Auszeichnung:"Ich bin nicht einmal ein sonderlich guter Schwimmer"

Lesezeit: 3 min

Michaela Micheli aus der Gemeinde Erdweg hat einer Frau, die zu ertrinken drohte, das Leben gerettet. Für ihren Einsatz wird sie nun ausgezeichnet. (Foto: Toni Heigl)

Michaela Micheli aus Kleinberghofen bekommt die Rettungsmedaille vom Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins verliehen, weil sie intuitiv gehandelt hat

Von Eva Waltl, Erdweg

Michaela Micheli wollte vergangenen Sommer eigentlich nur ihrer Freundin in Kappeln, Schleswig-Holstein, einen Überraschungsbesuch abstatten - und wurde prompt zur Lebensretterin. Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein (CDU), hat die 55-Jährige aus Kleinberghofen nun mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet.

SZ: Frau Micheli, können Sie die Ereignisse, die sich am Wiedefelder Strand im August vergangenen Jahres zugetragen haben, schildern?

Michaela Micheli: Meine Freundin und ich verbrachten unseren letzten gemeinsamen Abend am Strand. Die Ostsee war sehr unruhig, und die Wellen waren heftig. Einige Menschen, darunter auch ältere, waren im Wasser. Auch wir sind schwimmen gegangen. Als ich in Richtung Strand schwamm, drehte ich mich noch einmal um und glaubte auf einer Welle etwas gesehen zu haben. Jemand trieb mit Kopf nach unten auf der Welle. Ich bin sofort zu ihr geschwommen und gemeinsam mit dem zweiten Helfer, Herbert Weiss-Ravn aus Kappeln, zog ich die Frau aus dem Wasser. Ich trug die Frau an den Armen und Herbert an den Beinen. Ich erinnere mich, dass ich ihr immerzu rief: "Wach auf!"

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Was geschah dann?

Die Augen der Dame, die im Wasser trieb, waren weit aufgerissen, und sie reagierte nicht. Ich dachte deshalb zu diesem Zeitpunkt, jede Hilfe käme bereits zu spät. Es hat uns viel Kraft abverlangt, die Frau an den Strand zu bringen. Wir haben viel Ostseewasser geschluckt, weil die Wellen noch immer stark waren. Am Strand befanden sich ein Arzt und eine Krankenschwester, die meine Freundin zur Hilfe geholt hatte. Das war ein großes Glück, denn sie begannen sofort damit, die Frau zu reanimieren. Ich hörte noch den Arzt sagen, es sei eine Sekundensache gewesen. Im Anschluss kam der Rettungsdienst, und auf dem Weg zum Krankenhaus kam die Frau wieder zu sich. Sie hatte wirklich das maximale Glück, weil kein einziger Moment vergeudet wurde und alles Hand in Hand lief. Ich habe noch immer Gänsehaut, wenn ich diese Geschichte erzähle.

Sie sagen, das Leben der Frau konnte gerettet werden, weil keine Sekunde gezögert wurde. Wie funktioniert man in einer solchen Extremsituation?

Es ist mir wahrscheinlich zugutegekommen, dass ich meist einfach tue und nicht überlege. Das war in diesem Fall wohl das Beste. Ganz ehrlich: Ich habe in diesem Moment gar nichts gedacht. Ich bin nicht einmal ein sonderlich guter Schwimmer. Es war intuitives Handeln. Erst im Nachhinein fielen mir so viele Dinge ein, die in der Situation gar keine Rolle gespielt hatten. Nach dem Einsatz habe ich mich etwas zurückgezogen. Ich war sehr aufgeregt und auch körperlich erschöpft. Gemeinsam mit meiner Freundin trank ich am Strand ein Bier, und als Helmut zu mir sagte "Mädchen, wir haben gerade ein Leben gerettet", wurde mir klar, was passiert war. Ich war überschwemmt von Emotionen.

Nun liegt der Vorfall schon viele Monate zurück. Die Verleihung der Rettungsmedaille lässt wohl unweigerlich die Erinnerungen an den Vorfall wieder aufkochen. Gibt es Momente, die Ihnen noch heute nicht aus dem Kopf gehen?

Ich hatte in den ersten Nächten nach dem Einsatz Probleme einzuschlafen. Ich sah immer das Gesicht der Frau, als wir sie aus dem Wasser zogen. Das verfolgte mich, denn ich wusste lange Zeit nicht, ob sie ohne bleibende Schäden überlebt hatte. Wir erfuhren erst später, dass die Frau auf dem Weg ins Krankenhaus wieder zu sich gekommen war. Ich möchte gerne den Sohn der Frau kontaktieren, um mir ein Foto seiner Mutter zu schicken, damit ich ein lachendes und lebendiges Gesicht sehe, wenn ich daran zurückdenke. Das war mir sehr wichtig und hat mich lange beschäftigt. Vieles ist erst nach Wochen hochgekommen. Kürzlich fiel mir ein, dass ich beispielsweise während des Einsatzes immerzu versucht hatte, dass der Badeanzug der Frau nicht verrutscht. Verrückt! Das erscheint mir jetzt ganz und gar unwichtig. Mit Herbert hat sich eine tolle Freundschaft entwickelt. Das zusammen durchzumachen, hat uns zusammengeschweißt.

Haben Sie sich gefreut, als Sie von der Auszeichnung erfahren haben?

Ich freue mich sehr über die Auszeichnung, auch wenn es jeden Tag Menschen gibt, die viel Größeres leisten.

© SZ vom 19.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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