Anwohner üben heftige Kritik:Misstrauen in Gutachten

Bürgerinitiative wirft Stadt bei Planung des Seeber-Geländes "Schönfärberei" vor. Bauamtsleiter Michael Simon wehrt sich

Von Viktoria Großmann, Dachau

Gleich dreimal war der Verkehr auf der Schleißheimer Straße Thema im Dachauer Bau- und Planungsausschuss in dieser Woche. Mit sehr unterschiedlichen Bewertungen: So sehen Verwaltung, Oberbürgermeister und die Mehrheit der Stadträte die Zunahme des Verkehrs, der sich durch die Neubesiedlung des ehemaligen Seeber-Geländes ergeben wird, als verträglich an. Als zuviel hingegen empfinden OB Florian Hartmann (SPD), das Bauamt und knapp die Hälfte der Stadträte den zunehmenden Verkehr durch das wachsende Wohnviertel, das direkt angrenzt und sich zwischen Theodor-Heuss-Straße und Seeber-Gelände ausbreitet. Einhellig schließlich werden die Karlsfelder Pläne für ein Gewerbegebiet östlich der Bajuwarenstraße abgelehnt. "Die Karlsfelder sehen ja selbst an ihrem Gutachten, dass die Straßen den Verkehr nicht mehr aufnehmen können", sagte Hartmann. Das Karlsfelder Gewerbegebiet sollte eine Fläche von etwa 7,2 Hektar umfassen. Die Gewerbefläche auf dem Seeber-Gelände an der Schleißheimer Straße soll etwa 6,4 Hektar groß sein. Die Gemeinde Karlsfeld wiederum lehnt die Dachauer Planungen ab.

Kein Wunder, dass bei diesem wiederkehrenden und immer selben Thema, bei dem Gutachter aber zu verschiedenen Schlüssen kommen, letztlich die Gutachten in die Diskussion gerieten. Die Bürgerinitiative, die Anwohner des Gewerbegebiets gegründet haben, wirft der Stadt "Schönfärberei" vor und sogar, dass sie nach einem ersten Gutachten ein weiteres beauftragt habe, um das erste zu "optimieren". Stadtbauamtsleiter Michael Simon sprach von einem neuen und wachsenden Misstrauen in fachliche Expertisen. In der Diskussion um die Wohnbebauung an der Schleißheimer Straße musste er sich vorwerfen lassen, selbst den Gutachten nicht zu vertrauen. Aus seiner Sicht, der sich OB Hartmann anschließt, sind an den sogenannten Augustenängern höchstens 100 Wohneinheiten verträglich. Laut Gutachten sind bis zu 150 möglich. "Wir bewerten das anders", erklärte Simon. "Unsere Abwägung geht zugunsten des Rad- und Fußverkehrs." Der Radweg werde durch die Zufahrten zu den Wohnhäusern "zerstört", kritisierte Verkehrsreferent Volker C. Koch (SPD). "Es wäre gut gewesen, das Gebiet über die Theodor-Heuss-Straße zu erschließen." Die SPD und andere Fraktionen hatten einen Bebauungsplan für das Gebiet gefordert, um seinem Wachstum von vornherein Einhalt zu gebieten, die Erschließung zu regeln und den Investor über die sozialgerechte Bodennutzung an Erschließungskosten zu beteiligen. Die CSU hatte einen Bebauungsplan - der sogar mehr Baurecht geschaffen hätte - immer abgelehnt. Eine knappe Mehrheit lehnte nun auch die Erschließungssatzung für die Augustenänger ab. Der Weg für bis zu 150 Wohnungen ist frei.

Die Präferenzen von Verwaltung, OB und SPD sind eindeutig: Gewerbe vor Wohnen, wobei die geringen Gewerbeflächen so effizient wie möglich genutzt werden sollen. Investoren, die Wohnungen schaffen, sollen hingegen so viel wie möglich an Infrastrukturkosten beteiligt werden.

Ungelöst von allen Seiten bleibt die Verkehrsfrage. Die Schleißheimer Straße wird noch mehr belastet werden. Wie aber sieht die Lösung aus? Die Straße kann nicht verbreitert werden. Stadträte verschiedener Fraktionen mahnen immer wieder zum Umstieg auf Bus und Fahrrad. Dass nur lokal begrenzt gedacht wird, kann man Stadtbauamt und Oberbürgermeister jedenfalls nicht vorwerfen. Im Gegenteil. Im selben Bauausschuss wurde über das Büro entschieden, das für die Stadt ein räumliches Leitbild konzipieren soll. Ein neuer Flächennutzungsplan soll festlegen, wo und wie überhaupt Dachau noch wachsen kann.

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