Amtsgericht Dachau:"Unerklärlicher Gewaltausbruch"

Drei Mädchen müssen sich vor Gericht verantworten, weil sie auf dem Indersdorfer Faschingsumzug drei andere Mädchen attackierten: eines musste ins Krankenhaus.

Robert Stocker

Im Prinzip sind es drei völlig unauffällige Mädchen mit intaktem sozialem Hintergrund, die sich plötzlich auf einer Anklagebank wiederfinden. Sie sind 17 und 18 Jahre alt, leben zuhause bei ihren Eltern und machen keineswegs den Eindruck, dass sie irgendwie aus dem Ruder laufen. Ein Mädchen hat die Schule mit dem Quali abgeschlossen und hofft jetzt, mit einem entsprechend guten Abschluss ihrer Berufsausbildung die Mittlere Reife zu erlangen; ihre Freundin hat den mittleren Bildungsabschluss schon in der Tasche und gibt als Berufswunsch Stewardess an; das jüngste der drei Mädchen besucht das Gymnasium. Kaum vorstellbar, was ihnen die Staatsanwältin in der Verhandlung des Amtsgerichts vorwirft: Sie sollen drei andere, in etwa gleichaltrige Mädchen misshandelt, verletzt und beleidigt haben, eines davon so massiv, dass es im Krankenhaus stationär behandelt werden musste.

Und das alles wegen einer Lappalie, die zumindest zwei der Angeklagten einen Freizeitarrest einbringen könnte. Jugendliche würden das wohl "Zickenkrieg" nennen, befördert durch reichlichen Alkoholkonsum, was sich unter den Beteiligten am 9. Februar abspielte: Die drei Freundinnen waren auf dem Indersdorfer Faschingsumzug unterwegs und durch den Alkoholgenuss wohl auch schon etwas enthemmt. Eine der drei hatte nach eigenen Angaben an diesem Tag viel getrunken und hat deshalb vor Gericht große Erinnerungslücken. Doch so viel wird immerhin durch die Zeugenaussagen klar: Ein anderes Mädchen kniff den damaligen Freund einer der drei Angeklagten ins Hinterteil, was diese offenbar als Angriff auf ihr "Eigentum" wertete. Mit den Worten "niemand langt meinem Freund an den Arsch" ging sie zunächst auf zwei Mädchen los, die sie für den Griff auf den Hintern ihres Freundes verantwortlich machte, damit aber gar nichts zu tun hatten.

Eine der beiden Freundinnen, die ebenfalls auf der Anklagebank sitzen, kam ihr zur Hilfe und wurde dabei äußerst aggressiv. "Sie haben mich geschubst und mit der Faust und Tritten geschlagen", sagt ein Opfer als Zeugin vor Gericht. Selbst als sie schon am Boden gelegen sei, sei sie noch getreten worden. Drei Tage verbrachte sie im Krankenhaus, weil sie wegen der Verletzungen nicht mehr laufen konnte, außerdem bestand Verdacht auf Gehirnerschütterung. Das zweite Opfer wurde angespuckt, erhielt Schläge ins Gesicht und wurde gegen eine Wand gedrückt. "Ich habe keine Ahnung, warum", sagt es als Zeugin vor Gericht. Kein Wunder, denn auch sie hatte mit dem Griff an den Po nichts zu tun. Schließlich fiel den Angreiferinnen jenes Mädchen in die Hände, die auch in der Verhandlung den Kniff ins Hinterteil des jungen Burschen zugab. "Eine hat mir auf den Hinterkopf geschlagen, dann erhielt ich Tritte und Faustschläge ins Gesicht. Ich wollte wegrennen, doch dann wurde ich erneut geschlagen und gegen einen Zaun gedrückt." Das Mädchen klagte nach dem Angriff über Kopfschmerzen und Kratzer, ein Arzt diagnostizierte eine Schädelprellung.

Wir haben das Mädchen nicht geschlagen, wir wollten nur, dass sie da bleibt, um die Sache zu klären", verteidigt sich eine der Angeklagten vor Gericht. "Ich habe in meinem Leben noch nie einen Menschen mit Füßen getreten." Auch ihre Freundin beharrt darauf, das andere Mädchen nicht geschlagen zu haben. "Ich habe sie nur am Handgelenk genommen und mit ihr diskutiert, um die Sache zu klären."

Weil ihr keine Schläge nachgewiesen werden können, wird das Verfahren gegen sie mit der Auflage von zwei Tagen Sozialarbeit eingestellt. Auch bei der zweiten Angeklagten gibt es für Amtsrichter Daniel Dorner keine konkreten Hinweise auf Gewaltausübung. Die Anklage wegen Körperverletzung wird deshalb fallen gelassen, wegen Nötigung und Beleidigung wird sie allerdings zur Leistung von 48 Sozialstunden verurteilt. Die Dritte im Bunde hat sich nach Ansicht Dorners zweifelsfrei einer Körperverletzung schuldig gemacht. "Sie hat mehrmals zugeschlagen, das war ein unerklärlicher Gewaltausbruch, dessen Motiv im Dunkeln liegt." Die Angeklagte muss deshalb 80 Sozialstunden leisten. Außerdem muss sie eine Alkoholberatung machen, damit sie sich die Gefahren des Alkohols vor Augen hält.

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