Süddeutsche Zeitung

Ausgerastet:Mann drischt auf Freundin ein

Amtsgericht verurteilt 35-Jährigen zu einem Jahr Haft auf Bewährung, weil er seine Lebensgefährtin geschlagen hat

Von Christiane Bracht, Dachau

Der Schrecken sitzt noch tief. Und die Angst, dass sie erneut grün und blau geschlagen werden könnte, begleitet eine 20-jährige Dachauerin seit ungefähr eineinhalb Jahren auf Schritt und Tritt. "Sie ist schwer traumatisiert", erklärt ihre Anwältin vor dem Dachauer Amtsgericht. Auch ihre Mutter hat Angst vor dem Ex-Freund der Tochter. Sie wurde Anfang April 2017 ebenfalls Opfer seines gewalttätigen Wutausbruchs.

Beide würden am liebsten den Gerichtssaal gar nicht erst betreten. Es gibt bereits einen richterlichen Beschluss, dass der Angeklagte, ein 35-Jähriger, sich seiner früheren Freundin nicht nähern und auch keinen Kontakt zu ihr suchen darf. Doch am Dienstagmittag sieht es zunächst so aus, als ob ein Aufeinandertreffen unausweichlich wäre: "Ich kann mich nicht ganz erinnern", sagt er. Auf das Nachfragen des Richters, ob es nicht sein könnte, dass ihm vielleicht doch die Hand ausgerutscht sein könnte, antwortet er: "Ich habe sie vielleicht ein bisschen gröber angepackt."

Auch die Bilder in den Akten, auf denen die Frau ein "sauberes Veilchen" hat sowie mehrere Hämatome auf Armen und Rücken, deren Mutter ebenfalls, helfen dem Gedächtnis des Angeklagten nicht weiter. "Sie hat mir die Teekanne auf den Kopf geschlagen, danach war alles schwarz", erklärt er. Erst die Aussicht auf Strafmilderung und das gute Zureden seines Verteidigers stimmt ihn um: Er räumt die Tat ein. "Es tut mir leid, dass so etwas passiert ist", sagt er. Das Gericht verurteilt ihn zu einem Jahr Haft auf Bewährung wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, versuchter Nötigung und Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz.

Der Streit zwischen dem 35-Jährigen und seiner früheren Freundin schwelte offenbar schon länger. Sie unternahm mehrere Anläufe, mit den gemeinsamen Kindern (zwei und drei Jahre alt) auszuziehen. Kurz nach Weihnachten 2016 reagierte der Angeklagte mit einer Ohrfeige, um sie an ihrem Vorhaben zu hindern. Anfang April schloss er sogar die Wohnung ab und steckte den Schlüssel ein. Sie solle morgen früh ausziehen, wenn die Kinder wieder wach seien, erklärte er ihr. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Im Zuge dessen gab sie ihm eine Ohrfeige. Er schlug zurück und rastete dann vollkommen aus.

Doch noch bevor er wahllos auf die 20-Jährige eindreschen konnte, ging die Mutter dazwischen. In seiner Wut stieß er diese zu Boden und traktierte sie mit Fäusten. Die Schläge trafen die 47-Jährige hart am linken Auge und den Armen, die sie schützend vor ihr Gesicht hielt. Die 20-jährige Tochter wusste sich nicht anders zu helfen und schlug ihm eine Teekanne aus Porzellan auf den Hinterkopf. Daraufhin drehte er sich um und nahm sich die junge Frau vor. Seine Fäuste trafen unter anderem das rechte und linke Auge der 20-Jährigen. An ihren Beinen hingen die Kinder, die alles mitbekamen.

Der Gerichtspsychologe attestierte dem Angeklagten eine depressive und emotionale Störung, die seine Steuerungsfähigkeit herabsetzt. Drogen und übermäßiger Alkoholkonsum ließen ihn bei Konflikten schnell "hoch gehen". Es sei möglich, dass er sich nicht mehr erinnere, weil er so in Rage war und die Kontrolle verloren hatte, erklärte der Mediziner. Das Gericht hielt den Angeklagten für vermindert schuldfähig. Die sieben Eintragungen im Vorstrafenregister bestätigen die Diagnose: Körperverletzungen, Doping, Gefährdung des Straßenverkehrs. Damit er künftig kein Geld mehr für Drogen und Alkohol hat, muss der Sozialhilfeempfänger jeden Monat 35 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen. Insgesamt 800 Euro. Ein Verstoß gegen das Annäherungsverbot kann ihn sofort hinter Gitter bringen: Zwei Mal hat er es bereits missachtet durch Facebook-Nachrichten und ein zufälliges Aufeinandertreffen im Bus.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2018
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