Ausstellung in Dachau:Die große Kunst der kleinen Dinge

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Die Münchner Malerin Petra Levis bestreitet die vorerst letzte Ausstellung in der Galerie der Künstlervereinigung Dachau (KVD). (Foto: Niels P. Jørgensen)

Petra Levis setzt Alltagsgegenstände wie Gläser, Flaschen und Besteck in Szene und verleiht ihnen eine erstaunliche Präsenz. Dabei bedient sie sich einer äußerst vielschichtigen Form der Aquarellmalerei.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Hier kommt er ganz groß raus, der kleine Löffel, hier kann er mal so richtig glänzen. Im Original misst er nur acht Zentimeter, doch auf dem Gemälde von Petra Levis hat er die Dimensionen eines Paddels. In dieser Größe zeigt er seine ganze Schönheit, den eleganten Korpus aus transparentem blauem Plastik, ein Adonis aus der Küche.

Zu sehen ist der kleine Charmeur beim „Rendezvous der Dinge“. Den Titel hat die Münchner Malerin ihrer Ausstellung gegeben, die ab Donnerstag in der KVD-Galerie in Dachau zu sehen ist. Zum Tête-à-Tête erscheinen die Dinge grüppchenweise: Löffel, Flaschen und Gläser in Serie, dazu Smarties, Macarons und Petits Fours. Levis bringt sie im Großformat auf die Leinwand und das so plastisch, dass man danach greifen möchte. Oder am liebsten gleich hineinbeißen.

Vom Aktstudio zur Küchenschublade

Sie habe schon immer am liebsten gegenständlich gemalt, erzählt die 63-Jährige beim Aufbau der Ausstellung. Studiert hat sie an der Akademie der Künste in München. Anfangs stand die Aktmalerei im Vordergrund, dann malte sie Pflanzen. Und nun ist die Künstlerin angelangt in der Welt der Dinge, wie man sie in Küchenschubladen und Kühlregalen findet, wie einen Tetra Pak aus einem US-Supermarkt mit der Aufschrift „Heavy Whipping Cream“. Sind nicht allein schon diese drei Worte ein Gedicht? Und dazu noch in dieser schönen Serifenschrift!

Gerade „die kleinen, unscheinbaren Dinge“ machten für sie als Malerin den Reiz aus, sagt Petra Levis. In die Welt geworfen als industrielle Massenartikel stellt die Künstlerin sie dar wie kostbare Einzelobjekte, „fast wie im Porträt“. Bedeutsam erscheint das Motiv schon allein durch seine schiere Größe.

"Farbwellen" hat die Künstlerin dieses Bild genannt, bei dem drei formschöne Löffel für Dynamik und ein fluides Spiel der Farben sorgen. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Ein Appetithäppchen aus der Serie "Macarons". (Foto: Niels P. Jørgensen)
Buntes Lakritz-Potpourri mit Pop-Art-Einschlag. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Stille Wasser haben es in sich: die Spiegelungen, die Transparenz von Flasche und Inhalt sowie die daraus resultierenden Verzerrungen müssen exakt wiedergegeben werden, damit das Objekt echt aussieht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dadurch treten auch all die wunderbaren Details zutage, die man sonst so gerne übersieht: der Glanz auf der glatten Oberfläche eines orangefarbenen Plastiklöffels, sein raffinierter Schattenwurf, die herrlichen Farbnuancen, die je nach Dicke des Materials zwischen Gelb und Rot changieren.

„Mir geht es um Farbigkeit und Transparenz“

Dazu kommen die komplizierten Lichtbrechungen, die durch den transparenten Griff auf die Wand projiziert werden, Löffellichtspiele in Multicolor, die sich auf dem Untergrund, einer matt reflektierenden Aluminiumplatte, fortsetzen. „Mir geht es um Farbigkeit und Transparenz“, sagt die 63-Jährige, „ich liebe das Durchscheinende.“

Manchmal zeigt die Künstlerin auch nur einen Ausschnitt, eine Leinwand voll runder farbiger Ringe vor blassblauen Flächen, die sich überschneiden, sehr geometrisch, sehr abstrakt. Bis man erkennt, was man da eigentlich sieht: ein Set farbiger Trinkgläser. Oft arbeitet Petra Levis lange an der richtigen Komposition, dem richtigen Bildschnitt.

Die Alltagsmotive und die Kompositionen lassen an Pop Art denken, der kühle Stil an den amerikanischen Realismus, aber das war nie ein Vorbild für sie, das hat sich einfach so ergeben. „Ich bin keine so bewusst planende Künstlerin“, sagt Levis. Als sie noch Akte malte, verwendete sie hauptsächlich Gouache und Öl, doch es waren Farben, die ihr nicht sonderlich behagten: „Das war mir zu batzig.“

In einer Zeitschrift entdeckte sie dann eines Tages Bilder des amerikanischen Künstlers Winslow Homer (1836-1910). Er begann seine Karriere als Zeichner, das merkt man auch seinen Aquarellgemälden an; sie sind von transparenter Farbigkeit, aber gestochen scharf. „Das hat mich so fasziniert, dass ich mit der Aquarellmalerei angefangen habe“, sagt Levis.

Das Thema ihrer Malerei ist die Malerei selbst

Aufgetragen werden die wasserlöslichen Farben wie Lasuren in der Ölmalerei. Allein für den Hintergrund trägt sie 10 bis 20 Farbschichten auf, eine durchscheinende Ebene über die andere. Dabei muss sie aufpassen, mit dem neuen Farbauftrag nicht wieder die letzte Schicht abzulösen. „Man muss sein Material schon gut kennen“, sagt die Künstlerin. Mit den Gegenständen, die sie malt, muss sie sich erst einmal intensiv auseinandersetzen und das bis ins kleinste Detail, sie zerlegen in Formen und Flächen und diese nach Helligkeit sortieren. Alles, was weiß oder nahezu weiß bleiben soll, wird erst einmal ausgespart. „Eine relativ abstrakte Arbeitsweise“ sei das, erzählt Levis. Aber das ist nur die technische Betrachtung.

Petra Levis„reflektiert malend, wie Malerei funktioniert: wie darzustellende Gegenstände sich verhalten, wenn man sie nicht als Gebrauchsobjekte, sondern als Formen und Flächen sieht“: So hat das ihr Mann, der Künstler Michael Haussmann über sie geschrieben. Das Thema ihrer Malerei sei eben „nicht ein Glas, sondern die Malerei anhand eines Glases“.

Es ist die vorerst letzte Ausstellung in der KVD-Galerie

Und so lebensecht die Gegenstände wirken, sie sind nicht fotorealistisch; denn solche Gemälde arbeiten mit den Stilmitteln der Kamera, mit den Verzerrungen und Unschärfen. Genau das tut Petra Levis aber nicht. Sie lässt die Farben strahlen und die Konturen hervortreten, nichts verschwimmt, nicht mal die Schatten. Das verleiht ihren kleinen Dingen große Präsenz.

In der KVD-Galerie wird ihre Ausstellung die vorerst letzte für etwa zwei Jahre gewesen sein, das Gebäude soll von März an entkernt und komplett erneuert werden, die Künstlervereinigung zieht dann um in die Räume der Neuen Galerie an der Konrad-Adenauer-Straße. Petra Levis ist froh, dass sie noch in der KVD-Galerie ausstellen kann. „Den Raum finde ich so schön, da passen meine Bilder wirklich gut rein.“ Bis 9. Februar kann sich jeder selbst davon überzeugen.

„Rendezvous der Dinge“, Ausstellung von Petra Levis in der KVD-Galerie, Vernissage am Donnerstag, 16. Januar, um 19.30 Uhr. Die Künstlerin ist an den Sonntagen, 19. Januar und 26. Januar, anwesend.

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