Wie es der Kulturamtsleiter Tobias Schneider nur immer wieder anstellt: Abgesehen von seiner stets ausgezeichneten Wahl von Musikern, war das Barockpicknick im Dachauer Schlossgarten gesegnet mit blauem Himmel und lauen Temperaturen – während nur wenige Kilometer entfernt, kurz zuvor Wolkenbrüche erneut Keller überfluteten. In Dachau landeten vergleichsweise nur wenige Tropfen, was den innovativen Veranstalter genauso wie die 1500 Gäste des ausverkauften Events. Von Anfang bis zum Ende gegen 23.30 Uhr war es somit ein einziger Sommernachtstraum und wie stets „der absolute Höhepunkt des Jahres“, findet nicht nur eine junge Münchnerin.
Einlass 19 Uhr. Und wie alle Jahre wieder zieht sich die Reihe der Wartenden schon seit fast einer Stunde über 100 Meter entlang des Schlosses und seines Parkplatzes. Aufgepackt mit Kissen, Decken, Stühlen, Tischen, Lampions und schweren Kühltaschen und doch mit strahlenden Gesichtern. „Mit jedem Jahr wird es mehr“, entschuldigt sich eine Frau und lacht, „aber dadurch wird es auch immer schöner“. Beim ersten Mal vor ein paar Jahren hatte sie lediglich ein paar Teelichter dabei. Jetzt werden die Bäume mit Lichterkette & Co. geschmückt. Und auch die Köstlichkeiten auf der Picknickdecke werden mit dem mehrarmigen Leuchter erhellt. Optischer Genuss gehört beim Barockpicknick dazu.
Die Vorfreude auf das Event kribbelt jedenfalls schon in der Warteschlange. Und der Andrang scheint noch größer als in den zwei vergangenen Jahren. Ist er auch: Tobias Schneider seufzt. Wegen der Etatkürzungen für kulturelle Veranstaltungen war er heuer gezwungen, wieder – wie vor 2020 – zu einem einzigen Barockpicknick zurückzukehren. Dabei hatte sich die Verteilung auf zwei Abende mit unterschiedlichem Musikangebot, die sich zunächst wegen der Kontaktbeschränkungen ergeben hatten, so gut bewährt. So kamen damals zwei Mal 1000 anstatt ein Mal 2000 Besucher. Das Weniger war ein Mehr – für die Gäste genauso wie für die Musiker. Denn sie fanden vor dem kleineren Publikum viel mehr Gehör. Der Kompromiss in diesem Jahr: 1500 Eintrittskarten – die innerhalb kürzester Zeit verkauft waren. Sicher auch wegen der Wahl der Musiker: The Tunebirds & Friends mit Margreth Außerlechner (Karlsfelder Mittelschullehrerin) und Gabriel McCaslin sorgten schon im vergangenen Jahr bei „Jazz in allen Gassen“ für Furore. Swing, Jazz, Chanson und Pop kommen immer gut an, vor allem, wenn die Genres so gut vorgetragen werden, wie von diesen leidenschaftlichen Musikern.
Doch erst mal einen Platz finden: Wer nur eine halbe Stunde nach offiziellem Einlass eintrat, musste weit nach hinten gehen. Macht nichts – die Musik reicht auch bis in die letzten Reihen. Decke ausbreiten, Leckereien verteilen, feststellen, dass man schon wieder dieses oder jenes vergessen hat. Ärgern? Nicht in dieser heiteren, friedvollen Atmosphäre. Dosen und Flaschen zischen, Bestecke klappern. Kleine Kinder jagen sich lachend und mit heißen Wangen um die Picknickdecken, Erwachsene strecken sich – so gut es geht – aus. Familien kommen hier zusammen, schon lang vermisste Freunde und Freundinnen. Ein „Come together“ der Generationen und Regionen, begleitet von hervorragend gespielten, gesungenen, interpretierten und immer wieder gern gehörten Songs der vergangenen Jahrzehnte. Wunderbar zu hören und mitzusummen. Und zu tanzen: unter den schwer behangenen Obstbäumen, auf weichem Gras und zwischen den herrlichen Blumenrabatten, die allein schon eine Augenweide sind.
Der Vollmond leuchtet in zartem Rot, das Schloss in sattem Pink
Zeit, in den Pausen zu flanieren: Traditionell zur Parkmauer, um einen Blick auf die ferne Stadt München zu werfen, die dieses Mal von einem herrlich zartroten Vollmond gekrönt wird: einfach zauberhaft diese einmalige Stimmung. Und sogar die Mücken sind an diesem Abend gnädig! Besser geht nicht. Etwas gewöhnungsbedürftig allerdings das sattpink angestrahlte Schloss selbst. Nun ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber eigentlich ist das Gebäude schön genug und hätte eine so kitschige Bestrahlung wahrlich nicht nötig.
Und schon gar nicht an diesem Abend, als die Nacht den Park zu seinen Füßen dunkel eintaucht und die kleinen Lichter und Kerzen das Funkeln der Sterne am Himmel widerzuspiegeln scheinen. Leiser wird das Gemurmel, längst überfällige Erzählungen trauen sich in die Dunkelheit. Schlaff und erschöpft hängen Kinder in den Armen ihrer Eltern. Und man mag selbst gar nicht an den Aufbruch denken, möchte einschlafen, eingelullt von der sanften Musik, dem Duft der Blumen und gebettet auf dieser weichen Wiese unter dem schützenden Laub der Bäume – und schon einmal träumen, vom Barockpicknick 2025.