Amtsgericht Dachau:Verbotene Nazi-Symbole

Vor wenigen Monaten hatte ein 20-Jähriger auf der Dachauer Polizei Wache im Suff "Heil Hitler" gebrüllt. Nun sitzt er schon wieder vor Gericht, kahlgeschoren und tätowiert mit Lebensrunen und SS-Totenkopf. Und angeblich geläutert.

Gregor Schiegl

Der Hund ist schuld. Sein Geburtsdatum, der 31. Oktober 1996, ist auf der linken Wade des 20-jährigen Karlsfelders tätowiert. Eingerahmt sind die Zahlen von zwei Symbolen, die aussehen wie ein Y mit verlängertem Mittelstrich. Es sind sogenannte Lebensrunen, die als Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen gelten. Sie in der Öffentlichkeit zu zeigen, ist strafbar. Deswegen sitzt der junge Mann, kahlrasiert und in schwarzer Bomberjacke, auf der Anklagebank im Dachauer Amtsgericht. Er sei sich keiner Schuld bewusst, sagt er treuherzig, und nein, der rechten Szene gehöre er nicht an. Nicht mehr. Er sei auch schon dabei, seine Tätowierungen zu überstechen. Es gibt nämlich "noch viel schlimmere" auf seinem Körper als die Lebensrunen: ein Keltenkreuz am Arm und auf der rechten Wade einen SS-Totenkopf. Nur waren die im Gegensatz zu den Runen verdeckt von Kleidung. Auf dem Karlsfelder Siedlerfest hatte er das linke Hosenbein aber hochgekrempelt, "weil's so warm war". Eine Polizeistreife sah die verbotenen Symbole, und jetzt hat er den Ärger. Wieder einmal. Nur sechs Wochen vor diesem Auftritt hatte er betrunken in der Dachauer Polizeiinspektion randaliert und "Heil Hitler" geschrien. Dafür gab es eine saftige Geldstrafe. Angesichts der "extrem hohen Rückfallgeschwindigkeit" fordert der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Der Karlsfelder hatte schon öfter Ärger mit der Justiz: 2005 unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen, 2008 Missbrauch von Notrufen, 2009 Beleidigung und dann 2011 die Sache mit den Nazi-Symbolen. Der Angeklagte weiß, dass die Zeichen verboten sind. Beim Baden habe er sie sich immer mit Panzer-Tape zugeklebt, damit sie keiner sieht. Warum er sich die hat stechen lassen, will der Richter wissen. "Jung und dumm", antwortet der Angeklagte grinsend. Und die Lebensrunen? "Weil ich meinen Hund liebe". Außerdem habe er sich schon immer für nordische Mythologie begeistert. Die Rune gab es schon vor den Nazis, aber sie wurde ideologisch umgedeutet, ebenso wie das Hakenkreuz. Im Nationalsozialismus wurde die Rune entgegen ihrer ursprünglichen Bedeutung als "Lebensrune" interpretiert, die das menschliche Leben symbolisiert. Beim Angeklagten war es das Hundeleben. Die Rune war außerdem ein Rangabzeichen der SA-Sanitäter und stand auf Gräbern von SS-Angehörigen als Zeichen für das Geburtsdatum. Die NS-Frauenschaft, das Deutsche Frauenwerk und der Reichsbund Deutsche Familie verwendeten sie ebenfalls. 2006 ließ sich der Angeklagte die Runen stechen. Damals waren sie noch legal. Zumindest war das die Auskunft, die er vom "Deutschen Rechtsbüro" erhalten habe, das sich selbst als "Selbsthilfegruppe zur Wahrung der Grundrechte nationaler Deutscher" bezeichnet. Richter Daniel Dorner sagte kühl, dies sei nicht der erste Fall, in dem "dieses Rechtsbüro danebenliegt". Zwar habe es Gerichtsentscheidungen gegeben, die die Runen als zulässig werteten, solange sie in keinem direkten Bezug zu einer Nazi-Organisation gezeigt werden. 2008 habe der Bundesgerichtshof dies aber anders entschieden. "Das habe ich nicht gewusst", sagte der Angeklagte. Richter Dorner nahm ihm dass zwar ab. Doch half ihm das nicht, denn: "Der Verbotsirrtum war in diesem Fall vermeidbar." Der Angeklagte hätte sich informieren müssen, ob die Rechtssprechung sich geändert hat. Das Versäumnis bezahlte der Angeklagte mit 90 Tagessätzen Geldstrafe zu zehn Euro. Dem Vernehmen nach ist der Hund mittlerweile 14 Jahre alt und immer noch wohlauf.

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