Süddeutsche Zeitung

Autofahrt nach Salzburg unter Zwang:Lange Liste schwerer Straftaten

Gericht verurteilt 33-jährigen Dachauer wegen Freiheitsberaubung zu drei Jahren und neun Monaten Haft

Von Andreas Salch, Dachau

Kurz bevor das Urteil verkündet wird, steht der Angeklagte, ein 33-jähriger Industriemechaniker aus Dachau, breitbeinig im Sitzungssaal B 264 am Strafjustizzentrum München und trinkt lässig aus einer großen weißen Plastikflasche mit der Aufschrift "Vital Drink". Als die Richter den Saal betreten, hat er seine Hände in den Hosentaschen und nimmt sein Urteil ungerührt entgegen. Drei Jahre und neun Monate Haft wegen Freiheitsberaubung, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, mehrfacher vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung und Bedrohung. Außerdem wird der 33-Jährige wegen tätlichen Angriffs auf Justizvollzugsbeamte verurteilt. Einen von ihnen sprang er in der Untersuchungshaft laut Staatsanwaltschaft "mit gespreiztem nackten Hintern" an.

Der Dachauer liebt die Provokation. Selbst seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Julia Weinmann, sagt während ihres Plädoyers zu ihrem Mandanten: "Sie treiben einen in den Wahnsinn. Sie müssen sich wirklich fragen, ob Sie etwas an sich ändern. Sie schaffen es, jeden auf die Palme zu bringen."

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft gegen den Industriemechaniker Anklage wegen einer Geiselnahme erhoben. Doch das Gericht wertete die Tat lediglich als Freiheitsberaubung. Am frühen Abend des 2. September 2015 hatte der Dachauer seine damalige Partnerin auf der Münchner Straße gezwungen, mit ihm in ihrem Auto nach Salzburg zu fahren. Aus Angst soll die damals 22-jährige Friseurin mit dem Industriemechaniker in einem Hotel intim geworden sein und ihm versprochen haben, bei ihm zu bleiben. In Wirklichkeit, so die Vertreterin der Anklage in ihrem Plädoyer, habe sich die junge Frau längst von dem 33-Jährigen, den sie über Facebook kennengelernt hatte, trennen wollen.

Nach der Tat war die Friseurin zur Polizei gegangen und erstattete Anzeige. Man glaubte ihr. Als Beleg für ihre Vorwürfe zeigte sie den Ermittlern die Chat-Nachrichten,die ihr der Dachauer geschickt hatte. Es waren vor allem Beleidigungen, aber auch Drohungen. Später stellte sich heraus, dass die Friseurin die Chats "frisiert" hatte, so der zweite Verteidiger des Dachauers, Rechtsanwalt Klaus-Peter Knauf. Außerdem hat die Friseurin während des Prozesses, der dreimal neu aufgerollt werden musste, gelogen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die 22-Jährige deshalb ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage eingeleitet. Ein weiteres wegen Anstiftung zur Falschaussage, da sie auch ihre Cousine dazu brachte, vor Gericht die Unwahrheit zu sagen.

Die Friseurin, so Knauf, in seinem Plädoyer trete auf wie ein "blondes Engelchen". Sie habe vor Gericht ein "erbärmliches Schauspiel" geboten, das "wirklich nicht auszuhalten ist". Unter anderem hatte sie behauptet, der Angeklagte habe sie vergewaltigt. Doch dies war gelogen. Auch wenn sein Mandant kein "Sympathieträger" sei, wünsche er ihm für die Zukunft "das Beste", so Knauf.

Vor dem Urteil in dem Prozess war es zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu einer Verständigung gekommen. Für den Fall eines Geständnisses wurde dem Industriemechaniker eine Haftstrafe zwischen mindestens dreieinhalb und höchstens vier Jahren in Aussicht gestellt. Der 33-Jährige hatte hierauf die Vorwürfe eingeräumt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte vier Jahre Haft sowie die Anordnung der Sicherungsverwahrung durch das Gericht. "Der Angeklagte hat seit seinem 16. Lebensjahr gezeigt, dass er am laufenden Band Aggressionsdelikte begeht." Er sei kein Opfer der Justiz, auch nicht das seiner früheren Lebensgefährtin, die über ihn vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt habe. Der Angeklagte sei das Opfer seiner "eigenverantwortlichen Taten", so die Staatsanwältin. Der 33-Jährige ist siebenfach vorbestraft, unter anderem wegen versuchten Mordes.

In den drei vorherigen Verfahren war es immer wieder zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen dem Gericht und dem Angeklagten gekommen. Der damalige Vorsitzende verhängte gegen den Dachauer Ordnungsgeld und insgesamt einen Monat Ordnungshaft wegen ungebührlichen Verhaltens. An einem der Verhandlungstage hatte der 33-Jährige den Vorsitzenden Richter sogar mit dem Tode bedroht. Die Verteidiger des Dachauers stellten keinen konkreten Antrag zur Höhe des Strafmaßes. Neben der Haftstrafe ordnete das Gericht die Unterbringung des alkohol- und drogenabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an.

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SZ vom 16.03.2018
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