B 304:Hilferuf aus Karlsfeld

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40 000 Fahrzeuge am Tag wälzen sich durch Karlsfeld und es werden immer mehr. Die Gemeinde fühlt sich von den übergeordneten Ebenen im Stich gelassen. Und warnt vor einem Kollaps.

Gregor Schiegl

Klagen über die Verkehrsflut in Karlsfeld sind nicht neu, aber einen derartigen Hilferuf, wie ihn die Gemeinderäte am Mittwoch im Hauptausschuss ausstießen, hat es so bislang noch nicht gegeben. "Wir ersticken im Verkehr, der mit Karlsfeld gar nichts zu tun hat", klagte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). Die Gemeinde könne das Problem unmöglich alleine lösen.

Staus sind auf der B 304 in Karlsfeld keine Seltenheit. (Foto: region.dah)

Karlsfeld ist das Nadelöhr für die Pendlerströme aus dem Landkreis nach München. Über die vierspurige Münchner Straße wälzen sich heute schon mehr als 40 000 Fahrzeuge am Tag - und wenn nach Dachau und ins Hinterland noch mehr Menschen ziehen, werden unweigerlich noch mehr Autos durch Karlsfeld rollen.

Es ist eine Schmerzgrenze erreicht", sagte Verkehrsreferent Bernd Wanka unter dem Applaus der Zuhörer. "Mehr können wir unsren Bürgern nicht mehr zumuten." Schon an normalen Arbeitstagen staue sich der Verkehr auf der B 304, auch auf der B 471 nach Fürstenfeldbruck seien die Kapazitäten erschöpft. "Die Arbeitsplätze müssen raus aus der Stadt", fordert er. "Wir bringen die Leute sonst nicht mehr hin." Die Gemeinde müsse übergeordneten Verbänden wie dem Landkreis, der Westallianz oder der Metropolregion München klarmachen, "dass was gemacht werden muss".

Hiltraud Schmidt-Kroll (SPD), die schon seit 28 Jahren im Gemeinderat sitzt, sieht Karlsfeld von der großen Politik seit Jahr und Tag als benachteiligt an. Kommunen, die nur halb so viel Verkehr hätten wie Karlsfeld, habe man große Tunnels gebaut. "Überall passiert was", sagte sie frustriert, "nur nicht bei uns!" Die Bündnis-Fraktion will vor allem die Landeshauptstadt stärker in die Pflicht nehmen. Das Bündnis für Karlsfeld fordert, kein Bauland mehr auszuweisen.

"Wir beugen uns dem Siedlungsdruck nicht, solange uns München keine Lösungen für unser Verkehrsproblem anbieten kann", sagte Fraktionssprecherin Mechthild Hofner. "München sitzt nicht mit im Boot", bemängelt Marco Brandstetter. Dem widersprach Bürgermeister Kolbe. "München geht durchaus auf die Umlandgemeinden zu." Beispielsweise im Rahmen des Zukunftskongresses. Auslöser der Debatte war eine Vorstudie zur Verkehrsentwicklung im Landkreis.

Ratlosigkeit der Experten

Der ehemalige Kreisbaumeister Georg Renoth stellte sie vor - mit einem für die Karlsfelder inakzeptablen Ergebnis: "Es gibt nicht den einen großen Wurf für Karlsfeld", sagte Renoth. "Wir können nur über 20, 30 Einzelmaßnahmen versuchen, eine Entlastung herbeizuführen." Große Lösungen wie eine Westtangente oder einen Tunnel, die vor mehr als 20 oder 30 Jahren im Gespräch waren, seien heute gar nicht mehr umsetzbar, weil der Platz dafür gar nicht mehr vorhanden sei.

Eine große Lösung aber fordern alle Fraktionen im Gemeinderat. "Wir brauchen einen Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs in so wahnwitzigen Dimensionen, das wir es uns heute noch gar nicht vorstellen können", sagte Kolbe. Dazu passte die Forderung von Baureferent Günter Meikis (SPD), die U-Bahn von Feldmoching nach Karlsfeld zu verlängern: zu den großen Werken von MAN und MTU, die mehrere Tausend Menschen beschäftigen.

Dag High-Binder (CSU) bezeichnete den Nahverkehr als "völlig unterentwickelt". Fast täglich gebe es Probleme auf der Linie S 2. "Wenn der Betrieb schon jetzt nicht funktioniert - wie soll das werden, wenn überall im Hinterland noch weitere Wohngebiete entstehen?"

© SZ vom 20.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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