„Ich bin noch ganz erfüllt, es war unheimlich eindrucksvoll“, sagt Pfarrer Björn Mensing am Tag nach seiner Rückkehr aus Polen. Etwa 2500 Gäste haben an der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die sowjetische Armee am 27. Januar 1945 teilgenommen. „Das Eindrucksvollste war, dass nur die Überlebenden im Fokus standen“, sagt Mensing, Historiker und Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche an der KZ-Gedenkstätte Dachau.
Staatsoberhäupter und Politiker waren zwar in großer Zahl geladen, aber sie mussten zuhören und schweigen. So hatte es Piotr Cywiński, Leiter der Gedenkstätte Auschwitz, in diesem Jahr entschieden. Und dafür war auch Marese Hoffmann (Grüne), wie sie sagt, „sehr, sehr dankbar“. Die Dachauer Vizelandrätin und Beauftragte für die Partnerschaft mit dem Landkreis Oświęcim hätte es als respektlos empfunden, wenn die Überlebenden auch an diesem besonderen Gedenktag wie so häufig in der zweiten Reihe gestanden hätten. Nur noch 56 Überlebende waren gekommen, vor zehn Jahren waren es noch etwa 250.
Ein besonderes Erlebnis
„Ich gehe davon aus, dass in ihren Stimmen Hinweise und Aufrufe an uns zu hören sind, wie man die Welt gestalten sollte“, hatte Gedenkstättenleiter Cywiński der Presse im Vorfeld der Gedenkfeier gesagt. Wie Hoffmann sagte, bewegte die Gäste denn auch der Auftritt der vier Zeitzeugen: Marian Turski, 98, Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Leon Weintraub, 99, Tova Friedman, 86, Janina Iwańska, 95. Hinter dem Rednerpult stand ein Viehwaggon, der die Deportationszüge symbolisierte, mit denen die Deutschen zwischen 1940 und 1945 ihre Opfer aus ganz Europa verschleppt hatten. 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen wurden in Auschwitz und Birkenau ermordet, darunter etwa eine Million Juden, 140 000 Polen, zehntausende Sinti und Roma sowie Tausende politische Häftlinge. Auschwitz nahe der polnischen Kleinstadt Oświęcim ist zum Synonym für den Holocaust geworden.
Mensing hat Weintraub schon vor zwei Jahren kennengelernt, bei der Gedenkfeier zur Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg am 23. April 1945. Auch in diesem Jahr wolle er kommen, so Mensing. Weintraubs Rede sei „absolut beeindruckend“ gewesen, er, Mensing, werde seine Worte als Redner auf der Demonstration für Demokratie am Sonntag in Dachau-Ost weitergeben. Mensing ist, wie er sagt, von der Gedenkstätte Auschwitz persönlich eingeladen worden. Auch die Dachauer Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann und ihr Stellvertreter Christoph Thonfeld. Zur Landkreisdelegation um Landrat Stefan Löwl (CSU) gehörten auch zwei Vertreterinnen des Kreisjugendrates. Zeitgeschichtsreferent Richard Seidl (Grüne) vertrat die Stadt Dachau. Hoffmann empfand es als eine „große Ehre“, dass die Delegation in das große Zelt durfte – „es war etwas Besonderes, dass wir als Deutsche mit unseren polnischen Kollegen von Oświęcim zu diesem Anlass zusammenkamen und nebeneinander saßen.“
Am Vorabend beeindruckte das Konzert des 40-köpfigen Dachauer Jugendsinfonieorchesters mit dem Orchester der Musikschule Oświęcim im Konzertsaal der Schule. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) lobte in ihrer Rede die Aufführung als ein herausragendes Beispiel deutsch-polnischer Jugendarbeit. „Die Kultur trägt“, sagt Hoffmann.