Azubimangel im Landkreis Dachau:So wenige Lehrlinge wie nie

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Ausbilder sollen sich gezielt Lehrlingen vorstellen - wie die Bäckerin Nicole Schön (re.) und Eni auf dem Berufetag in der ASV-Halle. (Foto: Toni Heigl)

Junge Menschen wollen Abitur machen und studieren. Kaum einer entscheidet sich für eine Ausbildung. Die Handelskammer rät, an Schulen zu werben und sich auf Migranten und Studienabbrecher zu konzentrieren

Von Rudi Kanamüller, Dachau

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) schlägt Alarm: Den Betrieben und Unternehmen im Landkreis Dachau gehen die Lehrlinge aus. Trotz aller Anstrengungen bei der Lehrlings-Akquise hätten 2014 bei weitem nicht alle Lehrstellen besetzt werden können. Wie aus der Statistik der Industrie- und Handelskammer hervorgeht, haben die Betriebe im Landkreis bis zum Jahresende 2014 insgesamt 233 Auszubildende neu eingestellt. Das sind neun Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Zum Teil sei diese Entwicklung wohl mit dem demografischen Wandel zu erklären, sagte eine Sprecherin der IHK. Die jüngeren Jahrgänge sind einfach nicht so stark. Hinzu kommt aber ein anderes Ausbildungsverhalten. Immer weniger Schulabsolventen wollen eine Lehre machen. Dieser Wandel mache sich selbst bei früher so begehrten Berufen wie dem Bankkaufmann oder der Bankkauffrau bemerkbar. Die Institute tun sich schwer, Nachwuchs zu finden. Der Anteil der Schüler, die ein Gymnasium besuchen, wächst, und die meisten wollen nach dem Abitur an die Universität.

Andererseits, so die IHK, stellten immer mehr Betriebe fest, dass vielen Jugendlichen häufig das Wissen und das Verständnis fehle, wie es in einem Betrieb zugehe, beziehungsweise wie dort die Abläufe seien. Dabei sei die "Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ungebrochen", wie der Vorsitzende des IHK-Gremiums für Dachau und Fürstenfeldbruck, Michael Steinbauer, sagt. Wie die IHK-Sprecherin weiter sagte, seien heutzutage die Abschlussnoten eines Bewerbers bei weitem nicht mehr das alleinige ausschlaggebende Kriterium für eine Einstellung. Im Gegenteil: Viele Betrieb richten eigens für ihre Auszubildenden eigene Fortbildungsangebote ein, damit der oder diejenige auch die Abschlussprüfung bestehe. Die IHK empfiehlt deshalb, die Ausbildung zur Chefsache zu machen und neue Bewerbergruppen gezielt anzusprechen. Firmen müssten in Schulen gehen, Praktika anbieten und sich auf die veränderten Zeiten einstellen. Lobend hob die Sprecherin den Landkreis Dachau hervor, wo es zwischen Schulen und Firmen bereits gut funktionierende Kooperationen gebe und wo Schulklassen einmal im Jahr Betriebe besichtigen könnten.

Potenzial an geeigneten Lehrlingen sieht die IHK auch bei Flüchtlingskindern. Allerdings fehle es hier häufig an den entsprechenden Informationen. Auch bei Betrieben, die von Migranten selbst geführt würden. Diese wüssten vielfach selbst nicht darüber Bescheid, welche Möglichkeiten es gebe oder welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um ausbilden zu können. Wer im Bereich der Industrie- und Handelskammer Lehrlinge ausbilden will, der braucht einen Ausbildungsschein, beziehungsweise einen vom Betrieb genannten Ausbilder, der von der IHK anerkannt ist. Die IHK-Sprecherin verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit der Ausbildungskooperation mit anderen Betrieben.

Als besonders groß stuft die IHK den Azubi-Mangel in den gewerblich-technischen Berufen ein (minus 27 Prozent). Vor allem den Betrieben der Metalltechnik (minus 46 Prozent) und der Elektrotechnik (minus 15 Prozent) mache der Lehrlingsmangel schwer zu schaffen. Aber auch im Groß- und Außenhandel (minus 30 Prozent) sowie in den kaufmännischen Sonderberufen (minus 19 Prozent) seien die Ausbildungszahlen rückläufig. Steinbauer: "Das Problem geht quer durch alle Branchen." So wurden der Dachauer Arbeitsagentur im vergangenen Jahr 331 freie Ausbildungsstellen gemeldet. Davon seien mehr als 140 Plätze unbesetzt geblieben. Dagegen verzeichnete die Arbeitsagentur nach Beginn des laufenden Ausbildungsjahres im Herbst 2014 nur noch 88 Bewerber, die keinen Ausbildungsplatz hatten. Steinbauer: "Es ist Zeit zu handeln." Der Vorsitzende des Dachauer-Fürstenfeldbrucker Gremiums forderte eine "Abkehr vom Akademisierungswahn". Die duale Ausbildung müsse dagegen wieder als "attraktive und echte Alternative zum Studium wahrgenommen werden". Dazu gehören neue Angebote wie das duale Studium oder auch Teilzeitausbildungen. Darüber hinaus sollten sich die Ausbildungsbetriebe der Studienabbrecher annehmen.

Im Landkreis Dachau sind 254 IHK-zugehörige Unternehmen und Betriebe in der Ausbildung aktiv. Diese 254 Betriebe bilden mehr als 50 Prozent aller Lehrlinge im Landkreis Dachau aus. Aus dem akuten Lehrlingsmangel wollen die Betriebe Konsequenzen ziehen. Wie eine Umfrage der IHK München unter 900 Betrieben ergab, wollen zwölf Prozent der Unternehmen die Zahl ihrer Ausbildungsplätze verringern. Immerhin die Hälfte der Befragten will die Zahl der Ausbildungsplätze jedoch weiter konstant halten.

© SZ vom 04.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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