Dachau:Willkommen im "Sprachland"

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Axel Hacke ist der Popstar unter den deutschen Kolumnisten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Auftritt von Axel Hacke im Ludwig-Thoma-Haus ist auch für den bekannten Kolumnisten und Schriftsteller etwas besonderes: Endlich sieht er sein Publikum einmal wieder live.

Von Jana Rick, Dachau

Wenn Axel Hacke liest, dann liest er nicht einfach nur. Er spielt mit Wörtern, Klängen, Buchstaben, er erzählt Geschichten und erweckt seine Texte zum Leben. Genau so ist es auch am vergangenen Donnerstagabend, als der SZ-Kolumnist und Schriftsteller im Ludwig-Thoma-Haus zu Besuch ist. Lediglich einen Stuhl braucht er auf der Bühne und natürlich seine Schätze, eine reiche Sammlung an Texten, Schriften und Kolumnen. Dann schlägt er ganz locker ein Bein über das andere und beginnt zu erzählen.

Wie schön es doch sei, endlich mal wieder "echte" Menschen vor sich zu sehen und das auch noch live. Selbst mit Maske sei das doch sehr viel angenehmer als ein Publikum aus Kühlerhauben, vor denen er vor zwei Jahren in einem Autokino eine Lesung gehalten habe. Wenn die einzigen Reaktionen sich bewegende Scheibenwischer seien, sei das doch etwas fad, erzählt Hacke. Er macht dem Dachauer Publikum damit die Bedeutung einer "echten" Lesung in diesem Format deutlich, war und ist sie doch in Krisenzeiten nicht immer möglich gewesen.

In der Welt von Axel Hacke gibt es "Eichelhechte" und "Ochsenschwäne"

"Es wird Zeit!", ruft er also, denn "so was kann Netflix nicht". Er grinst. Und schon steigt er ein, in seine Welt, die er "Sprachland" nennt und in der alles möglich ist. Hier gibt es "Eichelhechte" (Eine Zwitterform aus Vogel und Fisch) und "Ochsenschwäne" (eignen sich ideal für Suppen), aber auch bewegende, fast schon tragische Lyrik aus Gebrauchsanleitungen einer Pfanne oder der Waschanleitung einer Jeans. Der erfahrene Journalist findet überall spannende Wortschöpfungen, in einer bewundernswerten Geschwindigkeit präsentiert er den Dachauern die Begriffe mit den meisten Umlauten, den verrücktesten Konsonanten und eine Wortkreation, die zwölf mal den Buchstaben "E" beinhaltet. Er habe sie im Wartezimmer beim Hautarzt entdeckt, erzählt er. "Sehr erfrischend", hört man eine Zuhörerin in der Pause lachend sagen, und automatisch fängt man im Kopf an zu zählen: Drei Es.

Hackes philosophische Dialoge mit Bosch, seinem sprechenden Kühlschrank, und die legendären Geschichten mit seinem kleinen Sohn Luis, sind nicht Teil des heiteren Abends. Einige Fans mögen sie vermissen, doch dafür hat Hacke eine Menge an Texten im Gepäck, die der Schriftsteller während der vergangenen zwei Jahre in Zeiten der Pandemie kreiert hat. Dazu zählt auch sein neuestes Werk "Ein Haus für viele Sommer", eine Lektüre über das Leben als deutsche Familie in einem kleinen italienischen Dorf, in dem die Zeit oft still steht, aber das sehr stolz auf sein ausgetüfteltes Mülltrennungssystem ist.

Hacke nimmt seine Leserschaft mit in das Land des Fiat 500, dem "cinquecento", den er dort ergattern konnte. Bei seiner Beschreibung, wie er versucht, das kleine Auto das erste Mal vor "fachkundigem Publikum" in die kleine Garage zu bugsieren, werden die Lacher im Saal immer lauter. Bildlich hat man die Szene vor sich und mit ihr den Nachbar "Pietro", einen weiteren "Pietro" aus dem Dorf ("l'altro Pietro") und daneben die deutsche Ehefrau. Diese lenkt den Fiat übrigens nach langen Diskussionen und Überlegungen vor den Augen der Italiener in die Garage — und zwar vorbildlich. Hacke wirft mit italienischen Wörtern um sich, rollt das südländische "r" und macht damit Lust auf noch mehr italienische Geschichten aus dem kleinen Dörfchen.

In einer abschließenden Corona-Anekdote teilt Hacke auch seine Überlegungen mit dem Publikum, wie man eine Lesung, also "die gefährliche Kultur", coronakonform gestalten könnte, beispielsweise mit "aerosolfreien Lauten" oder flüsternden Lektüren. Lachen sei dann natürlich verboten, viel zu gesundheitsgefährdend. Eine Lesung von Hacke selbst würde so also schon mal sicher nicht funktionieren.

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