Amtsgericht:Vier Monate Gefängnis für Exhibitionisten

Der 34-Jährige verbrachte wegen anderer Vergehen schon vier Jahre in Haft. Verzweifelt bittet er das Gericht um Schonung

Von Benjamin Emonts, Dachau

Der 34-jährige Angeklagte vor dem Amtsgericht Dachau blickt auf ein kaputtes Leben zurück. Schulisch hatte es der gebürtige Dachauer ohnehin immer schwer, erst nach zehn Jahren Förderschule erhielt er einen Hauptschulabschluss. Nach einem Autounfall im Dezember 2002, bei dem er der Fahrer war, starb sein Freund auf dem Beifahrersitz und er selbst lag sechs Monate im Koma. Der Angeklagte war traumatisiert und fühlte sich allein gelassen. Seine schlechten Gefühle bekämpfte er fortan mit Marihuana, das er immer wieder auch an Minderjährige verkaufte. Die kriminelle Laufbahn, die er einschlug, führte bis heute zu zehn Vorstrafen und vier Jahren Gefängnisaufenthalt.

Vier weitere Monate werden nun hinzukommen. Dazu verurteilte ihn das Amtsgericht Dachau am Dienstag wegen exhibitionistischer Handlungen in einem Bus des öffentlichen Nahverkehrs. Der Angeklagte bat Amtsrichter Christian Calame unter Tränen, lediglich eine Geld- oder zumindest eine Bewährungsstrafe zu verhängen: "Bitte stecken Sie mich nicht wieder in den Knast." Angesichts der zahlreichen Vorstrafen des Mannes - er war schon einmal wegen Exhibitionismus verurteilt worden und hatte die jetzige Tat unter laufender Führungsaufsicht begangen - sah der Vorsitzende Richter allerdings keine andere Möglichkeit als dem Antrag der Staatsanwältin zu folgen und den Mann für vier Monate ins Gefängnis zu schicken. "Exhibitionistische Handlungen sind kein Bagatelldelikt", begründete der Richter. Und: "Es gibt keine Maßnahme im Strafrecht, die sie noch nicht erlebt haben. Aber nichts hat gefruchtet."

Die Beweislage gegen den arbeitslosen Mann war ohnehin erdrückend. Eine 32-jährige Frau aus München, die ihn bei der Polizei angezeigt hatte, lieferte vor Gericht eine detailreiche Aussage. Am 8. Februar 2017 war sie demnach vormittags in den Linienbus 693 von Lohhof nach Haimhausen gestiegen, in dem der Angeklagte ihr gegenüber saß. In dem Bus war um diese Uhrzeit nicht viel los, nur der Busfahrer und eine weitere Person saßen außerdem im Fahrzeug. Der Angeklagte griff sich laut der Zeugin zunächst in seine Jogginghose und manipulierte mehrere Minuten lang an seinem Glied. Dann entblößte der Mann sich mehrfach und lächelte der Frau dabei ins Gesicht.

Erst als der Angeklagte nach fast zehn Minuten Fahrt aus dem Bus ausstieg, fand die unangenehme und beängstigende Situation ein Ende für die Frau. In ihrer Arbeit vertraute sie sich einer Kollegin an, mit der sie am Nachmittag zur Dachauer Polizei fuhr und Strafanzeige erstattete. Dabei erwies es sich als hilfreich, dass die Münchnerin während der Fahrt ein Foto von dem Angeklagten gemacht hatte.

Der 34-Jährige versuchte seine Tat vor Gericht zunächst zu verharmlosen und behauptete, dass er am Vorabend ein Potenzmittel eingenommen habe, das zu der Erektion geführt habe. Letztlich aber zeigte sich der Mann doch reuig und entschuldigte sich bei der Frau. Er sei wenige Wochen vorher erst aus dem Gefängnis entlassen worden und habe einen starken Trieb verspürt. "Es tut mir wirklich schrecklich leid", sagte der Mann.

Die Münchnerin sagte zu möglichen Spätfolgen: "Ich bin inzwischen okay." Hin und wieder sei sie allerdings noch nervös und befürchte, im Bus wieder auf den Mann zu treffen. Das sei sogar schon einmal passiert, erzählte die Frau. Glücklicherweise sei damals aber ihr Ehemann dabei gewesen.

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