In der DDR-Agentenserie „Kundschafter des Friedens“ war er so etwas wie der James Bond des Ostens. Im Westen hätte er Dr. Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik werden können, spielte aber lieber Fassbinder-Filme. Später legte er auch noch eine steile Karriere in Hollywood hin. Was weniger bekannt ist über Armin Mueller-Stahl: Er ist nicht nur ein international renommierter Schauspieler, er ist auch Musiker, Schriftsteller – und ein exzellenter Maler. Davon kann sich nun jeder selbst überzeugen, ein Teil seines Œuvres ist derzeit im „KA7“ in der Dachauer Altstadt zu sehen.
Allein der prominente Name hat schon so viele Besucher in die kleine Galerie gelockt, dass sich Kurator, Josef Lochner entschlossen hat, die Ausstellung bis Mitte Mai zu verlängern. Es gibt ja einiges zu sehen, Lochner und der Dachauer Künstler Gerhard Niedermair haben Armin Mueller-Stahl kürzlich in seinem Haus in Sierksdorf an der Ostsee besucht, der Zeitpunkt hätte günstiger kaum sein können: Armin Mueller-Stahl, mittlerweile 94 Jahre alt, hat daheim noch einmal alle seine Werke um sich versammelt, derer er habhaft werden konnte, auch die, die zuvor eingelagert gewesen waren. „So konnten wir aus dem Vollen schöpfen“, sagt Josef Lochner.
Es müssen nicht immer Documenta-Künstler sein
Rund 150 Arbeiten aus den vergangenen 25 Jahren sind im „KA7“ zu sehen. Auf 50 Quadratmetern macht das eine sagenhafte Quote von drei Bildern pro Quadratmeter. So viel Platz gibt es an den Wänden freilich nicht, es lohnt daher, sich durch die Kunstkrippe zu blättern. Neben Druckgrafiken, Radierungen, Lithografien, Siebdrucken und Giclée-Prints – hochauflösenden Tintenfarbdrucken des digitalisierten Originals – haben es auch knapp 30 Unikate in die Ausstellung geschafft. Sogar den heiß begehrten, kaum mehr verfügbaren Farbsiebdruck mit dem Konterfei von John Lennon kann man hier bestaunen.
In der mehr als fünfjährigen Geschichte seiner Galerie in der Konrad-Adenauer-Straße 7 hat Josef Lochner ausschließlich Künstler präsentiert, die schon mal auf der „documenta“ zu sehen waren. Armin Mueller-Stahl war in dieser weltweit bedeutendsten Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst noch nie vertreten, aber das ist Josef Lochner egal. „Ich finde seine Kunst interessant.“ Manche Bilder erinnern in ihrer neoexpressionistischen Manier an Markus Lüpertz, aber eigentlich sind solche Etiketten gar nicht so wichtig, nicht bei Armin Mueller-Stahl.
Malen sei wie fliegen, sagt Armin Mueller-Stahl
Lange Zeit hat er die Malerei ganz für sich allein betrieben, nur wenige wussten überhaupt davon. Das ermöglichte ihm maximale Freiheit und tut es immer noch. Für ihn sei malen wie fliegen, sagt er gerne, „wie ein Vogel“ fühle er sich dann. Die Bandbreite seiner Arbeiten ist enorm, sie reicht von Zeichnungen, die er mit flottem Strich aufs Papier wirft, bis hin zu Porträts, die ihre Intensität aus der Reduktion aufs Wesentliche ziehen. Das ist die Kunst, beim Malen wie beim Schauspiel, dass alles leicht wirkt, man landet sonst schnell beim Manierismus oder beim Overacting.
Von Armin Mueller-Stahl findet man in der Ausstellung eine Farbradierung des Taj Mahal, solche Motive haben Seltenheitswert, bei ihm geht es fast immer um den Menschen, um das Individuum, aber auch um die Figuren und Gesichter der kollektiven Erinnerung. Viele Motive stammen aus Filmen und Bühnenstücken, Marlene Dietrich im Outfit der „feschen Lola“ oder ein finsterer Vogel, der Alfred Hitchcock die Idee für den nächsten Horrorfilm ins Ohr zwitschert.







In der Reihe „Selbst in“ tritt Mueller-Stahl, der Name sagt es schon, selbst in Erscheinung. Man folgt dem Schauspieler mitten hinein ins Szenenbild, als Page Cherubin des Grafen Almaviva erscheint er unter breitkrempigem Hut auf einem Bild in Acryl. Auf dieses großformatige Exponat ist Josef Lochner besonders stolz, das Unikat hat einen Ehrenplatz an der Wand, ganz zentral, eingerahmt von zwei dekorativen Halbsäulen. Der Titel ist im Bild integriert, das macht er oft, geradeso als wollte er sich in die Geschichte einschreiben.
Mueller-Stahl begreift seine verschiedenen künstlerischen Disziplinen wie ein Spektrum der Ausdrucksmöglichkeiten: „Da, wo die Schauspielerei aufhört, beginnt das Schreiben. Da, wo das Schreiben aufhört, beginnt die Malerei. Und da, wo die Malerei aufhört, beginnt die Musik.“ Eigentlich sah Mueller-Stahl sich zum Musiker berufen. Mit sechs bekam er seine erste Violine, am Konservatorium in Berlin ließ er sich zum Konzertgeiger ausbilden, und wäre sein Vater nicht selbst begeisterter Laiendarsteller gewesen, wäre Armin Mueller-Stahl wohl nie auf die Idee gekommen, sich als Schauspieler auszuprobieren, einfach mal so, aus Interesse.
„Lieber ein Knick in der Karriere als im Rückgrat.“
Die Vielzahl seiner Talente verdankt er seinem kulturbeflissenen Elternhaus, doch es ist keine unbeschwerte Kindheit. 1930 in Tilsit in Ostpreußen geboren, lernt er im Zweiten Weltkrieg schon früh Gewalt, Vertreibung und Heimatlosigkeit kennen, der Vater starb am 1. Mai 1945 in einem Lazarett. Im neuen Staat, der DDR, steigt Armin Mueller-Stahl bald zum Publikumsliebling auf. 1976 dann die Zäsur: Er unterzeichnet eine Protestresolution gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Das tun viele, aber als der Staat mit Repressionen droht, machen viele wieder einen Rückzieher. Mueller-Stahl nicht. Er bekommt Berufsverbot, seine Entscheidung bereut er nicht: „Lieber ein Knick in der Karriere als im Rückgrat.“
Haltung ist etwas, das gerade in diesen Zeiten nottut, und Armin Mueller-Stahl bringt diese Haltung auch in der Kunst zum Ausdruck. Sein Bilderzyklus „Meine jüdischen Freunde“ ist eine Hommage an jüdische Persönlichkeiten, die Europas Kultur und Identität mit ihrem Geist, ihrem Humanismus und ihrer Weltoffenheit geprägt haben. „Es sind Wiederbegegnungen mit Leuten, die noch immer in der Nähe sind, obwohl sie schon gegangen sind“, so Mueller-Stahl, Franz Kafka etwa oder Karl Marx, aber es sind nicht nur Geistesgrößen, die man nur aus dem Bücherschrank kennt.
Als der junge Armin Mueller-Stahl am Konservatorium in Berlin Geige studiert, hört er das Konzert eines Mannes von geradezu verstörendem Talent. Es ist Yehudi Menuhin. 1947 ist er einer der ersten jüdischen Künstler, die nach dem Ende der Nazi-Diktatur wieder in Berlin auftreten. Yehudi Menuhin macht sich stark für Frieden und für die Überlebenden des Holocaust. Auf Armin Mueller-Stahls Gemälde sieht man das musikalische Genie im Vordergrund beim Geigenspiel, doch selbst dieses wirkt klein gegen die in hellem blau erstrahlende Figur im Hintergrund. Yehudi Menuhins Menschlichkeit überstrahlt selbst seine Kunst. Wem es gelingt, so eine Rolle in der Welt zu spielen, ist ein wahrhaft Großer.
Armin Mueller-Stahl, Ausstellung in der Galerie „KA7“ bis 18. Mai. Öffnungszeiten: Donnerstag: 16 - 19 Uhr, Samstag: 12 bis 15 Uhr, Sonn- und Feiertage: 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung, Telefon 08131/66 78 18 oder 0162/45 59 699.