Anlage für viereinhalb Millionen Euro:Am Ende eines langen Weges

Mehr als ein Jahrzehnt stellte sich der Freistaat taub, jetzt endlich wird der verwahrloste Parkplatz der KZ-Gedenkstätte Dachau neu gebaut. Nun befürchten Anlieger Lärm und Abgase der Reisebusse mit Besuchergruppen. Auch dieses Problem wollen die Beteiligten lösen

Von Helmut Zeller, Dachau

Es war ein langer Weg. Neun Jahre nach der Eröffnung des Besucherzentrums der KZ-Gedenkstätte Dachau wird der verwahrloste Parkplatz neu angelegt. Damit ist dann der letzte ausstehende Teil der 1996 begonnen Neugestaltung des Gedenkorts abgeschlossen. In diesen Tagen wurden auf dem 30 000 Quadratmeter großen Areal an der Pater-Roth-Straße und der Alten Römerstraße bereits alle Bäume gefällt und Büsche entfernt. Auch wenn gedenkstättenpädagogische Fragen und die historische Forschung ungleich bedeutsamer sind - der infrastrukturelle Ausbau ist notwendig. Die Gedenkstätte zählt jährlich fast eine Million Besucher, sie ist nach Auschwitz die meist besuchte in Europa. Den Zustand des Parkplatzes fasst Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag, so zusammen: "Das ist nun wirklich keine Visitenkarte für eine KZ-Gedenkstätte."

Der Parkplatz weist aufgesprungene Beläge auf, Auffüllungen bis zu drei Meter Tiefe und ist mit Kratern überhäuft. Das Gelände hat sich auf einem großen Teil abgesenkt und kann nicht mehr genutzt werden. Bei Regen steht das Wasser in den Löchern, im Winter müssen sich die Besucher auf eine Rutschpartie einstellen, wenn sie zum Besucherzentrum auf der gegenüberliegenden Seite der Pater-Roth-Straße gelangen wollen. Das Areal soll nun nach Westen zur Würm hin vergrößert werden. Künftig wird es Platz für 225 Auto-Stellplätze sowie 42 Reisebusse bieten; bisher können nur 32 Busse und 150 Pkws abgestellt werden. Auf dem Parkplatz entstehen Toilettenanlagen sowie ein Informations- und Kassenhäuschen. Neue Bäume werden gepflanzt. Ganz wichtig: Das gesamte Areal soll barrierefrei gestaltet werden. "Latz und Partner" aus Kranzberg bei Freising haben den Auftrag übernommen. Dieses Büro hatte zusammen mit dem Architekten Florian Nagler 2009 das Besucherzentrum der Gedenkstätte entworfen.

Anlage für viereinhalb Millionen Euro: Wie schon einmal vor vielen Jahren gelangen die Besucher, die mit Reisebussen ankommen, zeitweise durch dieses Tor im Süden in die KZ-Gedenkstätte

Wie schon einmal vor vielen Jahren gelangen die Besucher, die mit Reisebussen ankommen, zeitweise durch dieses Tor im Süden in die KZ-Gedenkstätte

(Foto: Toni Heigl)

Die Landschaftsarchitekten wollen eine ästhetische Einheit mit den Bestandsflächen bilden und bei der Einfahrt bereits auf den Gedenkstättenbesuch vorbereiten. Das Konzept steht unter einem Leitgedanken: Von der Zufahrt zum Parkplatz über die Alte Römerstraße bringt ein schnurgerader Fußweg die Besucher zur kleinen Brücke, von der es dann weiter über die Pater- Roth-Straße zum Besucherzentrum geht. Die Magistrale teilt das Gelände in einen größeren Teil für Pkws und einen schmalen für die Reisebusse, die künftig in einer Reihe parallel zur Pater-Roth-Straße parken werden - direkt gegenüber der Siedlung.

Und darin sehen die etwa 30 Familien ein Problem: Sie befürchten eine hohe Belastung durch Abgase und Lärm, zumal die Fahrer der Reisebusse häufig die Motoren laufen lassen. Früher standen die Busse weiter hinten auf dem Gelände. Das wurde auf einer Anwohnerversammlung deutlich, zu der die Gedenkstätte und das Staatliche Bauamt Freising eingeladen hatten. So weit, so gut, wären da nicht die Bedenken einiger Anwohner der Siedlung an der Pater-Roth-Straße. "Wider Erwarten", sagt Stadtrat Wolfgang Moll (parteifrei), hätten die Anlieger Bedenken geäußert. Moll selbst war dabei. Er wurde als Anlieger, wie er sagt, von der KZ-Gedenkstätte und dem Staatlichen Bauamt Freising eingeladen. Wolfgang Moll ist Vorsitzender des TSV 1865, dem ein im Süden an den Parkplatz angrenzendes Grundstück gehört. Die Anlieger hoffen nun auf Unterstützung durch die Stadt. Vielleicht würde die Errichtung einer transparenten Schutzwand vor der Busreihe das Problem lösen, meinen sie.

Anlage für viereinhalb Millionen Euro: Zwei Jahre dauert die Bauzeit an.

Zwei Jahre dauert die Bauzeit an.

(Foto: Toni Heigl)

Deshalb war es auch unglücklich, wie Moll sagt, dass kein Vertreter der Stadt an der Anliegerversammlung teilgenommen hatte. Denn dann, so Moll, hätte man doch die Angelegenheit gleich schlichten können. Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ist gar nicht amused, allein schon deshalb, weil er erst im Bauausschuss am Dienstag von Wolfgang Moll erfuhr, dass am Freitag zuvor dieses Anliegertreffen stattgefunden hatte. Alle waren dagewesen, Vertreter des Staatlichen Bauamts, der Gedenkstätte, des Architekturbüros - nur eben keiner der Stadt Dachau. Denn die war nicht eingeladen, wie Hartmann sagte. "Normalerweise werden wir zu einem solchen Treffen gebeten. Das wäre auch nur vernünftig, dass man sich abstimmt."

Stiftungsdirektor Freller bedauert das, wie er sagt, allerdings sei die Stiftung außen vor. "Die Abwicklung des Projekts liegt unmittelbar bei der KZ-Gedenkstätte." Für Hartmann ist das eine Frage des Stils. Und bei einem Projekt dieser Größenordnung, das auch in das Stadtbild eingreift, will er schon mit eingebunden sein. "Bis auf diesen Lapsus", sagt Moll, sei die Versammlung mit den Anliegern aber super abgelaufen. Die Stadt habe den Neubau des Parkplatzes ja auch schon genehmigt. Bauamt und Gedenkstätte hätten eine sorgfältige und gute Arbeit geleistet. Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann erklärt dazu: "Die KZ-Gedenkstätte wird mehrere Informationsveranstaltungen anbieten, zu der selbstverständlich der Oberbürgermeister eingeladen wird. In einer kleineren Veranstaltung wollte die Gedenkstätte vor Beginn der Vorbereitungsarbeiten die Fragen der Anwohner beantworten."

Anlage für viereinhalb Millionen Euro: Später wird aus dem Tor der Personaleingang.

Später wird aus dem Tor der Personaleingang.

(Foto: Toni Heigl)

Deren Vorbehalte, so Gabriele Hammermann, nehme die KZ-Gedenkstätte "sehr ernst". Die Planer sorgten durch eine starke Begrünung der Fußgängerallee, der Parkbuchten und des Gesamtareals für ausreichend Ausgleichsflächen. "Lärm- und Abgasbelastung sollten dem jetzigen Zustand entsprechen." Hammermann erklärt, dass sich die Situation für die Anwohner sogar verbessern werde: "Wenn die Besucher auf dem zukünftigen Parkplatz ausreichend Parkmöglichkeiten finden, entfällt das unrechtmäßige Parken auf den Anwohnerparkplätzen in der Pater-Roth-Straße, das die Anwohner immer gestört hat."

Es sei eine großartige Sache, sagt Moll. Gedenkstätte und Stiftungsdirektor Freller haben seit 2012 für die Sanierung des Besucherparkplatzes gestritten. Anläufe hatte schon sein Vorgänger Andreas Heldrich unternommen, der die Stiftung von 2004 an bis zu seinem Tod im Jahr 2007 geleitet hat. Aber das Projekt war von den zuständigen Ministerien lange Zeit auf Eis gelegt worden. Die Diskussion darüber kam Anfang 2016 durch den Streit um die Dokumentationsstätte Obersalzberg, Hitlers ehemalige Sommerresidenz, in Bewegung. Die Staatsregierung wollte deren Ausbau trotz einer Kostensteigerung von 14 auf 21 Millionen Euro. Dachau sollte wieder einmal im Regen stehen bleiben. Nach Protesten von Holocaust-Überlebenden und Berichten der SZ sprach Ministerpräsident Horst Seehofer ein Machtwort: Viereinhalb Millionen Euro wurden im Haushaltsentwurf 2017/18 eingeplant.

Anlage für viereinhalb Millionen Euro: Ziemlich viel Holz: Eine Firma hat den Parkplatz der KZ-Gedenkstätte an der Pater-Roth-Straße in dieser Woche abgeholzt.

Ziemlich viel Holz: Eine Firma hat den Parkplatz der KZ-Gedenkstätte an der Pater-Roth-Straße in dieser Woche abgeholzt.

(Foto: Toni Heigl)

Aber bei diesen Bauarbeiten, die zwei Jahre dauern, bleibt es nicht. Der Personaleingang an der Alten Römerstraße wird verlegt - zum jetzt geschlossenen Tor am Wachturm im Süden des Geländes. Vor Jahren gelangten die Besucher durch diesen Eingang in die Gedenkstätte. Erst 2005 wurde - zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers am 29. April 1945 - der Eingang am historischen Jourhaus ermöglicht, durch den die Häftlinge ins Lager gehen mussten. Während des Parkplatzneubaus werden die Besucher, die mit Reisebussen ankommen, zum künftigen Personaleingang gebracht - die Busse fahren dann auf den Parkplatz des Leitenbergs und warten dort, bis sie nach dem Rundgang telefonisch zurückgerufen werden.

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