Ausstellungseröffnung:Wiedersehen in Tel Aviv

Ausstellungseröffnung in Tel Aviv

Beim Besuch im Kibbuz Netiv HaLamed-Hey bei Jerusalem demonstrierten Gastgeber und Besucher ihre Verbundenheit. Noch immer sind hier einige Überlebende zuhause, die im Kinderhaus Indersdorf aufgewachsen sind.

(Foto: Landratsamt Dachau)

Zur Ausstellung "Das Leben danach" treffen sich 16 "Indersdorfkinder". ­Auch eine Landkreis-Delegation ist nach Israel gereist

Von Gregor Schiegl, Tel Aviv/Dachau

16 "Indersdorfkinder" und viele Angehörige und Freunde von Holocaust-Überlebenden haben am Wochenende ein freudiges Wiedersehen in Israel gefeiert. Mehr als 200 Gäste waren versammelt, als die von Zeitgeschichtsforscherin Anna Andlauer kuratierte Fotoausstellung "Das Leben danach / HaChaim SheAchare" im Foyer der Zentralbibliothek der Universität von Tel Aviv eröffnet wurde. Mit dabei waren auch Landrat Stefan Löwl (CSU) mit einer Kreistagsdelegation sowie Gäste und Freunde des Heimatvereins Indersdorf. Anna Andlauer zeigte sich über die starke Resonanz danach sehr glücklich: "Unsere Ausstellungseröffnung war ein großer Erfolg."

Die Ausstellung zeigt die Geschichte des Kinderzentrums im Kloster Indersdorf, in dem nach Ende des zweiten Weltkrieges durch den Holocaust schwer traumatisierte Jugendliche, meist ohne Eltern oder andere erwachsene Verwandte, aufgefangen wurden. Im ersten Teil der Ausstellung werden die Jahre 1945/1946 beleuchtet, in denen die physische und psychische Arbeit mit den Kindern im Vordergrund stand. UNRRA-Pioniere um die Pädagogin Greta Fischer leisteten hier hervorragende Arbeit, indem sie den Waisen zuhörten und versuchten, familiäre Strukturen und Geborgenheit zu schaffen. Dadurch halfen sie ihnen, mit ihren verstörenden Erfahrungen umzugehen und sich behutsam wieder in ein neues Leben vorzutasten. Im Kloster Indersdorf konnten die jungen Überlebenden so in einem behüteten Umfeld wieder Teenager sein.

Im zweiten Teil, der die Jahre 1947/1948 umfasst, steht nun erstmals auch die Darstellung der systematischen zionistisch-sozialistischen Heranführung der jungen Überlebenden für eine Staatsgründung Israels im Mittelpunkt. Über Umwege und mit Überwindung vieler Hindernisse, schafften es viele ins gelobte Land nach "Eretz Israel" und wurden so zu Pionieren beim Aufbau des neuen jüdischen Staats.

Unter den Gästen, die der Präsident der Tel Aviv University (TAU) Joseph Klafter zu Eröffnung der Ausstellung begrüßen durfte, waren auch die deutsche Botschafterin in Israel, Susanne Wasum-Rainer, sowie der Historiker und akademische Leiter der Wiener Library, Roni Stauber. Nach den Ansprachen - auch Landrat Stefan Löwl hielt eine kleine Rede - bekam die Eröffnung eine sehr persönliche, anrührende Note: Die Indersdorfer Lehrerin Corinna Barth stimmte zusammen mit Omer, der Enkelin des "Indersdorf-Kinds" Avremale Litman ein Lied an, die ganze Familie Litman trug ein Gedicht über Indersdorf in Rap-Form vor. Zalman Ackerman überreichte Ausstellungsmacherin Anna Andlauer ein selbstgemaltes Gemälde des Klosters Indersdorf.

Zalman Ackerman gehörte zu den sogenannten Madrichim. Sie fungierten in Inderdorf als Jugendgruppenleiter; sie waren selbst oft nur wenige Jahre älter als die Kinder und hatten meist ähnlich schlimme Sachen durchgemacht wie sie. Zalman Ackerman zum Beispiel war am Aufstand im Warschauer Ghetto beteiligt, ehe er sich der jungen Freiwilligenbewegung "Dror" anschloss. Für die "Indersdorfkinder" ist der unbekümmerte Zalman Ackerman bis heute eine Lichtgestalt, weil er ihnen wieder neuen Lebensmut eingeflößt hat. Für den mittlerweile 93 Jahre alten Mann ist es eine große Freude und Genugtuung, dass die Öffentlichkeit diesem bislang weithin unbeachteten Kapitel der Geschichte nun endlich ihre Aufmerksamkeit schenkt.

38 Mitglieder der Indersdorfer "Eitan-Kibbuzgruppe" gründeten 1949 in Israel den Kibbuz Netiv HaLamed-Hey bei Jerusalem. Einige Überlebende leben heute noch dort. Am Tag nach der Ausstellungseröffnung besuchte die Delegation aus dem Landkreis Dachau diesen Kibbuz. Gemeinsam pflanzten Zeitzeugen, deutsche Gäste und die Enkel und Urenkel der Überlebenden einen Rotdorn. Es ist genau jene Baumart, die auch nach dem Krieg im Kloster Indersdorf wuchs. Unter einem Rotdorn fanden die Kinder damals ihre Kindheit wieder und tanzten Hora. Für Landrat Stefan Löwl war die neuerliche Pflanzaktion ein sehr emotionales Erlebnis; auch hier wurde getanzt, "die Überlebenden mit ihren Kindern, Enkeln sowie Urenkeln und die Gäste aus dem Landkreis Dachau, freundschaftlich verbunden und tief bewegt", schreibt er.

Die Dachauer Delegation besichtigte auch die Städte Tel Aviv und Jerusalem mit ihren historischen und zeitgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten. Besonders der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem führte den Teilnehmern die Unfassbarkeit der Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus vor Auge. Sie ist der dunkle Abgrund, vor dem "Das Leben danach" umso mehr Strahlkraft entfaltet. Die Ausstellung ist bis zum 28. Februar in der TAU Sourasky Central Library, zu sehen.

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