Auszubildende:"Herausfordernde Daueraufgabe"

Lesezeit: 3 min

Wer einen Ausbildungsplatz sucht, hat momentan die Qual der Wahl. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Immer mehr Ausbildungsbetriebe im Landkreis Dachau haben Probleme, Auszubildende zu finden und müssen deshalb kreativ werden, um von sich zu überzeugen. Denn ohne Nachwuchs droht Fachkräftemangel

Von Julia Putzger, Dachau

Sie werben als Keulenkrieger oder damit, sich die Zukunft selbst zu "backen", rufen Ausbildungsoffensiven aus, werden schlicht nicht müde, die Vorteile einer Ausbildung zu betonen. Und trotzdem: Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen im Landkreis Dachau steigt. Immer mehr Arbeitgeber müssen ohne Azubis auskommen, obwohl sie ihr Wissen gerne an die Jugendlichen weitergegeben hätten. Treiber dieser Entwicklung ist unter anderem die Pandemie, deren Auswirkungen aber zum Glück nicht mehr so stark wie noch vor einem Jahr zu spüren sind.

So klingt die Bilanz, welche die Arbeitsagentur jährlich im Herbst nach dem Beginn des Ausbildungsjahres zieht, zunächst vielversprechend: 527 regionale Betriebe schrieben über die Arbeitsagentur ihre Lehrstellenangebote aus, das sind sogar 15 mehr als im Vorjahr. Die damals geäußerte Befürchtung, dass vor allem kleinere und mittelgroße Betriebe künftig nicht mehr ausbilden, da sie sich dieser Herausforderung in Pandemiezeiten nicht gewachsen sähen, scheint sich somit nicht bestätigt zu haben. Allerdings: Nur 380 dieser Lehrstellen im Landkreis konnten besetzt werden, 147 waren zumindest beim Ausbildungsstart im September noch unbesetzt. Das sind um die Hälfte mehr als vor einem Jahr.

Einer der Dachauer Betriebe, deren Suche heuer vergeblich war, ist die Dachdeckerei und Bau GmbH Thomas Ecker. "Früher war es einfacher, Lehrlinge zu finden", sagt Spenglerin Julia Ecker am Telefon. Doch weniger die Pandemie habe die Suche erschwert. Vielmehr sei schon seit Jahren die Tendenz zu spüren, dass immer mehr Jugendliche auf eine schulische Laufbahn setzten. Auch heuer waren 29 Jugendliche weniger als noch im Vorjahr an einer Ausbildungsstelle interessiert, wie die Arbeitsagentur meldet. Die Konsequenz ist der immer eklatanter werdende Fachkräftemangel: "Das sieht man ja an den Zeiten, die man auf einen Handwerker wartet", weiß auch Julia Ecker. Immerhin: Für nächstes Jahr steht schon fest, dass wieder ein Auszubildender bei Thomas Ecker das Handwerk erlernen wird.

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Wer Interesse an einer Ausbildung hat, wird mit großer Sicherheit auch einen passenden Ausbildungsplatz finden. Lediglich fünf der insgesamt 628 jungen Frauen und Männer, die mithilfe der Berufsberatung der Agentur für Arbeit eine Ausbildungsstelle suchten, waren zu Ausbildungsbeginn noch ohne passendes Angebot. Per Nachvermittlung können sie jedoch theoretisch auch nach Start des Ausbildungsjahrs zum Beispiel eine der vielen unbesetzten Stellen im Landkreis antreten. Ecker gibt jedoch zu Bedenken: "Das ist nicht für jeden geeignet, da fehlen nun doch ein paar Wochen."

Während das Handwerk weiter sinkende Zahlen verzeichnet - 217 Lehrverträge wurden im Landkreis seit Jahresbeginn abgeschlossen, das sind 19 weniger als im Vorjahr - freut sich der Handel über ein leichtes Plus von 25 Ausbildungsverträgen und damit insgesamt 203 neue Auszubildende. Im Trend liegt dabei vor allem der Bereich E-Commerce, der auch an der Dachauer Nikolaus-Lehner-Berufsschule angeboten wird. Besonders um Nachwuchs kämpfen hingegen Fahrzeuglackierer und Metallbauer, wie Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs sagt. Auch die Berufe im Lebensmittelhandwerk haben schon seit Jahren Schwierigkeiten, ausreichend Azubis zu finden. Immerhin bei der Metzgerinnung Dachau-Freising war man heuer erfolgreich: Zehn, und damit gleich doppelt so viele Auszubildende wie im letzten Jahr habe man im Innungsbereich einstellen können, berichtet Innungsmeister Werner Braun. Er setze auf die Jugend - auch wenn es immer schwieriger werde, gute und motivierte Jugendliche zu finden.

Dass jedoch nicht nur das schwindende Interesse der jungen Männer und Frauen ausschlaggebend für die sinkenden Ausbildungszahlen ist, hat auch Metzgermeister Braun längst begriffen: "Ein Lehrling sucht sich heute seinen Betrieb aus." So habe der Azubi, der seit Kurzem unter Brauns Fuchtel steht, fünf weitere Betriebe besucht, bevor er seine Entscheidung getroffen habe. Auch Kreishandwerksmeister Dachs betont, dass man auf der Suche nach Azubis "neue Wege beschreiten" und aktiv für Ausbildungsberufe werben müsse. Nicht zuletzt deshalb haben die Innungen und Berufsvertretungen ihre Onlineauftritte verbessert und versuchen, die potenziellen Azubis mit immer verrückteren Ideen für sich zu gewinnen. Das wohl beste Beispiel dafür ist der "Keulenkrieger" der Metzgerinnung.

Die aktuelle Situation scheint sich also zumindest nicht weiter verschlechtert, sondern stabilisiert zu haben. Doch der Blick in die Zukunft ist es, warum auch Hubert Schöffmann, bildungspolitischer Sprecher des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) sich nur verhalten optimistisch äußert: "Vor allem die sinkende Zahl an Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz ist besorgniserregend. Denn jeder unbesetzte Ausbildungsplatz von heute bedeutet eine fehlende Fachkraft von morgen." Es bleibe deshalb eine "herausfordernde Daueraufgabe" für alle Partner - also die Arbeitsagentur, den BIHK, die Handwerksbetriebe und die Berufsschule - für eine Ausbildung zu werben und deren Attraktivität zu vermitteln.

© SZ vom 18.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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