Amtsgericht:Ungeschütztes Smartphone

Ein 20-Jähriger wird angeklagt, weil er einen Porno versendet haben soll

Von Benjamin Emonts, Dachau

Ein 20-Jähriger aus dem Landkreis musste sich wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Dachauer Amtsgericht verantworten. Dem jungen Mann wurde vorgeworfen, dem 13-jährigen Sohn seines Stiefvaters ein pornografisches Video auf das Smartphone geschickt zu haben. Nach nur einstündiger Verhandlung allerdings wurde der Auszubildende freigesprochen. Die Angaben des Hauptzeugen, sagte der Dachauer Amtsrichter Daniel Dorner, "reichen nicht aus, um den Angeklagten zweifelsfrei der Straftat zu überführen".

Dem 20-Jährigen war die ganze Angelegenheit sichtlich unangenehm, als er den Gerichtssaal betrat und schüchtern seine Personalien angab. Als der Richter ihn kurz darauf fragte, ob die Vorwürfe aus der Anklage denn stimmten, sagte der junge Mann aber entschlossen: "Nein." Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs an Kindern ließ zunächst vermuten, der Angeklagte könnte sich an einem Kind vergriffen oder es zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Doch nach dem deutschen Strafgesetzbuch gilt auch das Zeigen oder Zugänglichmachen pornografischer Inhalte - sei es über Bilder, Videos oder andere Tonträger - als sexueller Missbrauch an Kindern. Auf entsprechende Handlungen steht eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren.

Im Fall des Angeklagten hatte die Staatsanwaltschaft München II vor der Verhandlung angeboten, das Verfahren einzustellen, vorausgesetzt der Angeklagte würde ein Geständnis ablegen. Der 20-Jährige wäre dann zwar nicht verurteilt worden, doch ein Akteneintrag und das Schuldbekenntnis hätten dauerhaft an ihm gehaftet. Der Angeklagte blieb folglich bei seiner Aussage, das Video nicht verschickt zu haben, worauf er schon bei den polizeilichen Befragungen stets beharrt hatte. Denn die Vorwürfe waren in seinen Augen völlig haltlos. Er habe das Video zwar gekannt und auf seinem Smartphone gespeichert, aber verschickt habe er es nie. Stattdessen müsse es so gewesen sein, dass der Sohn des Stiefvaters, der an den Wochenenden regelmäßig zu Besuch war und mit dem Handy des Angeklagten gespielt habe, "sich das Video selbst geschickt und den Nachrichtenverlauf anschließend gelöscht hat". Gestützt wurde diese Aussage durch den Stiefvater. Er sagte dem Gericht, dass sein Sohn den Zugangscode zum Handy des Angeklagten gekannt und immer wieder auf das Gerät zugegriffen habe. "Wahrheit muss Wahrheit bleiben", sagte der Mann.

Angezeigt wurde der sexuelle Missbrauch von der Polizei. Eine Lehrerin hatte auf dem Smartphone eines minderjährigen Schülers pornografisches Material gefunden. Die weiteren Ermittlungen der Beamten führten schließlich zum Handy des 13-Jährigen, auf dem der Porno-Film sichergestellt wurde. Bei der Polizei sagte der 13-Jährige aus, er habe sich den Film gemeinsam mit dem Angeklagten angesehen und ihn darum gebeten, das Video zu schicken. Er habe den Zugangscode des Smartphones nicht gekannt. Nach Ansicht des Gerichts und der Staatsanwaltschaft waren die Aussagen des Kindes aber teilweise widersprüchlich. Der Freispruch war die logische Konsequenz.

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