Azubi mit Migrationshintergrund:Nur geduldet

Isa Erdogan ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Er hat einen Schulabschluss und beginnt eine Ausbildung. Trotzdem geht der Marathon um den Duldungsbescheid für ihn immer wieder von vorne los.

Katharina Leistner

Es ist eigentlich nicht viel mehr als ein Stück Papier. Ein Stück Papier mit einer großen Bedeutung: Mit einem deutschen Pass stehen einem jungen Menschen nach dem Schulabschluss viele Türen offen. Ausbildung, Reisen, ein Studium in einem anderen Bundesland. Für Isa Erdogan endet die Träumerei an den Grenzen Oberbayerns.

Azubi mit Migrationshintergrund: Sicher am Ball, unsicher im Alltag: Isa Erdogan wird nun in dem Land geduldet, in dem er geboren und aufgewachsen ist.

Sicher am Ball, unsicher im Alltag: Isa Erdogan wird nun in dem Land geduldet, in dem er geboren und aufgewachsen ist.

(Foto: Toni Heigl)

Der 18-Jährige ist Sohn einer türkischen Mutter, sein Vater kommt aus dem Libanon. Der libanesische Bürgerkrieg trieb die Familie vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland, wo auch der junge Mann geboren worden ist. Das Paar erhoffte sich Frieden und eine gesicherte Existenz. Gerne hätten sie für eine eigene, bescheidene Wohnung gearbeitet. Stattdessen war die einzige Bleibe die Flüchtlingsunterkunft in Dachau.

Das einzige Recht: drei Monate keine Abschiebung. Alle zwölf Wochen holt sich Erdogan den Bescheid zur Verlängerung der "Duldung". Er wird geduldet in dem Land, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Sein Zuhause: eine Asylunterkunft in der Kufsteiner Straße. "Ich habe die deutsche Staatsangehörigkeit schon mehrmals beantragt", sagt der junge Mann. Für ihn ist klar, dass er ein Deutscher ist, nur will man ihm das nicht zugestehen. "Warum, das weiß ich auch nicht", sagt er.

Hans Rützer, Abteilungsleiter für Sicherheit und Ordnung im Dachauer Landratsamt, kennt die gesetzlichen Bestimmungen: "Man hat einen unsicheren Status inne, wenn die Familie nur geduldet ist und nicht mehr zugestanden wird als keine Abschiebung." Dem Experten zufolge sind solche Situationen keine Seltenheit. Er empfiehlt verstärkte Kommunikation mit dem örtlichen Ausländeramt. Einen Anspruch auf Einbürgerung hat jede Person, die sich seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhält.

Dazu muss der Bewerber bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Er darf keine Vorstrafen haben, muss die deutsche Sprache gut beherrschen, die Rechts- und Gesellschaftsordnung achten und seinen Lebensunterhalt selbst absichern können. Vor allem die Sache mit dem Lebensunterhalt lässt sich leicht sagen, gibt es doch selten Arbeitgeber, die sich mit einem dreimonatigen Duldungsbescheid abspeisen lassen. Da muss auch Rützer einräumen: "Praktisch gesehen kann die Arbeitssuche ein Problem sein."

Doch selbst diese Hürde hat Erdogan schon gemeistert. Nach seinem Abschluss an der Hauptschule Dachau Süd hagelte es erst einmal eine Menge Absagen. Doch auch nach dem 18. Versuch ließ er den Kopf nicht hängen - und ergatterte eine Lehrstelle als Fliesenleger. Vielleicht ist es dieser kleine Sieg, der Isa Erdogan nicht aufgeben lässt.

Ein Stückchen Normalität in einem unsicheren Leben findet er bei seinem Fußballteam TSV 1865 Dachau. Hier hat er die Gewissheit, dass Trainer und Mannschaft hinter ihm stehen - bei seinem Ziel, seinem größten Wunsch ein Stück näher zu kommen: ein Deutscher zu sein.

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