Ausstellung:Die Kunst loszulassen

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Barbara Kleiber-Wurm ist fasziniert von Strukturen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Barbara Kleiber-Wurm zeigt Werke aus Papier und Pappe

Von Anna-Elisa Jakob, Karlsfeld

Eigentlich möchte Barbara Kleiber-Wurm gar nicht viel erzählen. Das liegt nicht an ihrem Wesen - sobald sie zu Ausführungen über ihre Kunst ansetzt, lacht sie herzlich, sucht aufmerksamen Augenkontakt, benutzt große Gesten, zeigt enthusiastisch, wie bestimmte Werke Stück für Stück entstanden sind, einzelne Papierstücke in mühevoller Kleinstarbeit aneinander geklebt wurden. Doch die Interpretation, das Fühlen und Verstehen gehört allein dem Betrachter.

In einer Ecke der Karlsfelder Galerie hängt ein Werk aus gerolltem, geschichtetem Transparentpapier von der Decke, durch den Effekt sind wabenähnliche Löcher entstanden. Die Form könnte ein menschliches Herz sein, pumpend und lebendig. Genauso eine Bienenwabe, krumm und einladend. Die Künstlerin verschwendet daran keinen Gedanken, sie sieht einzig die Form, pur und für sich. Spricht darüber, sie mit Licht anzustrahlen, um Schatteneffekte an die Wand dahinter zu projizieren. "Sobald man anfängt zu denken, ist man verloren", sagt sie.

Zwei skizzenartige Zeichnungen, ohne Sinn, ohne Bedeutung, nur um den Willen der Struktur und Bewegung sind ebenfalls da. Obwohl sie selbst vor allem über die Oberfläche der Werke reflektiert und die Tiefe unbeachtet zu lassen versucht, mangelt es ihren Werken nicht an Ernsthaftigkeit. "Arbeiten mit und auf Papier" heißt die Ausstellung. Kleiber-Wurm verarbeitet Reste aus Pappe und Papier. Sie sei fasziniert von der Mongolei, von Russland, auch von der Antarktis, dem Norden Kanadas - Regionen, in denen Leere herrscht, der Raum zwischen den Menschen besonders groß ist. Auf den Werken der Künstlerin sind es die Linien, die den Raum durchschneiden. Mal wirken sie trennend, mal verbindend. Meist ballen sich Farbe und Form der Werke in der Mitte. Das Auge jedenfalls konzentriert sich auf den Mittelpunkt und verliert sich zum Rand hin.

Eine Wand zeigt ausschließlich grüne Werke. Vielleicht sind es dunkles Moos, hellgrüne Halme, schwarze Erde, die sich dort ineinander mischen und einen Strudel bilden. Rechts daneben erweckt die Farbkombination einen Hügel inmitten einer satten Wiese. Das nächste Bild wirkt wie eine dunkle Fläche mit Blumenflecken. Einige Werke sind ruhig und oberflächlich, doch einzelne schaffen es dafür umso mehr, in die Tiefe zu ziehen.

Sie habe erst lernen müssen, aufzuhören, sagt Kleiber-Wurm. Sie zeigt auf eine Leinwand, die sie mehrmals übermalt hat. Immer wieder habe sie neu angefangen, konnte sich von dem Werk nicht trennen. Treibt sie ein innerer Perfektionismus dazu? Eigentlich ein Widerspruch, malt sie doch ohne Plan und ohne Skizze. Sie überlegt lange, denn als Perfektionistin sieht sie sich selbst nicht. Doch das Malen sei eine gute Übung, um loszulassen, sagt sie.

In ihren neuen Werken besiegt der Minimalismus den Drang weiter zu malen. Sie zeigen dünne Linien, Schichtungen auf weißem Papier und viel Freiraum. Interessant sind aber die Werke, in denen die Herausforderung des Loslassens zu erkennen sind. Die Werke, die mehr Farbe haben, in der sich die Formen aus der Weite zusammenziehen, sich ballen. Und damit die Frage offenlassen, wann denn der richtige Zeitpunkt für ein Ende ist, ob es diesen überhaupt gibt.

Die Ausstellung von Barbara Kleiber-Wurm eröffnet am Freitag, den 3. Mai, um 19 Uhr in der Galerie Kunstwerkstatt am Drosselanger in Karlsfeld. Sie ist bis zum 12. Mai zu sehen, immer an Wochenenden von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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