Süddeutsche Zeitung

Ausstellung bei der UN:Die Welt blickt auf Indersdorf

Im Hauptquartier der Vereinten Nationen ist jetzt eine Ausstellung über das einstige Kinderzentrum im Kloster zu sehen. Eine Delegation aus dem Landkreis ist bei der Eröffnung in New York dabei.

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf / New York

Es waren bewegende Momente dabei, als die ehemaligen Schützlinge des Kinderzentrums wieder im Barocksaal des Klosters standen. Hier wurden sie vor 70 Jahren von Mitarbeitern der Vereinten Nationen versorgt, hier lernten sie wieder lachen, hier schöpften sie neuen Lebensmut. Die jüdischen Kinder waren Opfer des Nazi-Terrors, ohne Eltern und heimatlos. "Indersdorf war der zweite Beginn unseres Lebens", sagte die 85-jährige Jüdin Ora Rotem, die im Kinderzentrum ihren späteren Mann kennenlernte. Beide kehrten Ende April 2015 mit anderen Bewohnern der UN-Einrichtung ins Indersdorfer Kloster zurück, um den prägendsten Ort ihrer Kindheit wieder zu sehen, den Ort, den sie heute als rettende Insel sehen.

Ende April 2015 wurde im Barocksaal die Ausstellung "Zurück ins Leben" eröffnet. Die Fotoschau dokumentiert das Leben im ersten internationalen Kinderzentrum der US-Zone nach dem Krieg. Anna Andlauer hat das Projekt auf die Beine gestellt. Die Weichser Historikerin, Mitglied des Indersdorfer Heimatvereins, forschte für die Schau in internationalen Archiven, trug historische Fotos zusammen und spürte mehr als 80 Überlebende auf, die als Zeitzeugen von ihren Erlebnissen sprachen. Mit großem Einsatz und der Hilfe der deutschen Ständigen Vertretung schaffte sie es, dass die Ausstellung unter dem Titel "Life After Survival" jetzt im UN-Hauptquartier in New York zu sehen ist.

Politiker aus aller Welt können die Ausstellung sehen

Die Schau wird noch bis zum 10. Februar in der Visitors' Lobby gezeigt. Offizielle Eröffnung ist erst am 26. Januar. Der Grund: Der 27. Januar ist der internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Politiker aus aller Welt werden aus diesem Anlass ins UN-Hauptquartier kommen und dabei die Ausstellung sehen können. Unter anderen wird die stellvertretende UNO-Generalsekretärin Cristina Gallach eine Rede halten. Erwartet werden auch viele einstige Bewohner des Kinderzentrums - so wie Roman Kent, Schatzmeister der Jewish Claims Conference und Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, der den Anstoß zu dem internationalen Gedenktag gab.

Den einstigen Bewohnern des Kinderzentrums ist es sehr wichtig, dass die Ausstellung im UN-Hauptquartier zu sehen ist. "Sie wollen sich bei den Vereinten Nationen bedanken, dass ihnen die Helfer damals den Mut zu einem neuen Leben gaben", sagt Anna Andlauer. Die Ausstellung sei wie eine Langzeitstudie, die beweist, dass die Hilfe etwas gebracht hat. Auf einigen alten Fotos ist die UN-Mitarbeiterin und Pädagogin Greta Fischer zu sehen. Sie hört Kindern zu und schreibt ihre Geschichten auf. Die persönliche Zuwendung sei auch heute für junge Flüchtlinge wichtig. "Die Ausstellung soll Mut zum Helfen machen", sagt Andlauer. Deutsche Ausstellungen im UN-Hauptquartier seien sehr selten. In den vergangenen zehn Jahren habe es nur zwei gegeben.

Gesangseinlage von Bürgermeister und Landrat

Am Sonntag, 24. Januar, fliegt eine 20-köpfige Reisegruppe nach New York, um der Eröffnung beizuwohnen. Fast alle Teilnehmer kommen aus dem Landkreis. Neben Anna Andlauer werden Landrat Stefan Löwl, Indersdorfs Bürgermeister Franz Obesser, Anton Wagatha, Rektor der Klosterrealschule Vinzenz von Paul und Petra Funk, stellvertretende Leiterin der Greta-Fischer-Schule, ins Flugzeug steigen. Auch Jürgen Rothaug ist dabei. Der ehemalige Musiklehrer hat das Lied "The Rage to Live" komponiert, Anna Andlauer und Wil Boettger haben den Text beigesteuert. Der Titel bezieht sich auf eine Aussage Greta Fischers, dass die Kinder von Indersdorf einen unbedingten Willen zum Überleben zeigten. Das Lied wird bei der Ausstellungseröffnung vorgetragen. Auch Landrat Löwl und Bürgermeister Obesser wollen mitsingen.

Während viele Reiseteilnehmer bis 31. Januar in New York bleiben werden, fliegt der Indersdorfer Gemeindechef schon am 27. Januar zurück. Obesser kann wegen dringender Geschäfte nicht länger bleiben. Denn für Donnerstagabend, 28. Januar, ist die Haushaltssitzung des Gemeinderats angesetzt. Wegen der New-York-Reise des Bürgermeisters, deren Kosten die Gemeinde übernimmt, wurde sie um einen Tag verschoben. Obesser freut sich schon auf den Trip: "Von New York kannte ich bisher nur den Flughafen, auf dem ich bei einer Geschäftsreise gelandet bin."

Das Bayerische Fernsehen zeigt am Montag, 18. Januar, zwischen 18 und 18.45 Uhr einen Film über die Ausstellung in der Abendschau.

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SZ vom 16.01.2016/gsl
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