Pläne und Entwürfe den behinderten Bürgern im Trauzimmer ausgebreitet, das auf Eingangsniveau liegt. Zum Gemeinderat, der im zweiten Stock unter dem Dach tagt, schaffen es Bergkirchener mit Handicap kaum. Die Defizite sind bekannt, so Landmann. "Wir sind dran." Ein Anbau wird geplant, "das Bürgerbüro soll dann ebenerdig zugänglich sein, ein Aufzug Bauamt und Sitzungssaal erschließen". Überlegungen gibt es, einen Zeitplan noch nicht. "Vielleicht eine Aufgabe für meinen Nachfolger", sagt der Rathauschef. Auch das Manko mit dem Briefkasten soll dann behoben werden. Derzeit ist der Post-Einwurf am Rathaus nur über die steile Treppenanlage erreichbar. Eine zusätzliche Box auf Straßenniveau zu installieren, geht nicht, sagt Landmann. Weil ein Rathaus-Briefkasten an Wahltagen enorme Mengen an Stimmzetteln aufnehmen muss. Aber mit dem neuen Anbau werde auch eine barrierefrei zugängliche Briefkasten-Säule entstehen.

Weiter geht der Rundgang Richtung Schule. Entlang der kurzen Strecke wird deutlich, dass Barrierefreiheit nicht nur eine Frage sinnvoller Planung ist: Immer wieder blockieren für die Leerung bereitgestellte Mülltonnen den Durchgang. An solchen Engstellen müssten Menschen mit Rollator, im Rollstuhl aber auch Passanten mit Kinderwagen auf die Fahrbahn ausweichen. Ein Problem nicht nur in Bergkirchen, weiß VdK-Vorstand Hassmann. Mit dem Landkreis, der für die Abfallentsorgung zuständig ist, will Hassmann über Lösungsansätze sprechen.

In der Schule gibt es wenig zu monieren. Das 1997 eingeweihte Gebäude ist barrierefrei geplant, im Haus gibt es einen Aufzug. "Schüler im Rollstuhl bekommen einen Schlüssel", sagt Hausmeister Andreas Eichinger. Auch die Turnhalle ist über eine Rampe erreichbar. Die Steigung passt, der holprige Pflasterbelag begeistert die Experten nicht, lässt sich aber bewältigen, wie VdK-Vorstand Anton Hassmann bei einer Probefahrt feststellt. Dann aber stellt eine schwere Glastür Besucher mit Handicap vor Probleme. "Ein elektrischer Taster wäre gut", notiert Franz Beier.

Weiter geht's: Zur Apotheke führt eine lange Stiege, die Rampe zum Hintereingang fällt bei den Experten durch. "Zu steil, zu hohe Schwelle, endet direkt auf der Fahrbahn." Auch die Notfallklingel ist unscheinbar und nicht beschildert. Besser schaut es bei den Ärzten aus, beide Praxen im Ortskern sind ebenerdig gut zugänglich. Und natürlich ist das gerade erst eröffnete Bruggerhaus, in dem sich eine der Arztpraxen aber auch soziale Angebote befinden, insgesamt nach dem neuesten Standard errichtet. Ortstermine wie in Bergkirchen sind wichtig, damit das Thema Barrierefreiheit die nötige öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, so VdK-Vorstand Hassmann. In Bergkirchen wird sich der "Runde Tisch Senioren" jetzt mit den Ergebnissen des Tests beschäftigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: