Andrang in der Gemeinderatssitzung:Wohnen an der S-Bahn

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Am sogenannten Prinzenpark möchten die Eigentümer Wohnhäuser und ein Hotel errichten. Die Nachfrage nach Gewerbeflächen sei zu niedrig. Auch ein Supermarkt lohne sich erst, wenn mehr Menschen zuzögen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Ein Hotel mit Dachterrasse, unten Geschäfte, so stellt sich Erl & Streicher die Zukunft auf dem fünf Hektar großen Gelände am Bahnhof vor. Visualisierung: Erl Immobiliengruppe (Foto: N/A)

Die große Brachfläche am S-Bahnhof mit dem klangvollen Namen Prinzenpark ist den Karlsfeldern schon lang ein Ärgernis. Besonders denen, die westlich der Bahn wohnen. Denn der Investor, die Erl&Streicher Bau- und Projektentwicklungsgesellschaft aus Deggendorf, hatte der Gemeinde auf dem etwa fünf Hektar großen Areal blühende Gewerbelandschaften versprochen. Unter anderem sollte dort ein kleiner Supermarkt entstehen und andere Geschäfte, die den Alltag der Anwohner in dem Gebiet erleichtern. Doch außer einem Komplex für Betreutes Wohnen ist bislang nichts gebaut worden. Umso größer war am Donnerstagabend das Interesse der Anwohner, als die Gesellschaft ihre neuesten Pläne im Gemeinderat vorstellte. Die Verwaltungsmitarbeiter schleppten von überall Stühle herbei, damit niemand stehen musste. So einen Andrang hat das Gremium selten erlebt.

Das neue Konzept

Nur wenn die Gemeinde das Gesamtkonzept akzeptiere, könne es verwirklicht werden, beharrte der Investor anfangs. Später zeigte sich Erl kompromissbereiter. Visualisierung: Erl Immobiliengruppe (Foto: N/A)

Fünf größere Baukörper hat die Firma Erl &Streicher Bau- und Projektentwicklungsgesellschaft auf dem Areal um das Betreute Wohnen herum vorgesehen. Auf 12 900 Quadratmetern soll entlang der S-Bahnlinie ein vierstöckiges Hotel mit Dachterrasse entstehen. Im Erdgeschoss könnte ein Supermarkt eingerichtet werden, sowie ein Backshop und vielleicht ein Café, sagt Wolfgang Haider, kaufmännischer Leiter der Erlbau GmbH. Baubeginn wäre noch dieses Jahr, sollte die Gemeinde das Gesamtkonzept billigen und den Bebauungsplan entsprechend ändern.

Zwischen Betreutem Wohnen und Hotel wünscht der Investor eine ähnlich große Pflegeeinrichtung. Im Erdgeschoss könnte eine Tagespflege untergebracht werden, sowie eine Kita, darüber vier Stockwerke stationäre Pflege und dann noch zwei Stockwerke Intensivpflege. "Das passt sehr gut ins Gebiet. Wir haben viel Bedarf", erklärt Haider den staunenden Gemeinderäten. Eine solche Einrichtung war bislang nicht auf dem Gelände vorgesehen. Baubeginn könnte in zwei Jahren sein.

Direkt gegenüber dem Bahnhof, neben dem Hotel plant Erl&Streicher ein etwa 11 000 Quadratmeter großes Parkhaus mit Büros und Praxen. Im Erdgeschoss könnte ein kleiner Kiosk eingerichtet werden, so Haider. Den hatten die Karlsfelder sich am Bahnhof ja immer gewünscht. Auch an eine Toilettenanlage für die S-Bahnkunden habe man gedacht. Insgesamt würden auf dem Quartier inklusive aller Tiefgaragen unter den Gebäuden und dem Parkhaus bis zu 660 Parkplätze entstehen, allerdings nur, wenn man den zehn Meter breiten Streifen überbaut, der ursprünglich frei bleiben sollte. "Teile des Parkhauses wären für die öffentliche Nutzung", erklärt Haider. Als Baubeginn avisiert er den Herbst 2022.

In zwei weiteren Gebäuden wünscht Erl&Streicher Wohnungen unterzubringen, insgesamt etwa 180. Das kleinere soll direkt vor dem Betreuten Wohnen stehen. Damit die Mieter oder Eigentümer gut abgeschirmt sind, will man zur S-Bahntrasse hin noch einmal auf etwa 6000 Quadratmetern Büros, Praxen und vielleicht Läden errichten (Baubeginn 2023). Das größere Gebäude mit insgesamt 25 000 Quadratmetern Fläche ist hinter dem Parkhaus geplant. Etwa zwei Drittel der Fläche ist für stilles Gewerbe vorgesehen, der hintere Teil (knapp 8500 Quadratmeter) für Wohnungen. Baubeginn wäre 2025. "Wir stellen uns urbanes Wohnen, Leben und Arbeiten vor", erklärte Haider.

Der Grund für die Umplanung

Bauunternehmer Alois Erl (zweiter von links) (Foto: Claus Schunk)

"Mitte 2014 haben wir den Grund erworben und lange nach Nutzern für das Gelände gesucht. Es war härter als wir dachten", erklärte Haider. Sowohl der Gemeinde, als auch den Käufern des Betreuten Wohnens hatte der Investor einen Supermarkt versprochen. "Aber wir haben auf Granit gebissen. Der Nahversorger fordert mehr Kunden im Einzugsgebiet." Die großen Handelsketten Edeka und Rewe hätten sofort abgesagt und auch die übrigen zögen entlang der Bahn eine imaginäre Linie. Doch jetzt habe die Allgäuer Lebensmittelkette Feneberg Interesse bekundet, sofern auf dem Areal noch Wohnungen entstünden. Sie betreiben laut Haider insgesamt 76 Märkte und bieten auch Bioqualität an. Für die vielen Büros, die ursprünglich auf den fünf Hektar geplant waren, habe man nicht genügend Interessenten finden können, berichtete der Investor. Schwer habe man sich auch mit den geforderten Parkplätzen getan. Ursprünglich war eine dreistöckige Tiefgarage vorgesehen gewesen. "Das ist nur schwer realisierbar, einerseits aus wirtschaftlichen Gründen, andererseits aber auch wegen des hohen Grundwasserspiegels", erklärte Haider. Ein Parkhaus dagegen entlaste die Verkehrssituation an der S-Bahn, wo zu wenig Stellplätze für Autos seien.

Die Forderung an die Gemeinde

Um das neue Konzept realisieren zu können, müsste die Gemeinde Karlsfeld den Bebauungsplan ändern. Bislang war der Prinzenpark als Standort für Büros und Verwaltung vorgesehen. Die Gemeinde wollte Platz für Gewerbetreibende schaffen. Das Betreute Wohnen sollte eine Ausnahme im Sondergebiet sein. Doch nun will der Investor auf knapp 17 000 Quadratmetern neue Wohnungen bauen. Das würde wegen der Emissionen vermutlich auch eine Änderung der Gebietskategorie nach sich ziehen. Pflege und Kindertagesstätte müssten erst erlaubt werden. Auch für die Errichtung eines Parkhauses bräuchte der Investor eine Genehmigung. Außerdem will Erl & Streicher eine Befreiung vom Stellplatzschlüssel für das Hotel. Derzeit müsste für jedes Zimmer ein Parkplatz nachgewiesen werden. "Dazu ist keiner bereit", erklärte Haider. "Wir brauchen eine Reduzierung." Am liebsten um die Hälfte. Für das von der Gemeinde gewünschte Gewerbe bliebe nur 44 Prozent der Fläche.

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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