Ausstellung in Dachau:Innerlich rasend

Gegenständlicher Malerei in der Tradition Albrecht Dürers? Holzschnitte gar? Wer macht denn heute noch sowas? Der Dachauer Künstler Christian Maria Huber arbeitet völlig unzeitgemäß - und da ist gut so.

Helmut Zeller

Ein Farbholzschnitt aus dem Jahr 2010, neben der Ölmalerei die bevorzugte Technik Christian Maria Hubers, zeigt ein Selbstbildnis des Dachauer Künstlers als Ritter. Aber stellen wir uns zuerst den Künstler als jungen Mann vor: In einem schwarzen Anzug, die Krawatte flattert über seiner Schulter, rast der 17-Jährige auf dem Fahrrad den steilen Karlsberg hinunter. Diesmal wird er sich von niemandem seinen Traum ausreden lassen. Dann sitzt er am Küchentisch, fast ängstlich auf die Mutter schielend. Der entfährt ein Schrei: "Ja Bua, um Gottes Willen! Nein!" Christian Maria Huber führt also die ungeliebte Lehre als Bankkaufmann zu Ende. Seinen Traum, ein Maler wie der Großvater Richard Huber (1902-1982) zu werden, lässt er aber nicht los. Fast auf den Tag sind es jetzt 35 Jahre her, dass ich diese Räume zum ersten Mal betreten habe", sagt der Künstler vor 130 Gästen der Vernissage seiner Ausstellung "Ansichten eines Unzeitgemäßen" in der Volksbank Raiffeisenbank Dachau. Zwischen dem Lehrling und dem Ritter liegen Jahrzehnte, in denen Christian Maria Huber zu künstlerischem Selbstbewusstsein reifte. Sein von Albrecht Dürers Meisterstichen inspiriertes Hauptwerk unter den Farbholzschnitten mit dem Titel "Ritter, Tod und Teufel" mit der Dachauer Stadtsilhouette macht die Situation des Künstlers deutlich, der im heutigen Dachau naturalistisch malt, bewusst unter spätimpressionistischem Einfluss - auch den seines Großvaters - Werke schafft, die an die Dachauer Freilichtmalerei vor einhundert Jahren erinnern. So jedenfalls deutet das die Kunsthistorikerin Bärbel Schäfer, Kuratorin der Ausstellung: "Tod und Teufel - in der Künstlerstadt Dachau sind das interpretierbare Größen wie Zeitgeist, Kunstpolitik und öffentliche Ignoranz." Tatsächlich wirken auf den ersten Blick Motive und Maltechnik wie Kopien des längst Bekannten, fast naiv erscheint die Haltung des Künstlers zur Welt - oder gerade deshalb, auch diese Ansicht ist möglich, unzeitgemäß. Diesen Wechsel in der Perspektive vollzieht die Kunsthistorikerin Bärbel Schäfer - und sie überwindet darin die nur allzu wohlfeile Kritik an gegenständlicher Malerei, die von den Epigonen, zumeist schlechten, der abstrakten Malerei und ihren Marktschreiern in den Feuilletons lautstark vorgetragen wird. "Er verleugnet weder Heimat noch Herkunft und findet seine Werte nicht in der Welt des schönen Scheins und Glamours, entzieht sich als Unzeitgemäßer dem Griff des Zeitgeistes und malt das, was seinem Herzen entspringt", urteilt die Kuratorin. Und gerade deshalb, möchte man ergänzen, erreicht er die Herzen der Menschen. Christian Maria Huber entwickelt keine neue künstlerische Sprache, aber er malt, technisch auf höchstem Niveau, den uralten Traum der Menschen von Schönheit und Harmonie. Seine Werke sind erfüllt von der Melancholie des barocken Bewusstseins um die Vergeblichkeit menschlichen Strebens. Der Künstler, ein Mensch voller Ecken und Kanten, der sich nicht verbiegen lässt, ist getrieben von seiner Liebe zum Leben, die auch immer ein Moment der Verzweiflung und Traurigkeit birgt. Dem gibt Christian Huber auch in den Bildern einen berührenden Ausdruck, zu denen er auf seinen häufigen Osteuropa-Reisen angeregt wurde. In Rumänien, der Ukraine und Russland trifft er, wie er sagt, auf Menschen und Landschaften, die ihm das Geheimnis des Lebens fern von jeglicher Form der gesellschaftlich und kulturell verordneten Anpassung nahe bringen. Nicht von ungefähr widmet er sich dem Holzschnitt, einer im schnelllebigen Kunstbetrieb unzeitgemäßen Technik, die großes Können erfordert und keine Fehler verzeiht. Da sehen wir ihn, die Zeit vergessend am Holzstock arbeiten, scheinbar ruhig, aber innerlich rasend, seinen vielleicht unzeitgemäßen Traum greifen. Die Ausstellung "Ansichten eines Unzeitgemäßen" ist in der Hauptstelle der Volksbank Raiffeisenbank Dachau in der Augsburger Straße 33-35 bis zum 7. Oktober geöffnet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: