Doppelausstellung in der KVD:Gemalte Skulpturen, konstruierte Bilder

Doppelausstellung in der KVD: Mary Kim und Carolin Leyck in ihrer gemeinsamen Ausstellung "look at - look around" in der KVD-Galerie.

Mary Kim und Carolin Leyck in ihrer gemeinsamen Ausstellung "look at - look around" in der KVD-Galerie.

(Foto: Toni Heigl)

Die gemeinsame Ausstellung von Carolin Leyck und Mary Kim zeigt, wie anziehend und inspirierend Gegensätze sein können - auch wenn die Kontraste sich bei näherer Betrachtung schnell verflüchtigen.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Welche Tagesdosis an Buntheit ein erwachsener Mensch benötigt, weiß man nicht genau, die neue Ausstellung "look at - look around" in der KVD-Galerie Dachau dürfte den Bedarf aber mit Leichtigkeit decken. Bis auf zwei Arbeiten sind alle Werke von fideler Farbigkeit, hier leuchten, flimmern, strahlen Bilder und Objekte in der vitalisierenden Vielfalt einer Blumenwiese. Bunter kann man es kaum treiben als Mary Kim und Carolin Leyck.

Wenn man die beiden nebeneinanderstehen sieht, sieht man zwei scheinbar sehr unterschiedliche Frauen vor sich: Carolin Leyck, hochgewachsen, blondgelockt, legerer Chic, daneben Mary Kim, zierlich, klein, Seitenscheitel schwarz-kariertes Hemdkleid von eleganter Schlichtheit. "Wir mögen beide starke Kontraste", sagt Leyck, "und auch das Verspielte".

Das zeigt sich bei beiden in unterschiedlichen Ausformungen: Leyck malt organische Formen, bisweilen noch sichtbar an Vorlagen aus der Natur angelehnt. Kim konstruiert geometrische Objekte von hohem Abstraktionsgrad. Wie gut die Künstlerinnen harmonieren, zeigt sich auch darin, dass dies bereits ihre dritte Ausstellung ist.

München, Seoul, New York

Dem Dachauer Publikum sollte man die beiden Gastkünstlerinnen erst einmal kurz vorstellen: Mary Kim wurde 1974 in New York geboren, sie studierte Architektur an der Cranbrook Academy of Art, machte den Master of Fine Arts an der City University of New York und den Bachelor of Fine Arts an der Seoul National University in Korea. Leyck, Jahrgang 1967, kam in München zur Welt, studierte erst Kommunikationsdesign und arbeitete als Grafikerin. 1997 begann sie ihr Studium der freien Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München, das sie als Meisterschülerin abschloss.

Leyck bringt organische Formen auf die Leinwand, die in ihrer Farbvielfalt und verspielten Form leicht und heiter wirken. Sie zu beschreiben ist fast ein Ding der Unmöglichkeit: In ihnen finden sich sowohl Strukturmerkmale flatternder Banner wie bizarrer Polypen und, ja, auch geringelter Kindersocken. Dabei modelliert die Künstlerin die Formen aus Farben, der Pinselstrich schafft Plastizität, der lasierende Farbauftrag eine besondere Bildtiefe - durch das Übermalen mit der Hintergrundfarbe wird auch immer mal wieder etwas weggenommen.

"Schwarz dient als Bühne für die Farbe."

Drei Jahre lang waren Leycks Bildhintergründe immer tiefschwarz, der kontrastreichen Wirkung wegen. "Schwarz dient als Bühne für die Farbe", erklärt sie, die Leinwand wird davor weiß grundiert, um die aufgetragenen Acrylfarben noch stärker zum Leuchten zu bringen. Dass man hier deutlich mehr Nuancen und Farbschattierungen sieht als man das von den meisten Acrylbildern kennt, hat damit zu tun, dass Carolin Leyck die Pigmente für ihre Farben selber mischt.

Kennengelernt haben sich die beiden beiden Künstlerinnen schon vor vielen Jahren an der Hochschule für Architektur. Carolin Leyck sagt, sie sei bereits länger auf der Suche nach einer "bildhauerischen Gegenposition" zu ihren Bildern gewesen, die sie selbst als "gemalte Skulpturen" versteht. In Mary Kim fand sie die gesuchte Haltung. "Das ist ein spannender Dialog", sagen die beiden Künstlerinnen.

Doppelausstellung in der KVD: "Akane" von Carolin Leyck, Pigment-Acryl auf Leinwand, 2022.

"Akane" von Carolin Leyck, Pigment-Acryl auf Leinwand, 2022.

(Foto: La Van Phuong, oh)
Doppelausstellung in der KVD: Die Werke der beiden Künstlerinnen harmonieren außerordentlich gut miteinander.

Die Werke der beiden Künstlerinnen harmonieren außerordentlich gut miteinander.

(Foto: Toni Heigl)
Doppelausstellung in der KVD: Kaum zu glauben: Die Farbe Schwarz hat die beiden Künstlerinnen vor Jahren zusammengeführt.

Kaum zu glauben: Die Farbe Schwarz hat die beiden Künstlerinnen vor Jahren zusammengeführt.

(Foto: Toni Heigl)
Doppelausstellung in der KVD: Die Farben der modularen Installation foppen das Auge.

Die Farben der modularen Installation foppen das Auge.

(Foto: Toni Heigl)

Mary Kims Werke könnte man analog zu Leycks "gemalten Skulpturen" als "konstruierte Gemälde" bezeichnen. Ihre Arbeiten entstehen nach digital gezeichneten Entwürfen aus Holz und Kunststoff. Obwohl die einzelnen Bauteile aus relativ simplen Formen bestehen - etwa schräg geschnittene Hölzchen von denselben Stärken, Längen und Winkeln -, bilden sie in ihrer Zusammensetzung oft hochkomplexe Gebilde. Im Prinzip ähnlich wie ein Korallenriff: Modellbau nach dem iterativen Prinzip der Natur.

Je nach Standpunkt des Betrachters zeigen sich ihre Objekte in Form und Farbe immer ein wenig anders, hinzu kommt der ebenfalls oft kunstvolle Schattenwurf, der den Arbeiten eine weitere Dimension hinzufügt. Wer sich über den Titel der Ausstellung "look at - look around" gewundert haben sollte, findet hier die einfache Auflösung: Leycks Werke kann man einfach anschauen ("look at") und sieht alles, was es zu sehen gibt, bei Mary Kims Werken muss man quasi drum herumschauen ("look around"), verschiedene Perspektiven einnehmen, um die Arbeiten für sich zu erschließen.

System mit bewussten Abweichungen

Dass die geometrischen Formen nicht starr und eckig erscheinen, sondern oft etwas von der fließenden Leichtigkeit einer musikalischen Fuge von Johann Sebastian Bach haben, liegt an Kims Einsatz von Farben. So wie die Töne in einer Fuge systematisch formstreng kombiniert und in Variationen fortentwickelt werden, ist es auch beim Kim. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man oft kleine Abweichungen vom scheinbar durchgängigen Rhythmus. Die Farben lenken das Auge, verwandeln die Form, und wie bei Carolyn Leyck nimmt sie von der Gestalt ihres Objekts auch Teile weg, wenn sie - schwarz bemalt - quasi ausgeblendet werden und andere Elemente dafür umso stärker ins Auge stechen.

Ihr gehe es nicht um die Bedeutung einzelner Farben, sagt Kim, vielmehr um die "Interaktion", um die Wechselwirkungen, die die Farben erzeugen. Bach hätte wohl gesagt: Es geht nicht um die Noten, es geht um die Musik. Und so schwächen sich die scharfen Gegensätze schnell ab, die man zwischen den Konzepten beider Künstlerinnen zu sehen glaubt - hier die Malerei, da die Skulptur, hier die Abstraktion, da das Gegenständliche.

"Caro spielt mit Farben und Schichten."

"Anfangs hat uns das Schwarz zusammengeführt", erzählt Carolin Leyck, was schon eine besondere Pointe ist, wenn man sich das Farbspektakel dieser Ausstellung vor Augen hält. Aber die beiden Künstlerinnen, die sich in so unterschiedlichen Dimensionen bewegen, haben immer wieder Brücken zueinander gefunden, neue Dinge bei der anderen Künstlerin entdeckt, die man für die eigene Kunst nutzen kann. "Caro spielt mit Farben und Schichten", sagt Mary Kim: "Ich zeige, wie man im Prozess weitergehen kann."

Carolin Leyck malt nun auch Formen, die sie danach spiegelt und farblich variiert. Nachdem sie die Collage-Ausstellung des Scherenschnitt-Künstlers Olaf Nie in der KVD-Galerie gesehen hat, ist die Arbeit "Werden und Vergehen" entstanden. Darin hat sie die Konturen einer verwelkten Rose als neue Bildskulptur ausgearbeitet mit der Buntheit einer sommersatten Blumenwiese. "Ich will in den Farben Lebendigkeit zeigen", sagt sie. Nie war Vergänglichkeit schöner.

"look at - look around", Ausstellung von Mary Kim und Carolin Leyck in der KVD-Galerie, Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag 16 bis 19 Uhr, Sonntag 14 bis 18 Uhr. Zu sehen bis 28. Juni.

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