Süddeutsche Zeitung

Ausstellung zur Reformation:Protestanten und der Fortschritt

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Das Bezirksmuseum erzählt, wie die evangelische Religion im Landkreis Dachau sich entwickelte. Mit Unternehmern wie den Haniels, Vertretern der Freilichtmalerei - und den Vertriebenen

Von Christiane Bracht, Dachau

Protestanten im Dachauer Land - lange Zeit war das kein Thema. Doch zum Reformationsjubiläum wagt das Bezirksmuseum einen Rückblick: Wann kamen die ersten Lutheraner ins Dachauer Land? Wo lebten sie? Wann wurden die ersten Kirchen gebaut? Und wie haben sie sich ausgebreitet? "Es ist ein Nieschenthema", gibt die Museumsleiterin Ursula Nauderer zu. Aber sie hat es dennoch für ihre Sonderausstellung gewählt, die noch bis zum 28. Januar zu sehen ist. "Man darf Parallelen herstellen zum Hier und Heute", sagt Nauderer. Vor 500 Jahren war eine Zeit des Umbruchs, heute ist wieder eine.

Das Mittelalter geht zu Ende, die Neuzeit beginnt. Vieles hat sich geändert: Mit der Entdeckung Amerikas weitet sich der Blick in die Welt. Die Erde dreht sich plötzlich um die Sonne, die Leute sehen die ersten Darstellungen der Welt als Globus. Alles Neuerungen, die den Menschen Angst machen. Es herrscht Weltuntergangsstimmung. Der Ablasshandel blüht. Man will sich freikaufen vom Fegefeuer ohne anstrengende Sühne. Und die Kirche nutzt die Gelegenheit, so ihre klammen Kassen zu füllen. Der Bau des Petersdoms hat schließlich enorme Summen verschlungen. Einziges Problem: Die Unzufriedenheit im Volk wächst. Viele Theologen üben Kritik, unter anderem Martin Luther mit seinen 95 Thesen. Das löst eine Welle aus: Luther hat es auf den Punkt gebracht. Er soll auf dem Reichstag zu Worms 1521 seine Thesen widerrufen, doch er widersetzt sich: "Hier steh ich. Gott helfe mir. Ich kann nicht anders", sagt er dem Papst und wurde mit dem Kirchenbann belegt. Von nun an war er Ketzer.

Diese Geschichte stellt Nauderer in den ersten Räumen dar, anhand von Schautafeln aus dem Fundus der Dachauer Knabenschule. Sie zeigt aber auch Ablassurkunden und eine Münze, sowie eine eindrucksvolle Darstellung des Fegefeuers, die jedermann im Mittelalter vor Augen hatte. Ein Gemälde aus der Weilheimer Maria Himmelfahrts Kirche. Und eine sehr plastische Darstellung eines Kirchenmannes auf dem Pferd mit einer großen Schatztruhe vor sich, in die die Gläubigen ihr Geld werfen konnten.

Doch warum konnte gerade Luther so viele Anhänger gewinnen? "Er war sicher charismatisch", sagt Nauderer. Aber ohne die Erfindung des Buchdrucks wäre er heute kein Begriff mehr. Durch die Erfindung Guttenbergs konnte der Theologe seine Übersetzung der Bibel weit verbreiten. Eine Auflage von 3000 Stück wurde veröffentlicht. Exemplare aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind in einer Vitrine ausgestellt. Außerdem kamen Flugblätter in Mode, die von Handwerkern und Händlern verbreitet wurden. So kamen Luthers Thesen ins Dachauer Land. In der Ausstellung hängen interessante Reproduktionen.

Auch Theologen hierzulande beschäftigten sich mit der Kritik Luthers. Johannes Oecolampadius etwa studierte sie in Altomünster und setzte sich für die Reformation ein. In einem Stich ist er dargestellt. Doch die Landesfürsten schlugen sich schon früh auf die Seite des Papstes, der ihnen die Geldspenden aus ihrem Gäu versprochen hatte. Außerdem durften sie sich ihre Bischöfe selbst aussuchen. Für die nächsten 300 Jahre war die Sache damit klar: Das Dachauer Land blieb katholisch.

Erst als Max Josef aus der Pfalz mit seiner protestantischen Frau Carolin nach München kam, änderte sich das. 1802 stellte der spätere König von Bayern die christlichen Religionen gleich. Und weil in Oberbayern ganze Landstriche "entvölkert waren", während in der Pfalz Hungersnot herrschte, umwarb Max Josef die Pfälzer. Einige kamen und siedelten sich in Kemmoden, Lanzenried und Eichstock an. Sie bauten ihre eigenen Bethäuser mit Schule und heirateten untereinander. Schwarzweiß Bilder zeigen die Enklaven. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wollte der König die Wirtschaft ankurbeln und holte protestantische Unternehmer wie die Familie Haniel, die sich ins Haimhausener Schloss einkaufte, den Wurstfabrikanten Wulfert und den Papierfabrikanten Nicolaus.

Die Künstlerkolonie zog einen weiteren Schwung Protestanten an, wie den Maler Fritz von Uhde, dessen Darstellung der heiligen Familie auf dem Weg von Augustenfeld nach Dachau ausgestellt ist. Die größte Zuwanderungswelle kam jedoch nach dem zweiten Weltkrieg: Die Vertriebenen siedelten sich vor allem in Karlsfeld und Dachau an, meist in Baracken. Plötzlich war ein Viertel der Bevölkerung evangelisch. Die Friedenskirche wurde gebaut, ein Pfarrheim und ein Gemeindesaal. Seither haben die Protestanten in Dachau ein eigenes Kirchenzentrum.

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SZ vom 19.05.2017
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