Süddeutsche Zeitung

Aufruf des CID:Das Vermächtnis

Nicht nur in den Köpfen und Herzen all der Menschen, die ihn kannten, wird Max Mannheimer wohl für immer lebendig bleiben. Er hat auch schon 2009 zusammen mit neun anderen Vertretern internationaler Häftlingskomitees ein schriftliches Vermächtnis hinterlassen, auf das am Donnerstagabend einzig der Zeitzeuge Ernst Grube hingewiesen hat. Dabei sei dieser Aufruf heute aktueller denn je, wie Grube betonte, der als jüdisches Kind 1945 mit seiner Mutter und seinen Geschwistern ins Lager Theresienstadt deportiert worden war. Darin nennen die Überlebenden die ehemaligen Lager "steinerne Zeugen", die Tatorte, internationale Friedhöfe, Museen und Orte des Lernens seien. "Sie sind Beweise gegen Verleugnung und Verharmlosung und müssen auf Dauer erhalten werden." Sie erwarten, "dass die Bundesrepublik und ihre Bürger auch in Zukunft ihrer Verantwortung in besonderem Maße gerecht werden".

Auch für Europa sehen sie eine bisher nicht erfüllte Aufgabe: "Anstatt unsere Ideale Demokratie, Frieden, Toleranz, Selbstbestimmung und Menschenrechte durchzusetzen, wird Geschichte nicht selten benutzt, um zwischen Menschen, Gruppen und Völkern Zwietracht zu säen. Wir wenden uns dagegen, dass Schuld gegeneinander aufgerechnet, Erfahrungen von Leid hierarchisiert, Opfer miteinander in Konkurrenz gebracht und historische Phasen miteinander vermischt werden." Da es die Vertreter der KZ-Überlebenden sehr "schmerzt und empört", dass die Welt wenig "aus unserer Geschichte gelernt" habe, baten sie schon vor sieben Jahren in ihrem Vermächtnis "die jungen Menschen, unseren Kampf gegen die Nazi-Ideologie und für eine gerechte, friedliche und tolerante Welt fortzuführen".

Doch auch wenn Ernst Grube, der nach Max Mannheimers Tod den Vorsitz der Lagergemeinschaft Dachau bis zur Wahlversammlung im Mai 2017 kommissarisch übernommen hat, auf der Bühne als einziger auf das Vermächtnis hinwies, dürfte es doch den vielen Besuchern erhalten bleiben. Es ist auf der Rückseite des Veranstaltungsprogramms abgedruckt.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2016 / w.g.
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