Amtsgericht:Haarscharf an der Haft vorbei

Junger Karlsfelder erhält wegen Drogenhandels eine Jugendstrafe auf Bewährung

Von Benjamin EMonts, Dachau

Der Münchner Staatsanwalt Matthias Braumandl kennt offensichtlich keinen Spaß bei Marihuana - und das hat seine Gründe. Bei einem Mann, der sein Kind aus dem Fenster geworfen habe, sei eine durch Cannabis ausgelöste Psychose festgestellt worden - und ebenso bei einem Enkel, der seinen Großvater im Wahn mit einem Messer erstochen habe. In beiden Fällen wurde demnach der Cannabis-Wirkstoff THC im Blut nachgewiesen. Die vermeintlich weiche Droge sei gefährlich, will der Staatsanwalt mit den drastischen Beispielen verdeutlichen. Für den jungen Karlsfelder Dealer vor dem Dachauer Amtsgericht Dachau fordert er deshalb zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis.

Dem eloquent auftretenden Angeklagten war womöglich gar nicht bewusst, welches Risiko er einging, als er in Karlsfeld und Dachau über mindestens eineinhalb Jahre schwunghaft mit Marihuana handelte - das Kiffen und Verticken im Freundeskreis gehörte zu seinem Alltag. Dann aber verpfiff ihn ein Abnehmer bei der Polizei. Die Drogenfahnder von der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck leiteten umfassende verdeckte Ermittlungen ein. Wochenlang hörten sie das Telefon des jungen Mannes ab und observierten seine Wohnung. Als sie zuschlugen, fanden sie dort mehr als 1,3 Kilogramm Marihuana. Die Staatsanwaltschaft München II erhob Anklage wegen des Verdachts auf unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Der inzwischen 22-jährige Mann muss um seine Freiheit vor dem Schöffengericht Dachau bangen. Gleich zu Beginn der Verhandlung legt er ein Geständnis ab. Er räumt ein, in vier Portionen fast 200 Gramm Marihuana an einen Bekannten verkauft zu haben, einer Freundin gab er Gras im Wert von 300 Euro. Die Herkunft der 1,3 Kilogramm aus seiner Wohnung verschweigt er, weil er niemanden hinhängen will. Pro Gramm habe er sieben Euro bezahlt. Verkaufen wollte er es zu elf Euro oder noch mehr.

Das Dachauer Schöffengericht muss die Entscheidung treffen, ob der bislang nicht vorbestrafte Mann ins Gefängnis wandern soll. Der Staatsanwalt fordert eine drastische Freiheitsstrafe. Er setzt sich dafür ein, dass auf den Karlsfelder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird. "Er war in der Lage, ein kleines Unternehmen zu führen. Er hat sich um Abnehmer, Logistik, Preiskalkulation und Verpackungsmöglichkeiten gekümmert", betont der Staatsanwalt. Außerdem habe der Angeklagte im Sinn gehabt, mehrere Tausend Euro Gewinn mit dem Marihuana herauszuschlagen.

Der Anwalt des Angeklagten, der Dachauer Joachim Schwarzenau, hält eine Vollzugsstrafe für überzogen. In seinem Schlussvortrag fordert er zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung. Der Angeklagte sei schließlich familiär eingebunden und gehe einem festen Beruf nach. Seine Sozialprognose sei günstig, zumal er jeglichen Drogenkonsum eingestellt habe.

Die Anspannung vor dem Urteilsspruch ist spürbar im Gerichtssaal, insbesondere bei den besorgten Eltern des jungen Mannes. Ihre Erleichterung ist dementsprechend groß, als das Schöffengericht den jungen Mann, so Amtsrichter Dorner, "gerade noch" zu einer Jugendeinheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung verurteilt. Als er mit dem Verkaufen begonnen habe, sei er noch ein Heranwachsender gewesen, begründet Dorner die Anwendung von Jugendstrafrecht. "Sein weiterer Handel wurzelte darauf." Auf die leichte Schulter dürfte der junge Karlsfelder die Bewährungsstrafe allerdings nicht nehmen. Als Bewährungsauflage muss er 5000 Euro an die Staatskasse zahlen und für das verkaufte Marihuana 2000 Euro Wertersatz leisten. Doch immerhin bleibt der junge Mann in Freiheit.

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