Süddeutsche Zeitung

Ausstellungen:Rückkehr in die Idylle

Erneut organisiert der Dachauer Kunstsammler Josef Lochner eine Ausstellung mit Werken von Markus Lüpertz im Kaufhaus Rübsamen. Auf Initiative des Fördervereins Wasserturm sind bereits von 1. März an Druckgrafiken und Objekte von Joseph Beuys zu sehen

Von Gregor Schiegl

Beim Möbelhändler im Untergeschoss des Dachauer Kaufhauses Rübsamen läuft schon der Abverkauf. "Alles muss raus!", steht auf dem Schild. Von 1. März bis 18. April soll dieser Raum der Kunst gehören: Auf Initiative des Fördervereins Wasserturm werden in Dachau erstmals rund 70 Arbeiten von Joseph Beuys zu sehen sein, neben Objekten wie der berühmten Capri-Batterie, vor allem Druckgrafiken seines Spätwerks. Und das ist nur der erste Streich: Drei Wochen später, am 23. März, präsentiert eine weitere Ausstellung einen aktuellen Querschnitt durch das Schaffen von Markus Lüpertz, einem der wichtigsten Vertreter des deutschen Neo-Expressionismus; von ihm werden mehr als 100 Arbeiten zu sehen sein.

Hinter dem Doppel-Coup stecken weder ein Unternehmen noch finanzstarke Sponsoren, die sich mit hochkarätigen Kunst-Events schmücken wollen, sondern drei ehernamtlich aktive Kunstfreunde aus Dachau: Es sind Gerhard Niedermayr, Dieter Rothe und Josef Lochner, der als emsiger Sammler die meisten Werke zu diesen zwei hochkarätigen Ausstellungen selbst beisteuern wird. Schon 2015 hatte Lochner mit seinen Freunden vom Wasserturm an demselben Ort die erste Lüpertz-Ausstellung in Dachau organisiert, und nicht wenige unkten, das passe doch nicht zusammen: das kleine Dachau und der exzentrische Kunst-Star, der sich als "Meister" anreden lässt und mit Spitzbart und Silberknauf am Gehstock ein altmodisch-genialisches Dandytum zelebriert.

Der Erfolg gab Lochner und seinen Mitstreitern recht: Weit mehr als 2000 Besucher wollten die von Lüpertz gestalteten Plakate sehen; sein Freejazz-Konzert mit namhaften Musikern, darunter dem fantastischen Saxofonisten Gerd Dudek, füllte den Raum restlos aus, und Lüpertz, der normalerweise keine Lust auf große Ansprachen hat, verlor dann doch ein paar Worte über Dachau, das ganz anders sei, als er es sich erwartet habe.

"Es hat ihm hier sehr gut gefallen", bestätigt Josef Lochner. Lüpertz hatte sich zu einer Erkundungstour durch die Stadt aufgemacht und blieb mehr als zwei Stunden lang verschwunden. Danach zeigte er sich sehr angetan von der Stadt mit ihren alten Kulturgütern, Bier trinkend in der Sonne beschloss er seinen Spaziergang und verlieh Dachau das Prädikat "idyllisch." Lochner ist daher zuversichtlich, dass der "Meister" auch diesmal nach Dachau kommen wird und vielleicht sogar wieder ein Konzert zum Besten gibt.

Ein großes Geschäft war die Ausstellung 2015 für Lochner trotz des Andrangs nicht. "Es ging auf eine schwarze Null raus", sagt er, aber das ist für ihn gar nicht das Entscheidende. "Es haben sich durch die Ausstellung damals unglaublich viele Kontakte ergeben." Und genau das verschaffte ihm Zugang zu Werken, an die er vorher nicht so leicht herangekommen wäre. Wichtige Bezugsquelle waren für ihn die Galerie Breckner in Düsseldorf und die Korff-Stiftung. Die meisten Bilder und Skulpturen hat der Sammler selbst angekauft, einige hat er in Kommission erworben. "Diesmal hat es ein ganz anderes Niveau", sagt Lochner nicht ohne Stolz.

Joseph Beuys, einen der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts in Dachau, das ist in der Tat ein Novum. Obwohl weltbekannt, gilt Beuys' Werk den meisten Menschen als sperrig und schwer zugänglich. Die Ausstellung "Blitz und Bienenkönigin", die von 1. bis 18. März zu sehen ist, wird möglicherweise einen Beitrag leisten, dieses Urteil zu revidieren. In der Ausstellung werden die späten Druckgrafik-Suiten "Schwurhand", entstanden 1980, "Zirkulationszeit", entstanden 1982, und "Tränen", entstanden 1985, vollständig zu sehen sein. Am Beispiel einiger Probedrucke, die Beuys mit handschriftlichen Anmerkungen versehen hat, wird auch der Entstehungsprozess bis zur Druckfreigabe gezeigt. Der Besucher erhält so das Bild eines akribisch arbeitenden Künstlers, der bis zur Maserung des Papiers an ästhetischer Perfektion gearbeitet hat.

Ergänzt wird die Schau durch einige seiner Multiples, seriell hergestellte Kunstobjekte, die in unterschiedlichen Auflagen erschienen sind. Beispiele hierfür sind die recht bekannten "Wirtschaftswerte" oder die Capri-Batterie, ein Konstrukt aus gelber Glühbirne, Sockel und Zitrone. Nicht fehlen darf auch "Das Orwell-Bein - Hose für das 21. Jahrhundert". Hier bewies Beuys, der Mann mit dem Filzhut, schon früh seinen modischen Weitblick. 1984 versah er Jeanshosen mit Löchern am Knie, allerdings sauber ausgeschnitten.

Im Anschluss daran ist eine neue Ausstellung von Markus Lüpertz zu sehen. Sie zeigt einen sehr viel größeren und bedeutenderen Teil seines Werks als vor drei Jahren. Zwar sind auch diesmal wieder die beliebten, relativ preiswerten Konzertgrafiken ausgestellt, aber auch zwei neue Druckgrafik-Serien wird es geben, darunter "Michael Engel", die sich mit Motiven von Michelangelo beschäftigt, sowie die Skulpturen "Widder" und "Zwilling" aus dem Jahr 2017 und eine größere Anzahl von Unikaten auf Papier. Zum Teil handelt es sich um Vorstudien seiner Skulpturen, aber auch um eigenständige Arbeiten, zum Beispiel zum Thema Arkadien. Titel der Ausstellung ist "Maler Genius", benannt nach einer 76 Zentimeter hohen, vom Künstler handbemalten Bronze-Skulptur aus dem Jahr 2015.

Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. Für die Skulpturen bauen die Männer vom Wasserturm Sockel aus Holz und Metall, die Bilder müssen teilweise neu gerahmt werden. Weil die Beuys-Grafiken relativ klein sind, hat Lochner festgestellt, dass sie im kleinen Rahmen nicht so gut wirken, wie sie es könnten. Deswegen hat er 60 neue bestellt. Die Zeit läuft, "das wird alles sehr sportlich", sagt Lochner. Vom neuen Eigentümer des Rübsamen-Gebäudes, der Scherm KG, hat er die Räume bis Mitte April gemietet. "Ich hoffe, dass alle Möbel rechtzeitig raus sind." Die Männer vom Wasserturm müssen noch 450 Quadratmeter Wandfläche streichen. Und obwohl das Ganze sehr viel Aufwand ist und Geld kostet inklusive Miete, Transport, Versicherung, ist der Eintritt frei. Lochner geht davon aus, dass er zumindest mit der Beuys-Ausstellung draufzahlt, aber das kratzt ihn nicht. "Mir ist wichtig, die Begeisterung für die Kunst weiterzutragen", sagt Josef Lochner, dessen Leidenschaft nicht nur der modernen Kunst gilt. In seiner Dachauer Wohnung befindet sich auch eine eindrucksvolle Sammlung von Landschaftsgemälden des Dachauer Secessions-Malers Ludwig Dill.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3833297
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.01.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.