Im Bezirksmuseum Dachau dominiert in diesen Tagen die Farbe Gelb. Ein sattes, goldfarbenes Gelb. Biergelb. Dass es in der Ausstellung, die am Freitag eröffnet wird, um Bier geht, kann man schon vor den Türen des Museums erahnen. Dort hängt die Replik einer Mörtelplastik, sie zeigt ein typisches Bierfuhrwerk aus der Zeit um 1880. Normalerweise fällt die Plastik, deren Original an einer Wirtshausfassade in Großberghofen hängt, nicht gleich auf. Obwohl sie immer dort hängt. Jetzt aber ist sie mit leuchtendem Gelb unterlegt. Und macht gleich klar, um was es geht: "Bier lokal" hat Ursula Nauderer als Titel für die Ausstellung gewählt. Ein Wortspiel, das die Dachauer Brauereigeschichte ebenso wie die Wirtshäuser und Brauereiwirtschaften einschließt, in denen sich das Leben rund um ihre Erzeugnisse abspielte. So richtig entkommt in diesem Jahr keiner den Feiern zum 500. Jubiläum des Reinheitsgebots. Auch die Museen nicht. Obwohl Kritiker sagen, dass die Vorschrift, wie sie heute angepriesen wird, in Wahrheit nicht viel mehr als ein PR-Gag ist.
Dass die Bierproduktion im Landkreis Dachau den Alltag über Jahrhunderte geprägt hat, ist aber unbestritten. Wie sehr, zeigt eine Karte der Altstadt, die Nauderer an den Anfang der Ausstellung gestellt hat. Manch ehemalige Brauerei kennt und sieht heute noch jeder: den Hörhammerbräu und den Zieglerbräu, oder die ehemalige Schlossbrauerei. Andere mussten längst Neubauten weichen oder wurden in Geschäfte umgewandelt, wie beim Kaufhaus Rübsamen, dem Schuhhaus Rössler oder dem Thoma-Haus. Auch für alteingesessene Dachauer hält die Aufzeichnung sicher noch die eine oder andere Überraschung bereit. Und, so die leise Hoffnung der Kuratorin, verändert vielleicht den Blick auf die Architektur der Altstadt.
Dort beginnt die Ausstellung, um sich dann von Raum zu Raum durch den Landkreis und bis nach München zu schlängeln. Ursula Nauderer erzählt Geschichten anhand von Gegenständen, vor allem von Gefäßen. Mit Bierkrügen aus verschiedenen Phasen, Bockbiergläsern und Weißbiergläsern, vollzieht die Ausstellung die schrittweise Weiterentwicklung der Trinkgewohnheiten bis heute nach. Reich verzierte Prunkkrüge, Damenkrügl und Kinderkrügl deuten auf die gesellschaftlichen Repräsentation hin, für die das Bier eine Rolle spielte. Manche hat Nauderer aus der Dauerausstellung geholt, manche stammen aus dem Depot, andere aus Privatsammlungen. So streift die Ausstellung die Lebenswirklichkeiten vieler gesellschaftlicher Gruppen, von Weichser Maurern über eine Dachauer Bäckerfamilie, bayerische Herzöge und große Brauerfamilien. Sie zeigt, dass Bier nicht einfach nur ein Getränk war, sondern integraler Bestandteil gesellschaftlicher Rituale und Stoff für politische Satire, Volksweisen und Kunst.
Die Ausstellung ist gespickt mit charmanten Einzelstücken, etwa einer liebevollen Zeichnung des Trinklieds "Beim Wirth in der Au" von Lothar Meggendorfer, auf der die Noten als Wirtshausbesucher und die Pausen als Bierfässer dargestellt sind - Rauferei inklusive. Oder zwei Postkarten, die wohl vom Hofbräuhaus in Auftrag gegeben wurde: Auf ihr sieht man Karikaturen von Biertrinkern aus dem Dachauer Land, erkennbar an der typischen Bauerntracht. Die Figuren, die Nauderer auch vor dem ersten Ausstellungsraum angebracht hat, dokumentieren das vor hundert Jahren in München kolportierte Klischee vom biernärrischen Hinterländler. Ein Klischee, das die Ausstellung entkräftet. Bier war nicht nur zum Saufen da, könnte man zusammenfassen, sondern neben seiner Rolle bei gesellschaftlichen Ereignissen auch ein notwendiges Mittel der Ernährung: Es war schlicht reiner als Wasser.
Zwei große Dachauer Künstler haben den gesellig-genüsslichen Aspekt zum Thema der Werke gemacht, die in der Ausstellung zu sehen sind. Je ein Raum ist Ludwig Thoma und Hermann Stockmann gewidmet, deren Geburtstage sich 2017 zum 150. Mal jähren. Die Ausstellung ist bis Ende Januar zu sehen, also bis in ihr Jubiläumsjahr hinein.
Während von Stockmann die lange Zeichnung eines Bierzugs rund um den erfundenen Bierheiligen Gambrinus zu sehen ist, er schuf sie als Auftragsarbeit für eine Brauerei in Bad Reichenhall, finden sich von Thoma vor allem satirische Texte aus der Zeitschrift "Simplicissimus". Da darf sein Stück "Ein Münchner im Himmel" nicht fehlen. Der Animationsfilm von 1962 nach einem Text läuft im selben Raum, und verbindet das Biertrinken auf famose Weise mit der zeitlosen Kritik an der Politik: "So wartet die bayerische Staatsregierung heute noch vergeblich auf die göttliche Eingebung."
Die Ausstellung ist von Freitag, 29. Juli, bis Sonntag, 29. Januar, zu sehen. Öffnungszeiten des Bezirksmuseums: Dienstag bis Freitag 11 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 13 bis 17 Uhr. Offene Nachmittagsführungen: 18. September, 16. Oktober, 13. November, 4. und 26. Dezember, 6. und 29. Januar, jeweils 14 bis 15 Uhr, drei Euro zuzüglich Eintritt. Veranstaltungen im Internet unter: www.dachauer-galerien-museen.de