Amtsgericht Dachau:Vermeintlicher Dieb muss Hose ausziehen

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Drastischer Fall von Selbstjustiz: Ein Ladendetektiv schleifte einen 17-Jährigen, den er für einen Dieb hielt, durchs Geschäft und prügelte auf ihn ein. Vor dem Amtsgericht Dachau fiel nun das Urteil.

Daniela Gorgs

Der Selbstjustiz sind enge Grenzen gesetzt. So haben Detektive nur das Recht, das jedem Bürger zusteht, sie dürfen einen Dieb, den sie auf frischer Tat ertappen, bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Sie dürfen nicht die Taschen des beschuldigten Kunden ausleeren und ihn schon gar nicht zwingen, die Hosen herunterzulassen. Auch ist es ihnen verboten, zuzuschlagen, selbst wenn sie zuvor provoziert wurden.

Ein Ladendetektiv soll einen vermeintlichen Dieb durch das Geschäft geschleift haben und auf ihn eingeprügelt haben. (Foto: dapd)

Einem 27-jährigen Detektiv wird genau dies vorgeworfen. Er stellte einen 17-jährigen Kunden, der in einem Supermarkt im westlichen Landkreis ein Päckchen Tabak gestohlen haben soll. Das jedenfalls beobachtete der Detektiv - und folgte dem Kunden. Vor dem Eingang packte er ihn unsanft am Oberarm und befahl ihm, wieder mit hinein zu kommen.

Der 17-Jährige weigerte sich. Laut Anklageschrift folgte ein Streit, an dessen Ende der Detektiv den 17-Jährigen überwältigte, im Schwitzkasten durch den Laden ins Büro schleifte und ihn dort anwies, die Hosen auszuziehen.

Jetzt muss sich der Detektiv wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung vor dem Amtsgericht verantworten. Der 27-Jährige hatte Einspruch gegen den Strafbefehl erhoben, nachdem er eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen à 40 Euro zahlen sollte. Das erschien ihm zu viel, zumal er, wie er vor Gericht behauptet, den Kunden weder geschlagen noch getreten habe.

Der Kunde aber sagt etwas anderes: Nachdem er sich weigerte, der Aufforderung des Detektivs zu folgen, habe dieser ihn kräftig am Oberarm gepackt und mit erhobener Hand einen Schlag angedroht. Aus einem Reflex heraus habe der 17-Jährige ihm eine leichte Ohrfeige gegeben.

Daraufhin habe er selbst zwei Faustschläge auf die Wange kassiert und sei am Boden gelandet. Unten liegend habe er einen Fußtritt abgewehrt. Der Vorfall ist elf Monate her. Doch geschockt ist der 17-Jährige noch heute darüber. "Hätte ich meine Arme nicht vor dem Gesicht verschränkt, wäre durch den Fußtritt mein Nasenbein oben im Hirn gewesen."

Als "beschämend" empfand er es, vor allen Leuten quer durch das Geschäft gezogen worden zu sein. Im Büro musste er dann seine Hose bis zu den Schuhen herunterlassen und sich im Kreis drehen. Um keine weiteren Schläge zu kassieren, sei er den Anweisungen des Detektivs gefolgt, bis die Polizei kam.

Nach der Aussage des 17-Jährigen fragt der Staatsanwalt, ob der Angeklagte den Strafbefehl nicht doch annehmen möchte. Dessen Verteidiger aber setzt durch, dass zumindest der Vorwurf der Nötigung zurückgenommen wird, da der Kunde die Hose am Ende bereitwillig heruntergezogen habe.

Das Gericht geht auf diesen Vorschlag ein. Was bleibt, ist die vorsätzliche Körperverletzung. Und deswegen verurteilt der Vorsitzende Richter Daniel Dorner den 27-Jährigen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 Euro. Zwar habe sich der Kunde falsch verhalten, räumt der Richter ein. Doch seien dem Angeklagten die Nerven durchgegangen. "Ein Tritt ist keine Notwehr." Dorner unterstellt ihm Rache als Motiv, weil der Kunde ihm nicht gefolgt sei.

Das Päckchen Tabak, das der 17-Jährige gestohlen haben soll, wurde später vor dem Geschäft gefunden. Weil aber keine Fingerabdrücke zu finden waren, konnte ihm der Diebstahl nicht nachgewiesen werden.

© SZ vom 03.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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