Amtsgericht Dachau:Vorfahrtsregelung mit dem Gummiknüppel

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Rabiater Fahrer zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt

Von Jacqueline Lang, Dachau

Fünf Zeugen, fünf unterschiedliche Aussagen, so fasst der Angeklagte die Verhandlung gegen ihn zusammen, und zumindest in diesem Punkt muss Richter Christian Calame dem 58-jährigen gebürtigen Tschechen, der derzeit in Memmingen lebt, zustimmen. Trotzdem hält es der Richter am Dachauer Amtsgericht für erwiesen, dass der Angeklagte sich einer schweren Körperverletzung schuldig gemacht hat, indem er auf der B 471 bei Bergkirchen einen Lkw-Fahrer mit voller Wucht mit einem Gummiknüppel geschlagen hat. Er verurteilt ihn deshalb zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt sind. Zwischenzeitlich hatte der Angeklagte in Erwägung gezogen, eine Einstellung des Verfahrens zu fordern, doch als der Richter ihn am Ende fragt, ob er das Urteil annehme, sagt der nur lapidar: "Bringen wir's hinter uns."

Seine Schuld will der Angeklagte nur in Teilen eingestehen: Zwar sei es richtig, dass es ein Gerangel zwischen ihm und dem Fahrer eines Sattelschleppers gegeben habe; was jedoch nicht stimme sei, dass er zuerst zugeschlagen habe. Kurz bevor sich die zwei Spuren auf der B471 wieder zu einer Fahrbahn verengen, sei er mit seinem Kleintransporter vor dem Lkw noch auf die rechte Spur gezogen - aber wenn überhaupt, dann sei nicht sein Fahrmanöver gefährlich gewesen, sondern das des Lkw-Fahrers. Der habe zwischenzeitlich beide Spuren blockiert und dabei fast einen Auffahrunfall verursacht. Als der Fahrer ausgestiegen und aggressiv auf ihn zugekommen sei, so der Angeklagte, sei ihm klar gewesen: "Kuscheln will der nicht mit mir." Den Schlagstock habe er erst später in der Not zum Einsatz gebracht. Letztlich habe er sich nur gewehrt. "Ich bin das Symptom, nicht der Grund", fasste er seine Sicht der Dinge abschließend zusammen.

Auf die Frage des Richters, warum er überhaupt einen Gummiknüppel im Auto mit sich führe, erklärt der Angeklagte, den habe er auf einer Raststätte gefunden und wenn er ihn nicht mitgenommen hätte, so hätte es vielleicht ein anderer getan. Außerdem, davon ist er überzeugt: "Wattebäuschen hätten ihn auch nicht überzeugt". Mehrere Schläge mit dem Knüppel ausgeführt zu haben, bestreitet der Angeklagte dennoch. Nach der ersten Auseinandersetzung habe er noch versucht, den Lkw-Fahrer zu beruhigen, doch ein Schlag ins Gesicht habe zu einer "Rauferei" geführt, die auf dem Boden endete. Diese sei schnell von der eintreffenden Polizei beendet worden. Zumindest dieser Teil ist unstrittig, weil ein Zeuge diesen Teil des Geschehens mit dem Handy gefilmt hat.

Warum ihm die Polizisten bei ihrem Eintreffen gleich Handschellen angelegt haben, kann der Angeklagte nicht verstehen. Das Messer, das er außerdem noch bei sich getragen habe, habe er nicht einsetzen wollen. "Ich bin doch kein Araber, der Leute absticht", sagt er. Von seinem Kontrahenten spricht er in verächtlichem Tonfall als "Russe", der offenbar gar kein Deutsch verstehe. Dem Lkw-Fahrer der tatsächlich aus Moldawien stammt, konnte die Vorladung nicht zugestellt werden.

Zwei Zeugen schildern, dass der Angeklagte nicht erst später und in reiner Notwehr den Gummiknüppel gezückt habe, sondern schon mit der Waffe in der Hand aus dem Auto gestiegen sei. Außerdem sagt ein Zeuge aus, dass ihm der Kleintransporter des Angeklagten schon zuvor auf der A 92 durch aggressives Fahrverhalten aufgefallen sei. Bei seinem Überholmanöver auf der sich bereits wieder verengenden B471 habe der Mann dann nicht nur die durchgezogene Linie überfahren, sondern sei auch noch auf die Gegenfahrbahn geschwenkt. "Wenn man sich das so vorstellt, ist das ein unfassbares Fahrmanöver", findet Richter Calame.

Trotz einiger Ungereimtheiten sieht die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt teilweise bestätigt. In seiner Urteilsverkündung bekräftigt Richter Calame, dass sicherlich auch der Lkw-Fahrer "kein Unschuldslamm" sei, aber vor allem das riskante Fahrmanöver des Angeklagten "sei einfach nur krass" und zeige, dass dieser völlig ungeeignet sei für den Straßenverkehr. Im Übrigen hätte schon sein Teilgeständnis ausgereicht für eine Verurteilung. Der Angeklagte, der während der Zeugenvernehmungen größtenteils unbeteiligt bleibt und sogar vorgibt zu lesen, zeigt sich von dem Urteil und dem Entzug seiner Fahrerlaubnis unbeeindruckt. In Tschechien, wohin er im kommenden Jahr zurückkehren wolle, gelte dieses Fahrverbot nicht. Praktisch daher, dass seine Papiere gerade angeblich alle bei tschechischen Behörden liegen.

© SZ vom 22.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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