Süddeutsche Zeitung

Autobahn:Ausgebremst

Die Errichtung eines Systems zur intelligenten Verkehrssteuerung auf der A8, das der Bundesverkehrsminister in Aussicht stellt, dauert Bürgermeister Helmut Zech viel zu lang. Er fordert daher, das Tempo sofort zu begrenzen

Von Horst Kramer, Pfaffenhofen

Vizelandrat Helmut Zech fordert Tempo 130 auf der Autobahn A8. Er ist erzürnt. Grund seines Ärgers ist eine Notiz in der Süddeutschen Zeitung. So genannte "Verkehrsbeeinflussungsanlagen" sollen auf der viel befahrenen Autobahn angebracht werden. Das findet Zech, der auch Bürgermeister der autobahnnahen Gemeinde Pfaffenhofen an der Glonn ist, gut. Denn diese sollen das Tempo drosseln, wenn es nötig ist. Also wenn der Verkehr dicht wird. Mit Hilfe von Messsystemen erfassen diese Anlagen die Anzahl der Fahrzeuge und deren Geschwindigkeit. Daraus wird dann eine adäquate Tempobeschränkungen errechnt. Zech erhofft sich dadurch weniger Stau und vor allem weniger Unfälle. Sein Ärger richtet sich jedoch auf die Zeitplanung: "Voraussichtlich 2022 ist mit dem Baubeginn zu rechnen."

"So lange können wir nicht warten", schimpft der Bürgermeister in der jüngsten Gemeinderatssitzung. "Wie viele Unfälle müssen noch geschehen, bis sich etwas bewegt?" Fast jeden Tag gebe es verheerende Unfälle auf der A8, die Verbreiterung auf sechs Spuren habe die Unfallzahlen nur erhöht, nicht gesenkt, sagt Zech. "Fast jeden Tag muss die Feuerwehr ausrücken, um die Verletzten und Getöteten zu bergen oder die Autowracks beiseite zu räumen. So kann es nicht weitergehen!"

Es sei Zeit, ernsthaft über Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen nachzudenken, betont der CSU-Kommunalpolitiker. Eine Idee, die sein Parteifreund, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, nicht teilt. Erst kürzlich sagte er, dies sei "gegen jeden Menschenverstand". Der Pfaffenhofener sieht indes die Praxis jeden Tag vor der Haustür: "Die Zeiten, in denen jemand mit 220 Stundenkilometern über die Autobahn brettert, sind endgültig vorbei", sagt er. Der Staat könne die Probleme auf den Fernstraßen und damit die der Anliegergemeinden nicht im "Schneckentempo" angehen. Sein Vorschlag: "Wenn so ein System zu kompliziert ist, spricht doch nichts dagegen, einfach Schilder mit Tempo 130 aufzustellen. Und zwar sofort und nicht erst in einigen Jahren." Die Schilder könnten ja zur Not mit einer Beschränkung auf die morgendlichen und abendlichen Stoßzeiten versehen werden, fordert der Vizelandrat.

Der langjährige ADAC-Sprecher und AWG-Gemeinderat Klaus Reindl erläuterte indes, was es mit der langen Vorlaufzeit eines intelligenten Temposteuerungssystems auf sich hat: "Es gibt nur wenige Firmen, die solche Anlagen anbieten. Die Kosten eines derartigen Projekts sind so hoch, dass es europaweit ausgeschrieben werden muss." Er habe bereits von Verkehrsexperten gehört, dass der Bau womöglich erst 2023 in Angriff genommen werde. Eines der Kernprobleme seien die Überholmanöver der Lastwagen, die Pkws zu Ausweichmanövern nötigten. "Die großen Geschwindigkeitsunterschiede führen dann zu Unfällen", erklärte Reindl. Doch Zech besänftigt dies nicht. Im Gegenteil: "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass etwas in diesem Land nicht stimmt", argwöhnte er.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2019
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