Ausbildungsbeginn:Ausbildungsbeginn in Corona-Zeiten

Betriebe aus dem Landkreis hadern mit der Frage, ob sie im Corona-Jahr Ausbildungen anbieten sollen. Fast 200 Jugendliche sind noch auf Jobsuche. Im Handwerk bleiben die Azubi-Zahlen stabil - trotzdem herrscht Unsicherheit

Von Jacqueline Lang, Dachau/Röhrmoos

Es scheitere ja schon daran, dass viele Azubis gar nicht eigenständig zur Baustelle oder zum Haus des Kunden fahren könnten, sagt Hermine Peter. Man müsste ihn oder sie also im Firmenwagen mitnehmen. Und wie bitteschön soll im Auto der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden? Ihr jedenfalls sei die Sache zu heikel, sagt die Peter; bei Minderjährigen liege die Haftbarkeit ja immer beim Betrieb. Erstmals seit vielen Jahren hat ihr Elektroinstallationsbetrieb, die Firma Elektro Peter aus Röhrmoos, deshalb von einer Zusage für Azubis absehen müssen - und das, obwohl zwei oder drei vielversprechende Bewerber zur Auswahl gestanden hätten. Peter sagt, sie finde das zwar selbst schade, aber nachdem sie von der Handwerkskammer (HWK) sowie der Bayerischen Industrie- und Handelskammer (BIHK) "im Regen stehen gelassen" worden sei, sehe sie dieses Jahr keine andere Möglichkeit. "Die haben nur gesagt: Halten Sie sich an die geltenden Bestimmungen."

Laut einer Umfrage der BIHK von Anfang Juli ist Hermine Peter mit dieser Meinung und der damit verbundenen Verunsicherung bayernweit aber eher die Ausnahme. "Drei Viertel der befragten Betriebe sagen, dass die Ausbildung trotz Corona normal weiterläuft", sagt BIHK-Präsident Eberhard Sasse. Nur 13 Prozent gäben an, aktuell keine Auszubildenden einzustellen. Lediglich jeder hundertste Betrieb hat bereits für den Herbst abgeschlossene Ausbildungsverträge wieder aufgelöst. Einen "eigenen Ratgeber für den Umgang mit Azubis" habe man daher nicht erstellt, so Mareike Ziegler, Teamleiterin Bildungsberatung bei der IHK für München und Oberbayern, auf Nachfrage.

Die Zahl der registrierten Ausbildungsverhältnisse bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern lassen auf keine Krise schließen: Im Landkreis Dachau starten am 1. September 169 neue Azubis in den Beruf, 2019 waren es zum gleichen Zeitpunkt 168. Das Handwerk ist in der Region ein wichtiger Ausbilder: Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Auszubildenden, die einen Handwerksberuf erlernen, bei 41 Prozent, das hat sich auch durch die derzeitige Situation nicht geändert. Die meisten Lehrverträge im Handwerk wurden im Landkreis Dachau in diesem Jahr bislang in den Berufen Kraftfahrzeugmechatroniker, Elektroniker und Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik geschlossen. "Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz im Handwerk stehen trotz Corona-Krise gut", betont Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs.

Ausbildungsbeginn: Ausbildungsbetriebe wie der von Georg Klotz (links) werden im Landkreis unterstützt.

Ausbildungsbetriebe wie der von Georg Klotz (links) werden im Landkreis unterstützt.

(Foto: Toni Heigl)

Auch Harald Brandmaier sagt, dass die Situation sich "im Wesentlichen" nicht verändert habe. Für viele Jugendliche, die der Teamleiter der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Freising, im Landkreis Dachau betreut, gehe es um dieselben Fragen wie eh und je: Wo liegen meine Fähigkeiten? Passen diese zu meinen Jobvorstellungen? Und wenn ja, gibt es derzeit Ausbildungsangebote in diesem Bereich? Einzig Praktika zur Berufsorientierung, die für gewöhnlich im Sommer stattfinden, seien in diesem Jahr in vielen Fällen ausgefallen.

Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober 2019 meldeten die Unternehmen laut Bundesagentur für Arbeit 496 zu besetzende Ausbildungsstellen. Davon waren im Juli dieses Jahres noch knapp die Hälfte zu vergeben. Im selben Zeitraum nahmen 631 Jugendliche das Beratungsangebot der Dachauer Agentur für Arbeit wahr. Davon haben mittlerweile 444 junge Menschen eine berufliche oder schulische Perspektive, 187 Jugendliche sind derzeit noch auf der Suche.

Zwar beginnt das Ausbildungsjahr offiziell schon am Dienstag, aber Berufsberater Brandmaier sagt, dass es in Ausnahmefällen auch möglich ist, erst zum Jahresende mit der Ausbildung zu beginnen. Gleichwohl könnte durch die Krise auch der Trend der vergangenen Jahre, dass immer mehr Jugendliche weiterführende Schulen besuchen statt eine Ausbildung zu machen, verstärkt werden, so Brandmaier. Doch er will Jugendliche auch ermutigen: "Grundsätzlich hat es immer Sinn, sich zu bewerben."

Ausbildungsbeginn: Harald Brandmaier von der Arbeitsagentur Freising.

Harald Brandmaier von der Arbeitsagentur Freising.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zeichnen ein etwas anderes Bild: Demnach fürchten viele Jugendliche, keinen Ausbildungsplatz zu finden - eine Furcht, die wohl durch die Pandemie noch verstärkt wird. Nach wie vor möchten rund zwei Drittel der Schüler mit niedriger und mittlerer Schulbildung eine Ausbildung machen. Das gelte auch für fast ein Viertel derjenigen mit hoher Schulbildung, heißt es in einer Pressemitteilung des Sozialverbands VdK. Die Bertelsmann-Stiftung fordert als Konsequenz aus ihrer Studie eine "staatliche Ausbildungsgarantie nach dem Vorbild Österreichs". VdK-Präsidentin Verena Bentele macht sich hingegen Sorgen um das Jetzt: "Ich will nicht akzeptieren, dass hier ein verlorener Jahrgang heranwächst."

Der Malermeister Walter Sedlmeier gibt die Schuld dafür, dass es so schwierig ist, einen passenden Azubi zu finden, nicht der Corona-Pandemie, sondern vielmehr den Auszubildenden selbst. Schon seit etwa zehn Jahren fehle es einer Vielzahl an Bewerbern nicht nur an handwerklichen Fähigkeiten, sondern auch "im Kopf". Mit einem sei er für das kommende Ausbildungsjahr derzeit noch im Gespräch, das sei allerdings mühsam, weil der junge Mann nur gebrochen Deutsch spreche. Doch nicht nur das: Sedlmeier zweifelt auch an der Motivation des Bewerbers, denn laut Zeugnis habe er schon mehrere Ausbildungen abgebrochen. Wenn es also am Ende doch nicht passt, dann wird der Dachauer Betrieb zum ersten Mal seit 30 Jahren keinen Azubi einstellen.

Harald Brandmaier will nicht abstreiten, dass es auch faule Azubis gibt, aber einen grundsätzlichen Trend möchte er daraus nicht ableiten. "Ich würde nicht sagen, dass die Jugendlichen immer schlechter werden." Es sei immer ein Zusammenspiel vieler Faktoren und es sei eben auch Aufgabe der ausbildenden Betriebe - ja, eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe" -, die Motivation der Jugendlichen zu wecken. Auch Carolina Trautner ermuntert Firmen, nicht allzu sehr auf Zeugnisse zu schauen. "Bitte suchen Sie nicht nur nach dem perfekten Auszubildenden und schauen Sie nicht nur auf die Schulnoten. Wir alle wissen, junge Menschen wachsen mit ihren Aufgaben", so die bayerische Arbeitsministerin.

Plenarsitzung im Landtag in München

Die bayerische Arbeitsministerin Carolina Trautner.

(Foto: dpa)

Wie unterschiedlich Betriebe die Situation wahrnehmen und wie stark das vom jeweiligen Beruf abhängt, zeigt er Fall von Georg Klotz. Seinen Azubi hat er längst gefunden. Klotz hatte die Qual der Wahl: Rund 12 Bewerber, darunter welche mit Abitur, wollten bei ihm die Ausbildung zum Zimmerer machen. Sein Vorteil im Gegensatz zu weniger angesehenen und begehrten Berufen wie etwa dem des Maler sei, "dass der Zimmererberuf gerade in ist". Ab September, wenn das Ausbildungsjahr offiziell beginnt, hat Klotz dann also sogar ausnahmsweise drei Azubis; zwei im zweiten Lehrjahr und einen im dritten Lehrjahr. Einer der drei macht bei ihm eine Umschulung und ja, ob er das in der aktuellen Lage wirklich machen solle, habe er sich schon kurz überlegt, sagt Klotz. Ob er dafür eine staatliche Prämie bekommt, wenn er weiter ausbildet und sogar mehr als normalerweise? Die Prämien für Azubis, die kämen für ihn nicht in Frage, sagt Klotz. Einfach deshalb, weil sein Betrieb nie stillgestanden habe. "Das wäre schon hilfreich und schön gewesen, aber es geht auch so", sagt Klotz. Noch sei die Auftragslage gut, zumindest für das kommende halbe Jahr mache er sich keine Sorgen.

Außerdem: Eine Investition in eine Ausbildung sei ja immer auch eine Investition in die Zukunft.

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