Süddeutsche Zeitung

Dachau:"Das ist so eine kolossale Strafe, wenn man nicht arbeiten darf"

Samba G. kommt aus Mali, aber kann keinen Pass vorlegen. Daraufhin entzogen ihm die Behörden die Arbeitserlaubnis. Ein Gericht entschied nun in seinem Sinne - doch an seinen Job in einer Bäckerei kann er weiterhin nicht zurück.

Von Anna Schwarz, Dachau

In sich gekehrt saß Samba G. am Dienstagmorgen vor dem Sitzungssaal des Gerichts, begleitet wurde er von Erika Langhans vom Helferkreis Asyl Haimhausen. Sie kritisierte: "Für uns alle ist es unverständlich, warum Samba jetzt als Krimineller behandelt wird. Er hat Vollzeit gearbeitet und vier Jahre in unsere Systeme eingezahlt. Ihm die Arbeitserlaubnis zu entziehen, war einfach das falsche Signal."

Über die Zukunft von Samba G. wurde vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt. Der 25-jährige lebt seit rund sechs Jahren im Landkreis, aktuell in der Containerunterkunft in Haimhausen. Bis vergangenen Oktober arbeitete er rund viereinhalb Jahre bei der Bäckerei Polz in Hebertshausen, wohnte in einer Betriebswohnung. Dann wurde seine Arbeitserlaubnis vom Ausländeramt nicht verlängert, da er keinen Pass vorlegen konnte.

Daraufhin klagte ihn die Behörde wegen illegalen Aufenthalts in Deutschland an: Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, dass er seit seinem abgelehnten Asylverfahren im Jahr 2018 illegal im Bundesgebiet aufhält, weil er als Ausländer keinen Pass vorlegen und diesen auch nicht beschaffen konnte. Am Dienstag wurde das Verfahren nun vorläufig eingestellt.

"Es war nicht leicht, einen Pass zu bekommen"

Während des Prozesses versuchte Richter Christian Calame zu klären, ob die bisherigen Bemühungen von Samba G. ausreichten, um das Ausweisdokument zu beschaffen. Der gebürtige Malier erklärte daraufhin: "Es war nicht leicht, einen Pass zu bekommen."

Unter anderem war er 2020 zwei Mal in der malischen Botschaft in Berlin, um eine sogenannte NINA-Nummer zu beschaffen. Diese nationale Identifikationsnummer wird benötigt, um einen malischen Pass zu bekommen. Zudem hat er es 2019 geschafft, seine Geburtsurkunde zu organisieren, mit Unterstützung der Caritas- Asylberatung schrieb er Vertrauensanwälte an und kontaktierte seinen Onkel in Mali, der seine NINA-Nummer oder seinen Pass beschaffen sollte - bislang vergeblich.

Doch einen Reisepass habe Samba G. wohl schon einmal besessen, verlas ein Zeuge und Mitarbeiter des Ausländeramtes in der Verhandlung. Das hatte G. bei einer Anhörung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgesagt. Aber auf dem Schiff von der Türkei nach Griechenland habe er den Ausweis wohl verloren. Außerdem argumentierte der Mitarbeiter des Landratsamtes, dass Samba G. wohl schon einmal eine NINA-Nummer besessen haben müsse, da sie die Grundlage dafür sei, dass ein malischer Pass ausgestellt werde.

Daraufhin hakte Verteidiger Felix Briesenick ein. Er hatte recherchiert, dass die NINA-Nummer erst seit 2013 existiert: "Es ist also möglich, dass der Pass ausgestellt wurde, bevor es die NINA-Nummer gab." Des weiteren erklärte der Mitarbeiter des Ausländeramtes, dass G. die NINA-Nummer über ein anderes System beantragen könnte, in dem man sich mit einer Geburtsurkunde registrieren könne. Doch über diese Möglichkeit habe die Behörde den Angeklagten bislang nicht schriftlich informiert.

Anschließend zählte Asylhelfer Peter Barth aus Hebertshausen auf, wie er mit Samba G. versucht hat dessen Pass zu beschaffen: Unter anderem seien Briefe an die malische Botschaft in Berlin und den Honorarkonsul der Republik Mali in München Helmut Schmidt geschrieben sowie der Vorsitzende des Vereins der Malier in Bayern kontaktiert worden. Zudem habe Barth unzählige Male mit dem Onkel von Samba G. in Mali gesprochen - per Email und WhatsApp. Barth: "Er hat zu mir gesagt: Sie kennen Afrika nicht. Um die NINA-Nummer zu bekommen, brauche ich Geld." Also sammelte Barth Spenden und überwies 530 Euro an den Onkel. Doch bislang hat es auch auf diesem Weg mit dem Pass nicht geklappt.

Wie engagiert Samba G. bei der Passbeschaffung mitwirkte, erklärte danach auch eine ehemalige Mitarbeiterin der Caritas-Asylberatung: "Wir haben uns circa 27 Mal getroffen und es ging vor allem darum Passersatzpapiere zu beschaffen", sagte sie. Gemeinsam organisierte sie mit Samba G. die Termine in der malischen Botschaft, kontaktierte den Onkel und konnte so die Sterbeurkunde des Vaters beschaffen. Ihr Fazit: "Wir hatten sehr viele Termine und er hatte ein gesteigertes Interesse den Pass zu bekommen. Er war auf jeden Fall ein Klient, der in dieser Sache sehr viel getan hat."

Dies erkannte auch Richter Calame an und schlug vor, dass Verfahren einzustellen - unter der Auflage, dass G. im kommenden halben Jahr dem Gericht monatlich darüber berichtet, wie er mit der Passbeschaffung vorankommt. Für den 25-Jährigen bedeutete das eine große Erleichterung nach dem Prozess. "Alles gut", fasste er die Verhandlung kurz zusammen und lächelte ein wenig.

Arbeiten darf er allerdings weiterhin nicht. Barth kritisierte das scharf. Vor dem Sitzungssaal kam ein Teil der Prozessbeteiligen nochmal zusammen. Mit aufgeregter Stimmte sagte Barth zu dem Mitarbeiter des Ausländeramtes: "Das ist so eine kolossale Strafe, wenn man nicht arbeiten darf. Da verkümmert man doch total. Ich werde alles dafür tun, dass wir den Pass bekommen."

G.s Unterstützer wollen die Zusage, dass der Malier nicht abgeschoben wird, wenn er seinen Pass vorlegt

Demnächst will er nochmal ein Gespräch mit Landrat Stefan Löwl (CSU) führen. Denn 2020 verhandelten Barth und Löwl schon einmal im Fall Samba G., mit am Tisch saßen Hebertshausens Bürgermeister Richard Reischl (CSU) und Bäckermeister Thomas Polz. Damals wurde G. zugesichert, dass er eine Beschäftigungsduldung von zweieinhalb Jahren bekommt, wenn er an einer weiteren Identitätsklärung arbeitet. Barth sagt: "Es ist gut, dass das Strafverfahren jetzt weg ist", trotzdem bleibe noch einiges zu erklären.

Verteidiger Briesenick hat empfohlen, beim Landratsamt eine Ermessensduldung für Samba G. zu beantragen, damit er wieder arbeiten darf. Diese kann vom Ausländeramt erteilt werden, "wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern", später könnte eine Beschäftigungsduldung genehmigt werden. Außerdem möchte Barth mit Löwl folgendes klären: "Ich brauche die Zusage, dass Samba nicht abgeschoben wird, wenn er einen Pass bekommt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5515211
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jala
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.